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Tomograph

© ddp

Psychotherapie: Gläserner Geist

Neue bildgebende Verfahren dokumentieren, wie Psychotherapie das Gehirn verändert.

Dem Gehirn bei der Arbeit zusehen – diese Möglichkeit eröffnet die funktionelle Magnetresonanztomografie, abgekürzt fMRT. In der Wissenschaft wird der „Hirnscanner“ nun eingesetzt, um die Wirksamkeit von Behandlungsverfahren zu bewerten, etwa von Psychotherapie oder von Medikamenten. Schon ist vom Zeitalter der „Neuropsychotherapie“ die Rede. „Wenn sie wirkt, verändert Psychotherapie die biologischen Funktionen des Gehirns“, sagte Kongresspräsident Wolfgang Gaebel von der Uni Düsseldorf beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Berlin.

Bei der fMRT macht man sich die Tatsache zunutze, dass sauerstoffreiches und sauerstoffarmes Blut unterschiedliche magnetische Eigenschaften haben. Die fMRT-Bilder zeigen, welche Teile des Gehirns gerade besonders aktiv sind, ablesbar am stärkeren Durchfluss sauerstoffreichen Blutes.

Sich von den Veränderungen im Gehirn mit den aufwendigen Verfahren der fMRT, der Positronenemissionstomografie (PET) oder der Magnetenzephalografie (MET) zu überzeugen, ist bisher noch Forschern vorbehalten. Der Psychiater Frank Schneider von der Aachener Uniklinik ist jedoch davon überzeugt, dass die Hirnscanner das Zeug dazu haben, in fünf bis zehn Jahren auch in der therapeutischen Praxis Einzug zu halten. Ob die teuren Geräte dort eines Tages so selbstverständlich eingesetzt werden wie heute Belastungs-EKGs und Lungenfunktionstests in der inneren Medizin, ist die zweite Frage.

Seit zwei Jahren läuft an den Unikliniken in Aachen, Berlin und Münster ein vom Bundesforschungsministerium finanziertes Projekt, bei dem die fMRT eingesetzt wird, um die Wirkung von Psychotherapien bei Panikstörungen ins Bild zu setzen. Gerade für solche Angsterkrankungen wurden inzwischen Psychotherapien entwickelt, die sich nicht an dogmatischen „Schulen“ orientieren, sondern recht pragmatisch auf die Alltagseinschränkungen zugeschnitten sind.

Für die Studie werden Patienten vor und nach zwei verschiedenen Varianten einer kognitiven Verhaltenstherapie mittels Bildgebung untersucht. Zudem werden die Bilder mit denen von Gesunden und von einer zunächst nicht therapierten Wartegruppe verglichen. Erste Ergebnisse wurden in der vergangenen Woche auf dem Kongress vorgestellt. So war bei den Teilnehmern, die vor der Therapie eine deutliche Aktivierung des Mandelkerns zeigten, dessen Aktivität zum zweiten Messzeitpunkt deutlich schwächer, wie der Aachener Physiker Andreas Jansen berichtete. Ein deutlicher Hinweis auf die Wirkung der Therapie.

Die Aktivierung der Amygdala ist wichtiger Bestandteil eines Angstkreislaufs, bei dem auch die Gürtelwindung (Cingulum), ein Teil des Limbischen Systems, und die Inselrinde (Insula), ein Teil der Großhirnrinde, mitwirken.

Psychiater vom Uniklinikum Freiburg setzen die fMRT ein, um den Erfolg der Behandlung von quälenden Zwangsstörungen zu bewerten. „Diese Erkrankungen eignen sich besonders gut, weil hier Psychotherapien effektiv sind und weil wir zugleich über ein gutes neurobiologisches Modell verfügen“, sagte Ulrich Voderholzer von der Universität Freiburg. Meist gehen die Störungen mit leichten Einschränkungen beim Problemlösen, in der geistigen Flexibilität und in der Flüssigkeit der Sprache einher. Nach der Psychotherapie schnitten die Patienten in Tests besser ab, und im Hirnscanner waren auch Bereiche des Gehirns aktiv, die sonst bei Zwangskranken eher „farblos“ sind.

Nicht Verhaltenstherapie, sondern das Konkurrenzverfahren Psychoanalyse steht im Mittelpunkt der Hanse-Neuro- Psychoanalyse-Studie. In Bremen kommen dabei Patienten unter den Hirnscanner, deren Depression mit Psychoanalyse behandelt wird. Werden also bald konkurrierende Psychotherapieschulen im Scanner-Vergleich gegeneinander antreten? Bei der Arzneimitteltherapie ist das schon Wirklichkeit: So wurden im Rahmen des Kompetenznetzes Schizophrenie Patienten über sechs Wochen mit zwei verschiedenen Medikamenten behandelt und anschließend im PET untersucht. Bei den Patienten, die das modernere Mittel bekommen hatten, zeigte sich dabei eine bessere Aktivierung der Hirnregionen, die für Denken und Problemlösen zuständig sind.

Der Aachener Psychiater Schneider hofft, dass man dank technischer Fortschritte in der Bildgebung frühzeitig wird beurteilen können, wer auf eine bestimmte Therapie wirklich anspricht – und bei wem man besser auf ein anderes Verfahren umschwenken soll.

Zudem könnte man die Echtzeitaufnahmen auch schon während einer Therapiesitzung nutzen. Patienten sollen während einer Therapiesitzung am Bildschirm selbst mitverfolgen, wie es ihnen gelingt, Gehirnregionen in ihrer Aktivität zu beeinflussen.

Adelheid Müller-Lissner

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