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Halbes Hirn. Das Mikroskopbild zeigt einen Anschnitt der Gehirnknospe. Daran lässt sich die Entstehung einzelner Hirnregionen erkennen.

© dpa

Organ-Vorstufe aus der Petrischale: Erbsenhirne aus dem Labor

Stammzellforscher lassen Gehirn-Knospen wachsen. Das Gewebe zeigt enthält verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Zelltypen. Bis zu einem "Gehirn aus der Petrischale" ist es aber noch ein weiter Weg.

Aus Stammzellen haben Wissenschaftler menschliche Miniatur-Gehirne wachsen lassen. Die „cerebralen Organoide“ sind etwa vier Millimeter groß und bilden die frühe Entwicklung des menschlichen Gehirns nach. Sie könnten dazu beitragen, Entwicklungsstörungen und Krankheiten zu untersuchen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“.

Ausgangspunkt für die Versuche des Teams um Jürgen Knoblich und Madeline Lancaster vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien waren embryonale Stammzellen. Diese sind in der Lage, sich in viele verschiedene Gewebetypen zu entwickeln. Sie besitzen dabei eine enorme Fähigkeit zur Selbstorganisation. Das heißt, die Zellen lagern sich unter geeigneten Bedingungen auch ohne Zugabe von Wachstumsförderern oder anderen Chemikalien zu dreidimensionalen Geweben zusammen.

Die Forscher nutzten diese Fähigkeit und ließen die Stammzellen in einem sich drehenden Bioreaktor heranwachsen. Durch die Rotation wird die Nährstoffversorgung der Zellen verbessert. Nach etwa zwei Monaten erreichten die Mini-Hirne ihre endgültige Größe von bis zu vier Millimetern.

Untersuchungen der Organoide zeigten, dass diese in verschiedene Bereiche unterteilt waren, wie Vorder-, Mittel- und Hinterhirn. Ähnlich wie bei der natürlichen Entwicklung der menschlichen Großhirnrinde bildeten sich auch in der Organkultur verschiedene Schichten mit unterschiedliche Zelltypen, etwa Nervenzellen und Gliazellen. „Im Durchschnitt können die Gehirn-Organoide die Entstehung von Gehirnstrukturen bis in die neunte Schwangerschaftswoche imitieren“, erläutert Lancaster.

Die Experten betonen, dass mithilfe der Organkultur auch Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen erforscht werden können, die im Tierversuch aufgrund bestimmter Unterschiede in der Gehirnentwicklung nicht untersucht werden können. Auch für die Pharmaindustrie könnten solche Kultursysteme nützlich sein, etwa um die Wirkung von Arzneien und Chemikalien zu testen.

Trotz der fesselnden Daten sei die Herstellung eines „Gehirns in der Petrischale“ weiter außer Reichweite, kommentiert Oliver Brüstle von der Universität Bonn in einem weiteren Beitrag für „Nature“. Innerhalb der Organoide seien die verschiedenen Hirnbereiche zufällig verteilt. Sie besäßen nicht dieselbe Form und räumliche Organisation wie im Gehirn. Da ein Kreislauf fehle, sei die Nährstoffversorgung der Organoide eingeschränkt. Mit der Arbeit sei aber eindrucksvoll gezeigt, dass solche Kulturen in der Entwicklungsbiologie und in der Biomedizin als Hilfsmittel eingesetzt werden können. dpa

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