zum Hauptinhalt
Der Pflegeroboter Riba II.

© promo

Pflegeautomaten: Roboter helfen Patienten

Können Roboter alte und kranke Menschen pflegen? Viele Ingenieure glauben daran – und entwickeln Maschinen, die eines Tages Menschen betreuen sollen.

Hallo, ich bin Care-O-Bot 3“, sagt der Roboter mit freundlicher Stimme, einer Demenzpatientin zugewandt. Vor seinen Rumpf hält er ein Tablett, darauf steht ein Plastikbecher mit Wasser. „In dieser Woche biete ich hier Getränke an.“ In der Stuttgarter Seniorenwohnanlage „Parkheim Berg“ wird das graue, offenbar mit einer guten Erziehung programmierte Gerät eine Woche lang getestet und schenkt Wasser aus.

Auf der Demenzstation soll der Roboter beweisen, dass er das Pflegepersonal bei Routine-Aufgaben entlasten kann: Becher nehmen und in den Spender stellen, Wasser zapfen, den Becher auf seinem Tablettarm abstellen und zu den Bewohnern fahren. Das klingt nach einer machbaren Aufgabe. Doch der Roboter ist noch etwas unsicher, sowohl im Handeln als auch im Auftreten. Nicht immer hat er den Becher sicher im Griff seiner metallenen Finger. Wollen die von ihm bedienten Senioren das Wasser nicht, sagt er Sätze, die diese wohl kaum umstimmen werden: „Sind Sie sicher, dass Sie nichts möchten? Bitte denken Sie daran, Sie müssen viel trinken.“

Dass Roboter wie Care-O-Bot von Demenzkranken eines Tages ernst genommen werden, ist allerdings wahrscheinlich. Paro gelingt das schon – und das, ohne zu sprechen: Paro quiekt nur. Er habe die Laute selbst von Babyrobben aufgenommen, sagt Takanori Shibata, Paros Erfinder. Auch Paro ist eine Babyrobbe, allerdings eine künstliche. „Ich habe Paro als Ersatz für Tiere entwickelt“, sagt Shibata. Viel hatte er über die Erfolge von Tiertherapie gelesen, aber auch über die Nachteile. „Manche Menschen mögen keine Hunde, Hunde haben manchmal schlechte Laune. Paro ist immer gut gelaunt.“ In der Therapie sei es deshalb einfacher, mit Paro umzugehen als mit echten Tieren.

Therapie- oder Zuwendungsroboter werden solche Geräte in der Fachwelt genannt. Sie sollen nicht den Therapeuten ersetzen, sondern von diesem gezielt eingesetzt werden. In Europa soll Paro dann auch nur von Therapeuten und ausgebildetem Fachpersonal eingesetzt werden. In ihrem Heimatland Japan kann die knautschige Robbe aber auch von Privatleuten gekauft werden. Generell scheut man dort den Umgang mit Robotern weniger als in Europa oder den USA. Während die selbstständig agierenden Maschinen in Hollywood-Filmen meist als menschenfeindlich dargestellt werden, gelten sie in Japan eher als Freund und Begleiter.

Allmählich kommt die Idee des helfenden Roboters aber auch in Deutschland an und was Paro und seinesgleichen leisten können, wird beim Besuch eines Pflegeheims in Baden-Baden schnell klar. Fünf demente Alte sitzen um einen Tisch im Wohnzimmer, in der Mitte liegt die weiße Roboterrobbe und quiekt ihren Babyrobbenruf. Wenn Frau Wedig ihr über den Kopf streichelt, senkt das knautschige Tier den Schädel leicht ab und schließt scheinbar genüsslich die Augen. Von der anderen Seite des Tisches betreibt Herr Kühn mit einer weichen Bürste Fellpflege. Paro wackelt mit den plüschigen Schwanzflossen. Das leise Surren der Elektromotoren, das Knarzen der Kunststoffhaut scheinen die Senioren nicht wahrzunehmen. Oder doch? Paro bringt ein Gespräch in Gang: Herr Kühn glaubt, dass Paro batteriebetrieben ist, die anderen halten ihn für ein Tier – wenn auch nicht unbedingt für eine Robbe.

