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Viele junge Frauen und Männer gehen durch das Foyer einer Universität.

© TU Berlin/Jacek Ruta

Profi-Tipps für Abiturienten: Frag' dich durch an die Uni

Ihr braucht Spaß am Fach - und ein bisschen mehr: Profis von Berliner Hochschulen raten Abiturienten, wie sie den Studiengang finden, der zu ihnen passt. Eine Umfrage.

Baris Ünal (38) ist Studienberater an der Technischen Universität. Er hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Islamwissenschaft an der FU Berlin studiert.

Viele der Abiturienten, die zu uns kommen, haben einen enormen Respekt vor ihrer Entscheidung für ein Studienfach. Früher haben die meisten einfach angefangen und geschaut, wie es läuft. Heute glauben viele, nur einen Pfeil im Köcher zu haben, der sitzen muss. Oder sie sagen: Ich interessiere mich für dieses und jenes Fach, aber vielleicht ist da draußen ja noch etwas anderes, das den sichereren und einträglicheren Job verspricht.

Baris Ünal, Studienberater an der TU Berlin.
Baris Ünal, Studienberater an der TU Berlin.

© Promo

Ich versuche dann zu vermitteln, dass ein Bachelorstudium keine Entscheidung fürs Leben ist, sondern nur für die nächsten drei Jahre. Dass Fachwechsel spannend sein können. Es ist aber nicht mein Auftrag als Studienberater, Leute von ihrem Studienwunsch abzubringen. Wenn ich das Gefühl habe, dass es eine reine Kopfentscheidung ist, etwa Elektrotechnik studieren zu wollen, weil das keinen Numerus Clausus hat, sage ich: Setz’ dich in eine Vorlesung, sprich mit dem Studienfachberater oder mach’ einen Einstufungstest für die Mathematik, die man da braucht. Dann sehen die schon, ob ihnen der Angstschweiß ausbricht.

Online-Studieninteressenstests können gute Hinweise auf die ungefähre Studienrichtung geben – mehr nicht. Ein zweisemestriges Orientierungsstudium wie Mint-Grün der TU Berlin ist eine sehr gute Sache für Leute, die ein breites Interesse für Naturwissenschaften und Technik mitbringen und in einem sehr strukturierten Programm von Dozenten, Tutoren und Studienberatern an die Hand genommen werden wollen.

Kopfzerbrechen verursachen mir vor allem die Abiturienten, die nicht zu uns kommen: Erstakademiker, häufig solche aus Familien mit Migrationsgeschichte. Das müssen wir ändern, wir sollten zu ihnen kommen, in ihre Schulen, in ihre Familien. Dazu müssten die Studienberatungen aber massiv ausgebaut werden.

Die Präsidentin der Humboldt-Universität rät dazu, sich selber zu überraschen

Sabine Kunst (61) ist Präsidentin der Humboldt-Universität. Sie studierte Wasserbauingenieurwesen, Politologie, Biologie, Chemie und Philosophie.

Sich als Abiturient zu fragen, was einen in der Schule besonders interessiert hat und danach das Studienfach zu wählen, reicht nicht aus. Gute Studienberater fragen: Was genau hat dich denn an deinen Lieblingsfächern begeistert? Sie helfen auch dabei, herauszufinden, was ich für ein Typ bin, in welche Berufswelt ich passe. Will ich mit vielen Leuten zusammenarbeiten? Sitze ich lieber allein im Kämmerlein? Will ich wirklich als Lehrerin oder Lehrer im System Schule bleiben? Dann sollte sich jeder einen Überblick darüber verschaffen, was alles in der Region oder in der Stadt, in der man studieren will, angeboten wird. Und womöglich sollte man sein Herz über die Hürde werfen und etwas machen, das man aus der Schule gar nicht kennt.

Sabine Kunst, Präsidentin der HU Berlin.
Sabine Kunst, Präsidentin der HU Berlin.

© Matthias Heyde/HU Berlin

Ich selber war ja nie in der Studienberatung, habe mich nach dem Abitur gleich ins Politologiestudium gestürzt. Um dann zu merken, dass ich an konkreteren Projekten arbeiten will, mit Ergebnissen, die ich anfassen kann. So kam ich über die Biologie zum Wasserbau – und zurück zur Politologie. Denn die gesellschaftlichen Auswirkungen dessen, was wir da planen, haben mich weiterhin interessiert. Diese Offenheit ist ein gutes Modell für eine neue Studieneingangsphase. An einigen Hochschulen wird das praktiziert. Das könnte auch Abiturienten aus Nichtakademiker-Familien den oft allzu großen Respekt vor der Universität nehmen. Andererseits kann ich nur sagen: Dass man an der Universität erst einmal nicht durchblickt und langsam durch diesen Grießbrei steigen muss, gehört zum Erwachsenwerden.

Sich vor dem Unistart zwei Jahre Zeit nehmen? Kein Problem!

Maximilian Krull (23) studiert im vierten Semester VWL an der Freien Universität und arbeitet im Fachbereich als studentischer Studienberater.

Nach der Schule war ich mir erstmal total unsicher, was ich studieren will. Ich habe daher im Krankenhaus ein soziales Jahr gemacht und bin danach ein Jahr nach Neuseeland gegangen. Das hat mir sehr geholfen, von der Schule wegzukommen und wieder wissenshungrig zu werden. Medizin wäre eine Option gewesen, dafür hat mein Abiturschnitt aber nicht gereicht. Ich habe dann versucht meine Schulzeit Revue passieren zu lassen: Was hat mich wirklich interessiert?

