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Plagiatsjäger haben ihre Doktorarbeit im Visier: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)

© dpa

Plagiatsjäger zum Fall Ursula von der Leyen: "Es gibt Hinweise, dass sie noch mehr abgeschrieben hat"

Sein Name ist ein Pseudonym: Der Plagiatssucher "Robert Schmidt" hat Ursula von der Leyens Doktorarbeit für "VroniPlag Wiki" untersucht. Hier spricht er über verdächtige Stellen und den Grund für seine Anonymität.

Ein Interview mit dem Plagiatssucher "Robert Schmidt" - das ist nur per E-Mail oder Fax möglich. Denn "Robert Schmidt", der die Plagiate Annette Schavans öffentlich machte und später auch Plagiatsvorwürfe gegen Norbert Lammert erhob, zieht es vor anonym zu bleiben. Sein Name ist nur ein Pseudonym. Die aktuellen Plagiatsvorwürfe gegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat "Robert Schmidt" auf "VroniPlag Wiki" ebenfalls maßgeblich dokumentiert (hier die gesamte Dokumentation). Für den Tagesspiegel, der früher bereits mit "Robert Schmidt" in Kontakt stand, hat jetzt ein der Redaktion persönlich bekanntes Mitglied von "VroniPlag Wiki" erneut die Verbindung zu dem Plagiatssucher hergestellt. Im folgenden lesen Sie das per E-Mail geführte Interview.

Was hat Sie veranlasst, die Arbeit Leyens zu prüfen?

Ich hatte vor längerer Zeit mal einige Dissertationen von Mitgliedern des Bundeskabinetts eingescannt, darunter auch die von Frau Schavan und Frau von der Leyen. Bei den meisten habe ich keine gravierenden Verstöße gefunden. Die von Frau von der Leyen war jetzt einfach die letzte, die noch übrig geblieben ist. Ich hätte sie auch löschen können, aber da ich mich noch nie intensiver mit einer medizinischen Arbeit befasst hatte, wollte ich einfach mal sehen, ob ich etwas finde.

Wie lange hat die Dokumentation dieser Arbeit gedauert?

Das war schon ziemlich zeitaufwändig, da die meisten angegebenen Quellen in Englisch verfasst sind und man diese nicht einfach per Software auf Übereinstimmungen testen konnte. 300 Stunden bestimmt, vielleicht auch mehr.

Ist bei Leyen noch mehr zu erwarten? Die Zahl der dokumentierten Plagiate ist seit der Veröffentlichung von 37 auf 42 gestiegen.

Das meiste haben wir sicherlich gefunden, aber es gibt Hinweise darauf, dass sie noch mehr abgeschrieben hat. Ich forsche noch ein wenig weiter, wäre aber schon zufrieden, wenn ich noch eine weitere Quelle finde. Im Oktober hat mich ein Mitarbeiter von VroniPlag Wiki auf die Dissertation einer ehemaligen Kommilitonin von Ursula von der Leyen aufmerksam gemacht, bei der er inhaltliche Parallelen vermutete. Aus dieser hat sie auch an fünf Stellen wortwörtlich abgeschrieben. Wenn man bisher noch davon reden konnte, dass sie vielleicht nur sehr schludrig gearbeitet hat (das hat sie auch getan), kommt m.E. spätestens hier in jedem Fall das Moment der Täuschung hinzu.

Prüfen Sie auch den experimentellen Teil?

Da uns die entsprechenden Primärdaten nicht vorliegen, ist es nur möglich, diesen Teil auf eventuelle Inkonsistenzen zu untersuchen. Aufgefallen ist uns dabei u. a., dass Frau von der Leyen angibt, einen bestimmten statistischen Test durchgeführt zu haben, der in der Form aber gar nicht existiert. Ob z.B. die Messwerte für das C-reaktive Protein sauber gewonnen worden und diese korrekt erfasst und verarbeitet worden sind, lässt sich aber nicht mehr überprüfen.

Plagiate an 42 Stellen. Dieser "Strichcode" zeigt, wo "Vroniplag Wiki" Plagiate in der Dissertation Ursula von der Leyens identifiziert hat.
Plagiate an 42 Stellen. Dieser "Strichcode" zeigt, wo "Vroniplag Wiki" Plagiate in der Dissertation Ursula von der Leyens identifiziert hat.

© vroniplag.wiki.com/wiki/Ugv

Hängt das Befassen mit Leyen auch damit zusammen, dass die Qualität von Medizin-Promotionen insgesamt problematisch ist?

Ja, das ist auch ein Moment.

Was ist allgemein Ihre Motivation, bei "VroniPlag Wiki" mitzuwirken? Ihnen wird manchmal vorgeworfen, Sie hätten es speziell auf Politiker abgesehen.

In erster Linie ist es die Lust an der Detektivarbeit. Deshalb interessiere ich mich auch besonders für Doktorarbeiten aus der Vor-Internet-Ära, da diese den Reiz haben, dass man Plagiate i.d.R. nicht mit Google finden kann, sondern nur durch die etwas anspruchsvollere, aber natürlich aufwändige Suche in Medien aus Papier. Wenn man da bei jeder zehnten "verdächtigen" potenziellen Quelle einen Treffer landet, ist das schon viel. Was Politiker angeht: Zugegebenermaßen bevorzuge ich Arbeiten von Leuten, die prominent sind. Das müssen aber nicht unbedingt Politiker sein. Der Vorteil bei Prominenten ist, dass die Hochschulen sich in solchen Fällen in irgendeiner Form öffentlich äußern müssen und es auch eine Medienresonanz gibt. Das ist natürlich befriedigender, als z.B. an Fällen mitzuarbeiten, bei denen man im besten Fall erfährt, wie das Verfahren ausgegangen ist. An solchen war ich aber auch schon beteiligt.

In zweiter Linie geht es mir darum, dass sich möglichst wenige Leute mit einem nicht redlich erworbenen akademischen Grad schmücken und die Hochschulen in Zukunft der Qualitätssicherung einen größeren Stellenwert beimessen sollten.

Warum ziehen Sie es vor, anonym zu bleiben?

Ich bin halbwegs zufrieden mit meinem Leben und habe kein Interesse, in der Öffentlichkeit zu stehen und ein D- oder E-Promi zu sein. Außerdem hätte ich dann auch weniger Zeit für Plagiatsforschungen.

Würden Sie irgendeinen Hinweis auf Ihre Person geben, etwa ob Sie in der Wissenschaft arbeiten?

Ich bitte um Verständnis, dass ich zu meiner Person keinerlei Informationen geben möchte – bis auf die eine: Ich bin kein Mediziner.

In den Medien wird gerne von "Plagiatsjägern" gesprochen. Bei "VroniPlag Wiki" wird der Begriff abgelehnt. Können Sie erklären warum?

Der Begriff "Jäger" impliziert, dass es hauptsächlich darum geht, etwas oder jemanden zur Strecke zu bringen. Aber bei VroniPlag Wiki geht es nicht darum, missliebige Personen öffentlichkeitswirksam zu "erledigen", sondern unlautere Praktiken in akademischen Qualifikationsschriften zu dokumentieren. Dass diejenigen, denen solche vorgeworfen werden, dabei nach sorgfältiger Prüfung mit Namen genannt werden, finde ich nur fair: Sie haben bislang ja auch davon profitiert, Herr oder Frau Doktor zu sein. Die Namensnennung übt aber wohl auch einen gewissen Druck auf die Hochschulen aus, sich überhaupt in angemessener Form mit den Vorwürfen zu befassen.

-Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

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