Viel wichtiger als die Robbe selbst ist, was sich beim Umgang mit ihr nebenbei abspielt. Pflegerin Wilma Rita Falk nutzt Paro, um einen Zugang zu den Senioren zu bekommen. Sie sind aber tierlieb, Frau Müller! Herr Kühn, hatten Sie auch mal ein Haustier? Die Demenzpatienten öffnen sich, erinnern sich, sprechen miteinander. Manche Therapeuten berichten von Patienten, die sie dank Paro zum ersten Mal sprechen gehört haben.

Die Erfahrungen mit Paro in Baden-Baden sind positiv, nach einer langen Testphase darf die Robbe in dem Heim bleiben. Jetzt soll Paro deutschlandweit vermarktet werden. Was fehlt, sind allerdings wissenschaftliche Studien, die die positiven Erfahrungen untermauern. Bisher stammen Forschungsergebnisse meist aus dem Umfeld des Erfinders Takanori Shibata selbst. „Wir haben gemessen, dass die Hirnaktivität von Dementen bei der Interaktion mit Paro zunimmt“, sagt Shibata. Außerdem sei im Urin von Patienten ein Rückgang von Stresshormonen festzustellen. Eine Arbeitsgruppe am Danish Technological Institute (DTI) in Odense arbeitet nun an der größten europäischen Paro-Studie. In Pflegeeinrichtungen in ganz Dänemark untersuchen Forscher, warum Paro bei wem wirkt. Doppelblind-Versuche in kontrollierbaren Umgebungen und mit reproduzierbaren Messergebnissen seien aber mit Demenzpatienten schwierig durchzuführen, zu unterschiedlich seien die Einzelfälle, sagt Lone Gaedt vom DTI. Sie sei mehr daran interessiert, was Anwender, Verwandte und Pflegepersonal über die Effekte des Geräts denken. Rund 170 weiße Flauschrobben mischen sich unter 5,5 Millionen Dänen. Einen großen Teil der Anwender hat Lone Gaedt bereits ausführlich befragt, die Ergebnisse will sie in einigen Monaten vorlegen. Allerdings ist auch das DTI nicht unabhängig: Von dort wird der Vertrieb der Robbe in Europa gelenkt.

Andere Roboter sind noch lange nicht so weit, dass sie dauerhaft eingesetzt oder getestet werden können. Die Ingenieure müssen noch viel grundlegendere Probleme lösen. Das gilt für Care-O-Bot aus Stuttgart genauso wie für Kompai aus Frankreich, Digoro aus Japan und viele, viele weitere Service-Roboter, die überall auf der Welt entwickelt werden. Sie müssen sich mit den Pflegebedürftigen verständigen können, müssen in der für Menschen gemachten Umgebung zurechtkommen und dürfen niemanden erschrecken oder verletzen.

Erst recht gilt das für Roboter, die gemeinhin als Pflegeroboter bezeichnet werden: Roboter, die wichtige Kernaufgaben einer Pflegekraft übernehmen. Während Therapie- oder Zuwendungsroboter sowie Service-Roboter inzwischen vielfach auf Akzeptanz stoßen, gelten Pflegeroboter oftmals als Schreckensvision der automatisierten Pflege schlechthin. Der Schluss liegt nahe, zumal Roboter bisweilen als Lösungsansatz für den Pflegenotstand angeführt werden. Nur wenige Experten gehen aber davon aus, dass eine fehlende Pflegekraft eins zu eins durch einen Roboter ersetzt werden kann, der alle pflegerischen Aufgaben übernimmt.

Doch Toshiharu Mukai arbeitet genau daran. „Im Jahr 2025 werden 30 Prozent der Japaner älter als 64 Jahre sein“, sagt der Forscher vom RIKEN-TRI Collaboration Center for Human-Interactive Robot Research im japanischen Nagoya. 20 Jahre später sollen es nach der Statistik schon bis zu 40 Prozent sein. Der Pflegenotstand ist in Japan noch größer als in Deutschland.

Im August stellte Mukais Forschungsgruppe die zweite Version ihrer Lösung vor: den Roboter RIBA-II. Er soll bis zu 80 Kilo schwere Personen aus dem Bett oder vom Boden hochheben und in einen Rollstuhl setzen können. Der Pfleger muss dabei nur sanft die Arme des Roboters berühren, um sie in die richtige Position zu bewegen. „Heb die Prinzessin hoch!“, sagt Mukai zu dem Roboter, der daraufhin die Puppe in seine Arme nimmt.

