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Gruss

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Peter Gruss: "Deutschland soll erfinden, nicht imitieren"

Peter Gruss, Chef der Max-Planck-Gesellschaft, spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Forschen in der Krise.

Herr Gruss, die Max-Planck-Gesellschaft trifft sich am Dienstag in Mainz zu ihrer 60. Jahresversammlung. Welches sind die Themen, die die Teilnehmer umtreiben?



Wir sind verpflichtet zu vermitteln, was die MPG für die Gesellschaft als Ganzes tun kann. Besonders am Herzen liegen uns die jungen Leute. Max-Planck-Wissenschaftler halten 84 Vorträge in 24 Schulen der Region, um den Kindern bewusst zu machen, wie attraktiv ein Leben in der Forschung sein kann. Am Mainzer Hauptbahnhof hält der von uns gestaltete Science-Express. Mit ihm wollen wir die Bevölkerung zu einem Gang durch die moderne Wissenschaft motivieren.

Geht es in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise auch um Geld?

Intern wird über personelle und strukturelle Erneuerungen diskutiert. Thema sind auch die finanziellen Rahmenbedingungen, die uns die Zuwendungsgeber dafür bieten. Bei der Festveranstaltung werde ich an Wirtschaft und Politik appellieren, verstärkt in Grundlagenforschung zu investieren und nicht etwa wegen der Krise Gelder zurückzuhalten. Die Grundlagenforschung ist es, die den wirtschaftlichen Wohlstand garantiert. Deshalb stellen gerade jetzt die USA und die High-Tech-Länder Asiens Rekordsummen für die Grundlagenforschung bereit. Deutschland muss ein Innovator-Land sein, kein Imitator-Land.

Der Etat der MPG wird ab 2011 jährlich um fünf Prozent erhöht. Reicht das Geld, um alle Kostensteigerungen auszugleichen und die MPG weiter auszubauen?

Ja, vorausgesetzt die Inflationsrate steigt nicht wesentlich. Wir haben spannende neue Projekte, die wir mit dem Geld realisieren wollen. In der Synthetischen Biologie wollen wir klären, wie man Mikroorganismen ganz dezidierten Aufgaben zuführen kann, etwa bei der Entgiftung von Böden. In den Geisteswissenschaften ist die empirische Ästhetik ein großes Thema: Warum ändern sich unsere ästhetischen Urteile von Zeit zu Zeit, welche prägende Rolle spielt die Kultur, in der wir aufwachsen? Wo sind diese Prozesse neurobiologisch zu verorten?

Sie wollen Topwissenschaftlern, die etwa aus den USA abgeworben werden sollen, Sonderkonditionen bieten. Sind Sie da weitergekommen?

Die Wissenschaftsfreiheitsinitiative des Bundes ist nur der erste Schritt. Denn der Vergaberahmen, den uns die Geldgeber vorschreiben, zwingt uns dazu, eine teure Berufung aus dem Ausland durch eine preisgünstige Berufung einer jüngeren Person auszugleichen. Das kann es doch nicht sein! Von uns wird zu Recht erwartet, die Exzellenz auf allen Ebenen zu rekrutieren. Dazu gehört auch, dass wir Topwissenschaftlern etwa aus den USA dasselbe bieten wie ihre Heimatuniversitäten. Wenn sie in Harvard forschen, können ihre Kinder dort gebührenfrei studieren – das sind Kosten von mindestens 50 000 Dollar pro Jahr pro Kind.

Ein Ausweg ist die Gründung von Auslandsdependancen der MPG. Was kann das künftige Max Planck Florida Institute, was deutsche Institute nicht können?

Sie brauchen in jedem Fall ein gutes Umfeld. Und das ist am Standort des geplanten Instituts mit dem benachbarten SCRIPPS-Institut Florida gegeben. Die sind Spitzenreiter in der Chemie für die Analyse kleiner Moleküle. Das wird uns unmittelbar dienlich sein für unser Thema Bio-Imaging, die Sichtbarmachung komplexer biochemischer Vorgänge. Und nach Florida bekommen wir hoffentlich dann auch die Leute, die nicht nach Deutschland kommen würden.

Sind in Deutschland weitere gemeinsame Zentren mit Universitäten geplant wie das Max Planck Graduate Center in Mainz, durch das die MPG gemeinsam mit der Uni das Promotionsrecht erhält?

Dieses Center ist ein Pilotprojekt, es gibt derzeit keine weiteren Pläne. Das Promotionsrecht bleibt natürlich bei der Uni, aber wir stehen mit auf der Urkunde. Und das ist mehr als fair, zumal dieser Wunsch auch von den Studenten kommt, die sich mit dem Gütesiegel Max Planck weltweit bewerben wollen.

Die Exzellenzinitiative soll mit aufgestockten Mitteln fortgesetzt werden. Glauben Sie weiterhin, dass sich Deutschland nur drei Eliteunis leisten kann – statt der derzeit sieben und künftig vielleicht zwölf?

Auf nationaler Ebene ist zwölf eine Zahl, mit der man durchaus leben kann. Die Frage ist, nach welchen Kriterien Unis rausfliegen, welche neu in den Elitekreis kommen. Es wäre nicht einfach für die einzelne Universität, plötzlich das Elitesiegel zu verlieren. Denn das ist es, wonach sich die besten Studierenden heute richten. International unter die ersten 20 bis 50 Top-Universitäten kommen können aber höchstens drei deutsche Hochschulen. Dafür braucht eine Universität einen Etat von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr. Um das zu erreichen, müssten die Länder den Mut haben, einzelne Universitäten besserzustellen als andere.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

Peter Gruss (59) ist Molekularbiologe und seit 2002 Präsident der Max-Planck- Gesellschaft. Die MPG unterhält 76 Institute, hat rund 12. 000 Mitarbeiter und 9100 Doktoranden.

Interview von Amory Burchard

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