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© - Foto: promo

Pflanzenforschung: Eiweiß vom Acker

Lupinen könnten bald in Backwaren und Nudeln zur Geschmacksverstärkung eingesetzt werden. Wissenschaftler am Institut für Züchtungsforschung des Julius-Kühn-Instituts (Mecklenburg-Vorpommern) arbeiten jetzt an einer Kreuzung von Kulturpflanzen mit südamerikanischen Wildlupinen, die sich dafür eignet.

Knallblau mit einem deutlichen Stich ins Violette strahlt so mancher Straßenrand in Chile und Argentinien. Die dort so üppig wachsenden Lupinen könnten in Zukunft helfen, den Eiweißbedarf der Europäer zu decken. Denn diese Pflanze liefert für die Ernährung des Menschen ähnlich hochwertige Proteine wie Soja oder Geflügel. Das Eiweiß der Lupine könnte demnach in Eiscreme, Backwaren oder Nudeln das Soja-Eiweiß ersetzen, das dort bisher den Geschmack verstärkt. Tatsächlich gibt es bereits ein Lupinen-Eis, dessen Geschmacksverstärker allerdings aus einer europäischen Lupine stammt. Da die Bauern mit den Erträgen dieser Zuchtform nicht zufrieden sind, versuchen Peter Wehling und Karin Sonntag vom Institut für Züchtungsforschung des Julius-Kühn-Instituts (JKI) in Groß Lüsewitz in der Nähe von Rostock, die europäische Sorte jetzt mit Hilfe der Südamerikaner zu verbessern.

Das klingt einfach, erfordert in der Praxis aber modernste Techniken der Züchtungsforschung, weil beide Arten sich nicht auf natürlichem Weg kreuzen lassen. Die europäische Sorte wurde in den 30er Jahren aus der Art Lupinus angustifolius gezüchtet, die in der alten Welt zu Hause ist. Wie alle anderen Wildformen wehrt sich auch diese mit giftigen Alkaloiden gegen das Gefressenwerden. Die Lupinen an den Straßenrändern liefern also keinen kostenlosen Snack, sondern sind stark giftig. Ab und zu aber taucht eine natürliche Mutation auf, die fast keine Alkaloide produziert und die daher auch nicht mehr bitter schmeckt. Diese „Süßlupinen“ wurden in den 30er Jahren weiter gezüchtet, bald gab es statt Lupinen an den Straßenrändern die ersten Felder mit den blauvioletten Blüten.

Diese Pflanze hat einige Vorteile. So gehören Lupinen zu den Leguminosen, die mit Hilfe von Bakterien den Stickstoff der Luft so umbauen, dass er nicht nur von der Lupine, sondern auch von anderen Pflanzen verwendet werden kann. Leuchten auf einem Feld Lupinen, auf dem anschließend Getreide angebaut wird, kann der Bauer sich den Stickstoff-Kunstdünger sparen, der bei steigenden Energiepreisen ebenfalls kräftig teurer wird. Das ausgedehnte Wurzelwerk der Lupine geht bis in 150 Zentimeter Tiefe und holt so Wasser und Nährstoffe herauf, an die andere Pflanzen nicht herankommen. Deshalb kommen Lupinen mit Trockenperioden besser zurecht und holen auch noch Phosphate in die oberen Bodenschichten, die dort von nachfolgend angebauten Pflanzen genutzt werden können. Der Bauer spart also auch noch Phosphatdünger. Obendrein enthalten Lupinen fast zur Hälfte Eiweiße, die vermutlich den Cholesterinspiegel im Blut verbessern.

Aber Süßlupinen haben auch Nachteile. So wachsen sie nur auf Böden mit einem Säurewert unter 6,8, gute Ackerböden haben in Deutschland aber meist höhere Säurewerte. Daher bleiben die Erträge niedrig und die Bauern verdienen wenig mit der edlen Lupine. Ein paar Biobauern pflanzen sie als Zwischenfrucht auf die Äcker und verfüttern die Eiweiße anschließend an ihr Vieh. 2008 wurde die Süßlupine daher nur auf 20 000 Hektar Fläche in Deutschland angebaut. Das sind gerade einmal 0,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Sorten mit besseren Erträgen lassen sich aus den bisher verwendeten Süßlupinen kaum gewinnen, weil diese aus ganz wenigen Mutationen stammen und daher ein sehr einheitliches Erbgut haben. Neue Sorten aber lassen sich am besten züchten, wenn das Erbgut möglichst variabel ist und sich so die besten Eigenschaften auslesen lassen. In solchen Fällen kreuzen erfahrene Züchter mit der Wildform einer Pflanze, aus deren vielfältigen Eigenschaften sie die Kulturform dann verbessern können. Eben dies klappt bei der Süßlupine nicht, weil die südamerikanischen Arten so weit von ihr entfernt sind, dass eine Kreuzung auf natürlichem Weg nicht mehr funktioniert.

In solchen Fällen kann eine „Protoplastenfusion“ helfen, bei der die Forscher das Erbgut der beiden Arten im Labor mischen, ohne auf Methoden der Gentechnologie zurückzugreifen. Dabei bauen die JKI-Forscher Peter Wehling und Karin Sonntag mit speziellen Enzymen die Zellwand von Süßlupinen und einer südamerikanischen Lupine ab. Ohne die schützende Wand verlieren die Zellen zwar ihre Form, schwimmen aber ansonsten intakt in einer Nährlösung. Ein kurzer Stromstoß von einigen Millisekunden Dauer und einer Spannung von etwa tausend Volt reiht die Zellen dann wie Perlen auf einer Kette aneinander. Bei diesem engen Kontakt verschmelzen einige wenige Nachbarn miteinander.

Bei solchen Protoplastenfusionen verschmelzen auch Zellen unterschiedlicher Arten miteinander. Aus den erhaltenen Fusionszellen müssen die Züchter dann nur noch einen Spross ziehen. Das klappt zum Beispiel bei Kartoffelzellen sehr gut. „Lupinen sind da allerdings sehr widerspenstig“, erklärt Peter Wehling. Immerhin, aus einigen Hundert Fusionszellen schafften die JKI-Forscher es, drei Sprosse zu ziehen.

Diese Sprosse enthalten zwar von den wilden südamerikanischen Vorfahren noch jede Menge Alkaloide. Aber sie besitzen auch deren vielfältiges Erbgut. Und sie sollten sich mit den etablierten Süßlupinen kreuzen lassen. Aus solchen Kombinationen eine Lupinensorte ohne Alkaloide, aber mit höheren Erträgen und besserem Wachstum auf den fetten Böden mit höheren Säurewerten zu züchten, ist im Prinzip nur eine Frage der Zeit. „Vorher aber müssen wir noch ein Problem lösen“, erklärt Peter Wehling. Bisher konnten sie die erhaltenen Sprosse noch nicht dazu bewegen, auch Wurzeln zu bilden. Peter Wehling ist aber zuversichtlich, auch noch diese Hürde auf dem Weg zur Lupinen-Nudel und zum Lupinen-Kuchen zu meistern.

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