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Polarstern

© Foto Awi

Polarexpedition: Forscher auf dünnem Eis

Der Eisbrecher „Polarstern“ durchquert die Arktis, um die Folgen der Erderwärmung zu untersuchen. Große Flächen des arktischen Meeres sind nur noch einen Meter dick zugefroren.

Der Wind peitscht über die Eiswüste, die von langen Rissen und feinen Wasseradern aufgebrochen wird. Die erbarmungslose Kälte von 30 Grad minus lässt das Quecksilber im Thermometer zäh werden. Hier im Polarmeer bahnt sich ein internationales Forscherteam mit dem Eisbrecher „Polarstern“ im Zickzackkurs seinen Weg durch das ewige Eis – so die Vorstellung von der Forschung im hohen Norden. Doch dieses Bild von der Arktis bröckelt – genau wie ihr Eispanzer.

Nachdem die Europäische Raumfahrtbehörde Esa bekannt gab, dass die Nordwestpassage eisfrei ist, melden Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut (Awi) auf der „Polarstern“ jetzt, dass auch das Meereis immer dünner wird. Während ihrer Fahrt haben sie beobachtet, dass große Flächen des arktischen Meeres nur noch einen Meter dick zugefroren sind. Damit ist die Eisdecke seit dem Jahr 2001 um die Hälfte dünner geworden. „Wir können jetzt einen stetigen Trend erkennen, denn das Eis unterliegt nicht regelmäßigen Schwankungen, sondern nimmt seit knapp 30 Jahren einfach immer weiter ab“, sagt Ursula Schauer vom Awi, die an Bord die Fahrt der „Polarstern“ leitet. „Das Eis war sehr stark verwässert, das hatten wir so extrem nicht erwartet“, berichtet Schauer, die sich mittlerweile auf ihrer zehnten Polarexpedition befindet. In ihrem Logbuch schreibt sie, dass selbst am nördlichsten Punkt ihrer Reise das Meereis vor ihren „Augen zerbröselte“. Ihre Beobachtungen und neueste Modellrechnungen zeichnen ein düsteres Szenario: „Wenn die Temperaturen weiter steigen, wird die Arktis in weniger als 50 Jahren im Sommer eisfrei sein“, schätzt die Ozeanografin.

Sie und die 49 anderen Teammitglieder – Chemiker, Physiker, Geologen, Biologen und Ozeanografen – fahren seit fast zwei Monaten durch das Eismeer und sammeln unter anderem mit einer Messsonde aus Titan Wasserproben. „Wir experimentieren 24 Stunden am Tag“, erklärt Schauer: „Manchmal werde ich nachts aus dem Schlaf gerissen und zu Versuchen hinzugeholt.“ Grund dafür sind die kalten Wasserproben, die Spurenstoffe enthalten. Sie sind der chemische Fingerabdruck des Eismeeres. „Durch diese Stoffe erfahren wir, wo das Wasser schon überall war und welche biologischen Prozesse sich darin abgespielt haben“, sagt Eberhard Fahrbach, wissenschaftlicher Koordinator des Projekts am Awi in Bremerhaven. Mit den Messungen wollen die Forscher verstehen, wie der arktische Ozean den Kohlendioxidkreislauf in der Atmosphäre beeinflusst. „Kleinstlebewesen wie Plankton entziehen das Gas der Atmosphäre und verfrachten es an den Meeresboden“, sagt Fahrbach.

Die Arbeit am Nordpol kostet Mühe. Trotzdem spannt das Forscherteam auch mal aus: „Die Stimmung auf dem Schiff ist sehr ausgelassen und wir kommen super miteinander aus“, sagt Schauer. Die Forscher spielen auch mal Fußball auf einer großen Eisscholle, laufen Schlittschuh oder genießen das Angebot an Bord: Eine Sauna, Tischtennisplatten und ein kleines Becken zum Wasserballspielen versüßen die dreimonatige Reise. „Am meisten vermisse ich meine Familie und lange Spaziergänge“, sagt Ursula Schauer. Sie kann ihren Liebsten nur ab und zu per E-Mail schreiben. Dennoch findet sie, dass „jede Expedition in die Arktis ein spannendes Abenteuer in eine wunderschöne Landschaft ist, für das andere Leute viel Geld bezahlen würden“. 

Stephan Struve

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