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Echo des Urknalls. Die von „Planck“ aufgezeichnete Hintergrundstrahlung zeigt die Frühzeit des Universums vor 13,4 Milliarden Jahren.

© AFP

Planck-Mission: Babyfoto des Universums

Die genaueste Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung bestätigt die vorherrschende Theorie – und wirft neue Fragen auf. Etwa die, ob es vielleicht doch Zeugnisse aus einer Phase gibt, die vor dem Urknall lag.

Unzählige blaue, grüne und rote Flecke, scheinbar wahllos verteilt. Sieht aus wie moderne Kunst – und ist genau das, in mehrfacher Hinsicht. Dieses Bild der kosmischen Hintergrundstrahlung zu erzeugen, erforderte zunächst höchste Ingenieurskunst. Für die Messungen musste ein Weltraumteleskop gebaut werden, das teilweise bis auf ein Zehntelgrad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt wird. Als die Daten auf der Erde eintrafen, war die Kunst der Physiker und Softwarespezialisten gefragt, denn es mussten viele Störsignale entfernt werden, damit am Ende allein das Bild des Universums blieb, wie es 380 000 Jahre nach dem Urknall aussah. Ein Babyfoto des Universums, auf das die Kosmologen seit Jahren gewartet haben und das für sie eine „Goldgrube“ sei, wie George Efstathiou von der Universität Cambridge am gestrigen Donnerstag bei der Vorstellung des Bildes in Paris sagte.

Denn die Flecken sind nicht wahllos verteilt. Farbe und Position jedes einzelnen sind bestimmt von der Entwicklung des Alls unmittelbar nach dem Urknall. Möglicherweise, so hoffen Kosmologen, enthält das Bild Hinweise auf den Zustand des Universums vor dem Urknall.

Das Babyfoto wurde nicht mit einem gewöhnlichen Fotochip aufgenommen, der auf sichtbares Licht anspricht. Es ist eine Grafik, die auf Millionen Messdaten von Mikrowellenstrahlung basiert, die das europäische Weltraumteleskop „Planck“ aus allen Himmelsrichtungen zusammengetragen hat. Diese Strahlung ist das älteste Dokument, das von unserem Kosmos zu haben ist, knapp 13,4 Milliarden Jahre alt. Damals war der heiße Dampf aus Strahlung und Elementarteilchen so weit abgekühlt, dass sich Elektronen dauerhaft an Protonen binden konnten: Die ersten Atome, vor allem Wasserstoff, entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte Licht keine großen Strecken zurücklegen, ständig stieß es mit freien Elektronen zusammen. Nun aber waren die Störenfriede weg und der Weg frei, um sich auf eine Reise durch das Universum zu machen. Da sich der Kosmos weiter ausdehnte, wurde zugleich die Wellenlänge der urzeitlichen Strahlung gestreckt. Wollen Astronomen diese alten Boten nachweisen, müssen sie heute bei den Mikrowellen suchen.

Das Weltraumteleskop Planck - hier ein Modell.
Das Weltraumteleskop Planck - hier ein Modell.

© picture-alliance/ dpa

Tatsächlich ist der Kosmos voll von diesen uralten Photonen, die aus jener Zeit stammen, in der das All durchsichtig wurde. Schätzungsweise 400 davon gibt es noch heute in jedem Kubikzentimeter Weltraum. „Kosmische Hintergrundstrahlung“ sagen die Forscher dazu. 1964 wurde sie eher zufällig entdeckt, später von Weltraumteleskopen wie „Cobe“ und „WMAP“ vermessen. Im Groben entspricht die Mikrowellenstrahlung einer Temperatur von 2,7 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt, doch über den Himmel gibt es minimale Abweichungen, die wenigen Hunderttausendstelgrad entsprechen. Diese Temperaturabweichungen führen die Forscher zurück auf Regionen unterschiedlicher Dichte – und zwar zu dem Zeitpunkt, als das All durchsichtig wurde.