Das Gleichgewicht soll RIBA selbst halten. Soll. Die Sicherheit der Pflegeroboter ist eines der größten Probleme ihrer Entwickler. Während Industrieroboter meist in abgesperrten Bereichen klar definierte Aufgaben erledigen, müssen sich Pflege- und Serviceroboter in sich ständig verändernden Umgebungen zurechtfinden und dürfen Menschen unter keinen Umständen verletzen. Ihre Bewegungen müssen flexibel sein und auf die jeweilige Situation angepasst. „Gleichzeitig müssen Bewegungsabläufe klar erkennbar sein“, sagt Kurt Krause, Geschäftsführer der MLR System GmbH. Menschen müssen absehen können, in welche Richtung sich der Roboter bewegen wird.

Diese Schwierigkeiten müssen alle Roboter meistern, die nicht in Fabrikhallen hinter Gittern stehen, sondern sich im Umfeld von Menschen bewegen. Die Service-Roboter für Pflegebedürftige sollen sich zu Haushaltsrobotern für jedermann weiterentwickeln. Die Pflegebranche ist Vorreiter beim Einsatz der Technik, weil es hier einen echten Bedarf gibt - und dementsprechend auch Geld für die noch sehr teuren Geräte. Eine Paro-Robbe kostet mehrere Tausend Euro, Care-O-Bot – noch nicht kommerziell erhältlich – etwa eine Viertel Million Euro.

Zu den selbstständigen Robotern, die wohl als Erstes zum Einsatz kommen werden, gehören Transportsysteme wie die von MLR. Casero heißt ihr Prototyp eines Transportroboters. Wie Care-O-Bot war auch er im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projektes in einem Stuttgarter Heim im Testeinsatz. Casero holte Behälter voller Schmutzwäsche an festgelegten Übergabestellen ab und brachte sie mit dem Fahrstuhl in den Keller. Nachts patroullierte er mit seiner Kamera durch die Gänge der Pflegeeinrichtung. Erkannte er etwas Ungewöhnliches, konnte er die Pflegekräfte alarmieren und das Kamerabild an das Stationstelefon senden.

Casero gehört sicher zu den weniger spektakulären Robotern. Ohnehin sind solche Transportsysteme seit Jahrzehnten in Krankenhäusern im Einsatz – bisher allerdings nur hinter den Kulissen. Dagegen werden Roboter, deren Aktionen über Routine-Aufgaben wie den Wäschetransport hinausgehen, noch lange auf sich warten lassen. Service-Roboter müssten, um gut in der Umgebung zurechtzukommen, auf zwei Beinen laufen können und in all ihren Handlungen und Interaktionen eine Sicherheit erreichen, die weit von dem entfernt ist, was sie heute leisten. Zurzeit hat es manchmal noch den Anschein, dass die Roboter mehr Betreuung durch Fachpersonal brauchen als die pflegebedürftigen Menschen.

Welche Pflegeroboter gibt es? Ein Überblick:

Echte Pflegeroboter müssen sich mit den Pflegebedürftigen verständigen können und flexibel auf verschiedene Situationen reagieren. Gleichzeitig müssen sie so sicher sein, dass keine Gefahr besteht, dass Menschen verletzt werden.

Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt arbeiten daran, Roboter zu entwickeln, die in der Betreuung von kranken und alten Menschen eingesetzt werden können. Sie sollen helfen, den Mangel an Pflegekräften auszugleichen.

Realistisch sind deshalb zunächst Transportroboter, die einfache Aufgaben übernehmen und so den Pflegekräften mehr Zeit geben, sich mit den Menschen zu beschäftigen.

Von den Robotern, die zurzeit getestet werden, ist Casero wohl am unspektakulärsten. Das „fahrerlose Transportsystem“ der Firma MLR kann selbstständig durch das Heim fahren und dabei bis zu 100 Kilogramm schleppen.

Der Care-O-Bot 3 kann Becher mit Wasser füllen und den Heimbewohnern anbieten. Außerdem hat er ein Display, auf dem er zu Spielen einlädt. Der HightechHelfer kostet allerdings eine Viertel Million Euro.

Riba II heißt einer der am weitesten entwickelten Pflegeroboter. Er kann Patienten zum Beispiel vom Boden oder aus dem Rollstuhl heben und ins Bett legen.

Zur Startseite