Maximilian Krull, VWL-Student an der FU Berlin.
Maximilian Krull, VWL-Student an der FU Berlin.

© privat

Mir wurde klar, dass mich ein Referat über die Rolle der Börsen in der Finanzkrise fasziniert hatte, und so bin auf Volkswirtschaftslehre gekommen. Wenn man etwas für sich gefunden hat, sollte man sich noch näher damit beschäftigen. Ich war vor dem Studium auf einer Summer School in Witten Herdecke, um mein Fach kennenzulernen.

Inzwischen arbeite ich in der Studienberatung, und wir bekommen viele Mails, in denen Abiturienten nachfragen, welche Schwerpunkte das Fach hat: Etwa ob man viel Mathe machen muss. Es empfiehlt sich, das vorher zu klären, weil man das als Schüler kaum wissen kann. Die FU bietet zudem wie andere Unis online Tests zu verschiedenen Studiengängen an, so genannte Studienfachwahlassistenten. Damit kann man gut herausfinden, welche Schwerpunkte die Unis jeweils in einem Fach legen. Einen Studiengang, bei dem man alles mag, wird man wohl schwer finden. Andererseits ist es auch nicht schlimm den Studiengang später zu wechseln, sollte man feststellen, dass einen andere Fächer viel mehr interessieren.

Uni-Bewerbung als Notlösung - und dann kam der Durchbruch

Laila Taubert (21), studiert im siebten Semester Geschichte und Germanistik mit Lehramtsoption an der Freien Universität.

Ich bin eher so ins Studium hineingeschlittert. Gleich nach dem Abitur ein Jahr mit „Weltwärts“ nach Lateinamerika zu gehen, hat nicht geklappt. Stattdessen wollte ich dann jobben und mir in Ruhe überlegen, was ich studieren könnte. Ich war gerade noch 17 und hatte keinen Plan. Meine Eltern meinten, ich solle mich wenigstens pro forma um einen Studienplatz bewerben, um mir mit dem Ablehnungsbescheid das Kindergeld zu sichern. Bei der Studienberatung an der FU riet man mir, mich einfach für die Fächer zu bewerben, die mich am meisten interessieren.

Laila Taubert, Geschichts- und Germanistik-Studentin an der FU Berlin.
Laila Taubert, Geschichts- und Germanistik-Studentin an der FU Berlin.

© privat

In Deutsch hatte ich gute Noten, Geschichte fand ich spannend. Und schon hatte ich – dank der Quote für minderjährige Studienbewerber – einen Studienplatz mit Lehramtsoption. Ich war davon weniger begeistert als meine Eltern, habe aber doch angefangen. An der unübersichtlichen Uni hat mir das Mentoring in den ersten Monaten sehr geholfen, mich zurechtzufinden. Und nach zwei Semestern hat es mich echt gepackt , ich fing an, mich für Globalgeschichte zu interessieren. Das Gefühl, dass meine Fächer die richtigen für mich sind und dass ich gut darin bin, ist im Studium langsam gewachsen. Meiner kleinen Schwester, die nächstes Jahr Abi macht, rate ich aber, rechtzeitig zur Studienberatung zu gehen und richtig mit denen zu reden.

Nur vage Vorstellungen von Uni oder FH? Die Studienberatung hilft weiter!

Michael Kramp ist Vizepräsident für Studium und Lehre an der Beuth-Hochschule. Er studierte Bauingenieurwesen.

Wir nehmen an der Beuth-Hochschule verstärkt ein Problem wahr: Die jungen Leute beginnen erst kurz vor oder nach dem Abitur ernsthaft nachzudenken, was ihre Ziele sind. Sie nehmen dann relativ unvorbereitet ihre Studienwahl vor – mit nur vagen Vorstellungen über die Inhalte oder über das Berufsbild, das mit einem Fach verknüpft ist. Oft sind ihnen auch die Unterschiede zwischen den Hochschultypen wenig bekannt, dabei ist die Lehre an Fachhochschulen und Universitäten durchaus anders strukturiert. Viele brechen dann in den ersten drei Semestern ab oder wechseln ihr Fach. Wir gehen deshalb mit vielen Maßnahmen und Projekten an die Schulen, um Schüler frühzeitig zu erreichen. Wir pflegen engen Kontakt zu Oberstufenzentren, auf dem Weg über das Fachabitur kommen viele Studierende zu uns. Gerade diese Klientel ist oft unsicher, wenn es in der Familie keinen akademischen Hintergrund gibt.

Michael Kramp, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Beuth-Hochschule Berlin.
Michael Kramp, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Beuth-Hochschule Berlin.

© Promo

Wer sich jetzt noch nicht klar über ein Fach ist, sollte in die Studienberatung kommen, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. In den Studiengängen beantworten Studienfachberater gezielte Fragen zu den Inhalten. Über die Voraussetzungen sollte man sich klar sein: Wer etwa Architektur studieren will, aber nicht von Hand zeichnen kann, wird es schwer haben. Wer sich nicht für ein Studium entscheiden kann: Als Facharbeiter hat man ebenfalls hervorragende Perspektiven. Wir bieten daher immer mehr duale Studiengänge mit der Industrie an.

Die Statements wurden von Amory Burchard und Tilmann Warnecke aufgezeichnet.

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