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Geschafft. Der deutsche Astronaut Alexander Gerst, unmittelbar nach seiner Landung am Montag in der kasachischen Steppe. Fast ein halbes Jahr hat er im All zugebracht.

© Reuters

Private Raumfahrt in der Krise?: Lockruf des Alls

Noch steht der Weltraumtourismus am Anfang. Immer wieder gibt es Rückschläge wie der Absturz des SpaceShipTwo. Doch in 100 Jahren werden Flüge für viele möglich sein. Ein Kommentar.

Breites Grinsen, den Daumen nach oben gereckt. So zeigten ihn Filmaufnahmen unmittelbar nach der Landung in der Steppe. Alexander Gerst hat das Abenteuer seines Lebens sichtbar gut überstanden. Fast sechs Monate verbrachte er in der Internationalen Raumstation (ISS). Das hieß: ein straffes Arbeitspensum unter extremen Bedingungen – Schwerelosigkeit, Dauerrauschen der Lüftung, keine Dusche – und bereits vorher jahrelanges hartes Training. Aber auch: unvergleichliche Blicke auf die Erde und ein Körpergefühl, das nicht von dieser Welt ist.

Inferno über der Wüste

Wer würde diese Erfahrung nicht mal selbst machen wollen? Der britische Milliardär Richard Branson verspricht das. Mit einem Raumschiff will er sechs Passagiere bis in 100 Kilometer Höhe bringen, wo gemäß Konvention der Weltraum beginnt. Es gilt, ein paar Minuten Schwerelosigkeit zu erleben, bevor es zurück zur Erde geht. Hunderte Interessenten haben sich angemeldet, darunter angeblich Leonardo DiCaprio, Justin Bieber und Stephen Hawking. Immer wieder wird der erste Ausflug mit dem kosmischen Bus verschoben, die Technik ist noch nicht so weit.

Trümmer des abgestürzten SpaceShipTwo. Bei einem Testflug kam ein Pilot ums Leben, der zweite wurde schwer verletzt.
Trümmer des abgestürzten SpaceShipTwo. Bei einem Testflug kam ein Pilot ums Leben, der zweite wurde schwer verletzt.

© Reuters

Vor knapp zwei Wochen erfolgte ein weiterer Testflug – und endete in einer Katastrophe. Ein Pilot starb, der zweite wurde schwer verletzt. Erst drei Tage zuvor war der Start einer „Antares“-Rakete der Firma Orbital Sciences am Weltraumbahnhof Wallops in Virginia gescheitert. Sie hatte zu wenig Vortrieb und wurde sicherheitshalber gesprengt. Der unbemannte Frachter „Cygnus“, der Versorgungsgüter zur ISS bringen sollte, ging zu Boden und versank in einem Flammenmeer.

Beide Ereignisse haben nichts miteinander zu tun

Umgehend wurde die Frage aufgeworfen, ob die kommerzielle Raumfahrt in der Krise stecke. Nein, tut sie nicht. Zunächst ist es purer Zufall, dass beide Ereignisse zur ähnlichen Zeit geschahen. Daher sollte man sie voneinander trennen.

Der Fehlstart der Antares geht vermutlich auf einen Defekt in einem der beiden Haupttriebwerke zurück. Damit muss man rechnen, keine Technik ist absolut sicher. Anders als bei einem Auto, das bei Motorproblemen an den Rand rollt, enden Raketenflüge in solchen Fällen meist dramatisch.

Deshalb sind die Sicherheitsanforderungen für bemannte Flüge deutlich höher: um das Risiko eines Scheiterns zu vermindern. Würde man diese Maßstäbe an unbemannte Missionen anlegen, wären sie um ein Vielfaches teurer – und damit beispielsweise die Kosten für Internet, Kommunikation und Navigation.

Fliegen, um Geld zu verdienen

Firmen wie Orbital Sciences, die nun andere Triebwerke bei Antares einbauen will, oder Lockheed Martin werden weiterhin Aufträge für Raumfahrzeuge erhalten. SpaceX und Boeing sollen sogar ab 2017 Astronauten zur ISS bringen. Für die Entwicklung der Raumschiffe wurden ihnen im September 6,8 Milliarden Dollar von der Nasa zugesagt. Das Konzept, private Dienstleister für den Astronautentransfer zur ISS zu nutzen, ist übrigens nicht erst in den Tagen der Ukrainekrise entstanden, es wird seit Jahren verfolgt.

Bransons Firma Virgin Galactic und andere Unternehmen, die mit Weltraumtourismus Geld verdienen wollen, erhalten keine öffentlichen Mittel. Zu Recht, denn der Gewinn solcher Ausflüge für die Gesellschaft ist praktisch null. Dennoch werden sie weitermachen, weil sie an das Geschäft glauben. Das Interesse an den Flügen ist groß, die Rechnung dürfte aufgehen. Wenn auch nicht in absehbarer Zeit.

Vor hundert Jahren war die Luftfahrt in einer ähnlichen Lage

250 000 Dollar kostet ein Ticket bei Branson plus das Risiko, das Abenteuer seines Lebens nicht zu überleben. Rund zwei Dutzend Kandidaten haben ihre Anmeldung inzwischen zurückgezogen, darunter Prinzessin Beatrice, Nummer sechs in der britischen Thronfolge.

In der Tat ist die Gefahr, in den Tod zu fliegen, größer als bei allen anderen bekannten Verkehrsmitteln. Ob der Absturz des "SpaceShipTwo" über der Mojave-Wüste eine technische Ursache hatte oder auf einen Pilotenfehler zurückgeht, wie gemunkelt wird, ist unerheblich. Beides zeigt, dass der Mensch auf seinem Weg ins All noch immer am Anfang steht.

Etwa da, wo er vor gut 100 Jahren bei der Eroberung des Luftraums stand. Heute ist es selbstverständlich, bezahlbar und praktisch ungefährlich, in ein Flugzeug zu steigen. Gut möglich, dass in 100 Jahren viel mehr Menschen die Erde zeitweise verlassen. Und mit einem breiten Grinsen zurückkehren.

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