Die nun veröffentlichten Planck-Daten liefern eine bisher unerreicht scharfe Innenansicht des uns umgebenden Kosmos, wie er 380 000 Jahre nach dem Urknall ausgesehen hat. Wie die Wissenschaftler diese Himmelskarte lesen, erläutert Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in München, der maßgeblich an der Datenauswertung beteiligt war: „Rechts unten sieht man beispielsweise einen blauen Bereich, dort ist es etwas kälter.“ An dieser Stelle müsse es damals eine Materieansammlung gegeben haben, sagt er. Umgekehrt verweisen rote Flecken auf höhere Temperaturen und damit auf „leerere“ Teile des Kosmos. Lange bevor die ersten Sonnen aufleuchteten, waren bereits die groben Strukturen vorhanden, in denen sich viele Millionen Jahre später Sterne und Galaxien entwickeln würden.

Die Karte zeigt nicht nur den Zustand vor 13,4 Milliarden Jahren. Die Forscher gehen davon aus, dass die Dichteunterschiede viel früher angelegt wurden, unmittelbar nach dem Urknall. Um das zu überprüfen, müssen sie eine Theorie entwerfen, die beschreibt, wie sich das Universum seit dem Bigbang bis zu jenem „Erleuchtungsmoment“ entwickelte. Tatsächlich gibt es eine Fülle von Theorien, die sich nun an den Planck-Daten messen lassen müssen.

„Es geht nicht darum, dass ein Modell die gleichen Flecken an der gleichen Stelle produziert, wie wir sie in unserer Karte sehen“, sagt Enßlin. Dem stehe der Zufall entgegen, der auch in der realen Geschichte des Kosmos eine wichtige Rolle spielt. „Aber wir können prüfen, wie gut die statistische Verteilung der Flecken und ihre Intensität in den Modellen mit der Realität übereinstimmt.“

Wie von vielen Kosmologen erhofft, wurde ihr Standardmodell bestätigt. Es postuliert eine kurzfristige überlichtschnelle Ausdehnung des Alls, eine Inflation, unmittelbar nach dem Urknall. Das Bild vom Universum ändert sich mit den neuen Daten wenig. Es ist etwas älter als man bisher dachte: 13,81 Milliarden Jahre. Mit 68 Prozent ist der Anteil Dunkler Energie etwas geringer als zuvor angenommen, dafür gibt es ein bisschen mehr Dunkle Materie (27 Prozent), wobei diese postulierten Zutaten des Kosmos noch immer kaum verstanden sind. Die uns vertraute „normale“ Materie bleibt weiterhin unter der Fünf-Prozent-Marke.

Verfechter anderer Modelle wie Jean-Luc Lehners vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam, sind etwas geknickt. „Die Resultate machen uns Theoretikern das Leben schwer“, sagt er. Gerade bei den simplen Inflationsmodellen, die so gut zu den Planck-Daten passen, hätten die Forscher ihre Not, diese in eine umfassende Theorie zu integrieren, die die Quantenphysik und die Relativitätstheorie vereinigt. Sie soll endlich eine Verbindung schaffen zwischen der Mikrowelt, die ganz am Anfang bestand, und der Makrowelt, die sich heute um uns herum erstreckt. Lehners sieht die Lösung eher in einem zyklischen Universum, das ständig expandiert und zusammenstürzt. „Dafür gibt es in den Daten aber bisher keine Hinweise.“

Auch für das Standardmodell wirft Planck viele Fragen auf. So sind die Durchschnittstemperaturen an den entgegengesetzten Hemisphären nicht symmetrisch. Das widerspricht der Annahme, das All sei in allen Richtungen ähnlich. Hinzu kommen großräumige Anomalien, die Zeugnisse eines Zustands vor dem Urknall sein könnten. „Theoretisch ist es schon denkbar, dass ein Überbleibsel aus einer früheren Phase bis heute erhalten geblieben ist“, sagt Lehners. „Aber ob das bei den beobachteten Anomalien der Fall ist oder ob sie eine ganz andere Ursache haben, kann man bisher nicht sagen.“

Es ist noch nicht einmal auszuschließen, dass die großflächigen Muster vielleicht doch nur zufällig sind. „Das ist die große Frage, die uns nun umtreibt“, sagt Enßlin: „Sind es Gespenster unserer Wahrnehmung oder Boten neuer Physik?“ Das könnten weitere kosmologische Daten von Planck zeigen. Sie werden für Anfang 2014 erwartet.

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