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''Queen’s Lecture'': Jede Menge Kohle

Wirtschaft und Klimawandel sind das Thema der „Queen’s Lecture“ an der TU

Von Markus Hesselmann

Der britische Umweltminister Hilary Benn hat den Unternehmern seines Landes das Thema gerade wieder nahe gelegt. „Wenn die Wirtschaft die Herausforderungen des Klimawandels nicht ernst nimmt, schaffen wir es nicht“, sagte Benn bei der Jahreskonferenz des Verbandes der Britischen Industrie in London. „Dann werden wir die größte Bedrohung, der wir entgegensehen, nicht meistern.“ Die Wirtschaft habe eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel. Der Industrieverband selbst hatte schlechte Nachrichten: Seine neueste Studie warnt, dass die Briten ihre Ziele bei der Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2020 kaum erreichen könnten. Nur wenn schnell gehandelt werde, wären sie bis 2030 wieder im Plan.

Die Wirtschaft und der Klimawandel – das ist Peter Pearsons Thema. Der Ökonomieprofessor vom Imperial College in London befasst sich mit der Geschichte der Energienutzung und den Folgen von Umstellungen in Energiesystemen. Daraus zieht er Schlussfolgerungen für die Zukunft, mit besonderem Blick auf den Kampf gegen den Klimawandel. Mit seinen Forschungen hat Pearson zum „Stern Report“ beigetragen, der politisch bahnbrechenden Studie im Auftrag der britischen Regierung. Der Report benennt den Klimawandel als Bedrohung des Lebens auf der Erde, beschreibt aber auch die Chance, dass es immer noch möglich ist, die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden. Am heutigen Donnerstag hält Pearson die traditionelle „Queen's Lecture“ an der Technischen Universität Berlin (siehe Kasten).

„Innovationen im Energiesektor brauchen eine lange Zeit, um sich durchzusetzen“, sagt Pearson. Es sei eine große Herausforderung, dies unter dem Druck des Klimawandels schneller zu schaffen. „Wenn Sie hier bei uns ein paar Häuser weiter ins Science-Museum gehen, dann sehen Sie Maschinen, die über hundert Jahre in Betrieb waren.“ Der Professor zeigt ein Diagramm, das den Energiekonsum der britischen Endverbraucher historisch veranschaulicht. Das Schaubild wird bestimmt von einem riesigen schwarzen Berg: Jede Menge Kohle. Der Berg erstreckt sich auf der horizontalen Zeitleiste vom Jahr 1800 bis zur Gegenwart. Der vertikal angezeigte Verbrauch steigt bis zu seinem Gipfel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und fällt dann rapide ab. Bis heute aber hat die Kohle einen Anteil am Energiekonsum der Haushalte, vor allem durch ihre Verwendung in der Stromerzeugung. Mittlerweile haben jedoch Gas und Öl die Kohle als wichtigsten Energieträger abgelöst. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand ein Energiemix. Nun gilt es, diesen Mix mit einem möglichst hohen Anteil aus erneuerbaren, emissionsarmen Quellen weiterzuentwickeln.

Die technische Entwicklung und der Markt können dieses Ziel allein nicht erreichen, davon ist der Wirtschaftswissenschaftler Pearson überzeugt. Den Unternehmern und ihren Forschern muss auf die Sprünge geholfen werden. Umweltfreundlichkeit im Energiesektor „hat einen Marktwert, der sich zurzeit nur aus Regulierungsmaßnahmen von Regierungen ergibt“, schreibt Pearson in einem aktuellen Aufsatz. „Und wo diese Maßnahmen den Anschein geringer Überzeugung und fehlender Dauerhaftigkeit erwecken, bleiben die Anreize für privatwirtschaftliches Engagement begrenzt.“

Eines seiner Doktorandenprojekte untersucht derzeit das Beispiel Windenergie. Die Diskrepanz zwischen Großbritannien und Deutschland ist frappierend: In Deutschland bewegt sich der Anteil der Windkraft an der Energieversorgung inzwischen auf den zweistelligen Prozentbereich zu. In Großbritannien, vom Klima und von der Geografie her eigentlich ideal für die Windkraft, liegt dieser Anteil weit unten im einstelligen Bereich. Als Gründe benennt das Projekt frühe politische Weichenstellungen. Während Deutschland den kleinen Tüftlern und Unternehmern durch steuerliche Anreize und ein sicheres Marktumfeld half, ließ die Politik in Großbritannien die großen Energiekonzerne den Markt der erneuerbaren Energien kapern – und somit nie zu einer ernsthaften Konkurrenz zu deren Kerngeschäft werden.

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