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Ende einer Dienstreise. Die Sonde „Rosetta“ soll auf dem Kometen hart aufsetzen.

© Abb.: dpa/ESA

Update

Ende einer Raumfahrtmission: Kometenjäger Rosetta hat auf "Tschuri" aufgesetzt

Vorbei: Nach zwei Jahren Forschungsarbeit am Kometen Tschurjumow/Gerassimenko hat die Sonde das letzte Signal geschickt. Was die Mission erfolgreich gemacht hat und was schief ging, lesen Sie hier.

Kometen – kilometergroße Klumpen aus Eis und Staub – umgab stets etwas Geheimnisvolles, zumindest im übertragenen Sinne. Als Schweifstern am Himmel galten sie vielen Menschen auf der Erde als schlechtes Omen. Auch Wissenschaftler deuteten allerhand in diese „schmutzigen Schneebälle“ hinein: Womöglich brachten sie das Wasser auf die Erde, am Ende gar Bausteine des Lebens?

Die europäische Raumfahrtmission „Rosetta“ hat etliche Antworten auf derlei Fragen geliefert und damit auch Widersprüche zu verbreiteten Lehrmeinungen. Seit zwei Jahren erkundet die gleichnamige Sonde den Kometen Tschurjumow/Gerassimenko („Tschuri“), hat mit diversen Apparaten verfolgt, wie er sich während des Vorbeiflugs an der Sonne verändert und dabei Gas und Staub ins Weltall speit. Zudem hat sie im November 2014 den Landeroboter „Philae“ abgesetzt, um seine Oberfläche genau zu untersuchen. Zum ersten Mal war es gelungen, weitgehend automatisiert einen Roboter mehr oder weniger sanft auf einen Kometenkern zu bringen. An diesem Freitag endete die 1,4 Milliarden Euro teure Mission, indem Rosetta auf dem Kometen „sanft impaktierte“, wie es die Experten nennen.

Warum endet die Mission jetzt?

Nachdem Tschurjumow/Gerassimenko im August 2015 seinen sonnennächsten Punkt erreicht hatte, entfernt er sich immer weiter von ihr. Die Solarzellen der Sonde Rosetta produzierten weniger Strom, es fehlte zunehmend an Energie für die Geräte und die Datenübertragung. Außerdem geraten Komet und Sonde von der Erde aus gesehen bald hinter die Sonne, damit wäre keine Kommunikation mehr möglich.

Die Missionsplaner haben daher entschieden, Rosetta auf Tschuri aufsetzen zu lassen. Beschleunigt von dessen Anziehungskraft sollte Rosetta mit knapp einem Meter pro Sekunde noch vor 13 Uhr (MESZ) auftreffen. Dabei ist sie wohl kaputtgegangen, denn für eine Landung war die Sonde nicht konzipiert. Während des Abstiegs machte sie Bilder aus nächster Nähe und nahm weiter Messungen vor. In dem Moment, in dem sie die Oberfläche berührte, sollte sie sich abschalten. Damit wird vermieden, dass ihre Funkwellen die irdische Kommunikation mit anderen Raumsonden stören. Im Raumfahrt-Kontrollzentrum der Esa in Darmstadt warteten die Experten darauf, dass das Signal abbrechen würde. Um 13:19 Uhr (MESZ) war es soweit, die markante Linie auf den Bildschirmen verschwand. Schultern wurden geklopft, man umarmte einander, Rührung und Erleichterung auf den Gesichtern. Zu diesem Zeitpunkt war Rosetta längst im Sonden-Himmel, denn die Funkwellen brauchten 40 Minuten von Tschuri bis zu uns. Belegbilder von Teleskopen wird es nicht geben, dafür ist Tschuri zu weit weg.

Welche Ergebnisse hat sie gebracht?

Nie zuvor wurde ein Komet so umfassend erforscht. Die Auswertung der Daten wird noch Jahre in Anspruch nehmen, doch etliche Erkenntnisse liegen bereits vor. Zum einen überrascht die Form des Kometen, der aus zwei Teilen zusammengesetzt zu sein scheint. So etwas kommt wohl häufiger vor als gedacht, berichtet Tilman Spohn vom Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der an der Mission beteiligt ist.

Weiterhin hat Tschuri eine unerwartet harte Oberfläche. Von einem „Schneeball“ lässt sich auch nicht länger reden, denn der Komet enthält viermal so viel Staub wie Eis. „Das konnte ich zunächst nicht glauben“, sagt Spohn. Offenbar verlief die Entstehung der Planeten und Kometen im jungen Sonnensystem anders als bisher gedacht. „Die im Urnebel enthaltenen Substanzen wie Silikate, Eisen und Gase waren wohl stärker durchmischt als angenommen.“ Die Entwickler der Sonnensystem-Modelle würden derzeit angestrengt grübeln, weil Tschuri so gar nicht hineinpasst, berichtet der Forscher. Er erwartet größere Korrekturen.

Auch die Hypothese, das Wasser auf der Erde stamme von Kometen, hat Rosetta schwer beschädigt. Die Verhältnisse zwischen gewöhnlichem Wasserstoff und seiner schweren Variante namens Deuterium sind im Tschuri-Eis deutlich anders als in den Ozeanen der Erde. Ein bisschen Wasser mögen die Kometen gebracht haben, meint Spohn. „Aber nicht den Hauptanteil.“ Wenn der Urnebel tatsächlich stärker durchmischt war, stünde auch mehr Wasser für den Aufbau sonnennaher Planeten bereit, die dieses in ihrem Inneren tragen, argumentiert er. Zumindest für die Erde sei belegt, dass große Mengen davon in tiefen Schichten enthalten sind. „Es ist schwer zu erklären, dass dieses Wasser vorrangig von außen gekommen und dann in die Tiefe gelangt sein soll.“

Die "Rosetta"-Mission im Überblick.
Die "Rosetta"-Mission im Überblick.

© Esa, AFP, TSP

Bei den Bausteinen für Leben sind die Forscher auch nicht viel weiter gekommen. Die Rosetta-Mission spürte Alkohole, Amine und Nitrile auf, die bereits in der Gashülle anderer Kometen nachgewiesen wurden. Neu entdeckt wurden Moleküle wie Methylisocyanat, Aceton und Propanal. Diese könnten als Ausgangspunkt für biochemische Reaktionen dienen, formulierten es Forscher um Fred Goesmann vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen etwas wolkig. Handfeste Lebensbausteine wie Aminosäuren, Peptide oder Nukleotide konnte das Team jedoch nicht nachweisen. 

Was ging schief?

Bei so einer gewagten Mission ist klar, dass nicht alles gelingt. So verankerte sich der Lander Philae beim Aufsetzen nicht wie geplant, sondern machte noch drei Hüpfer. Er landete schräg stehend in einer Spalte, sodass die Solarzellen weniger Strom lieferten als erwartet. Dadurch verkürzte sich die Messzeit. Wegen des harten Untergrunds konnte das „Mupus“-Gerät nicht in den Boden getrieben werden, das Temperatur und Wärmeleitfähigkeit messen sollte. Auch das Erbohren von Proben und die chemische Analyse mit dem APXS-Spektrometer hätten nicht geklappt, berichtet Spohn.

Gibt es weitere Kometenmissionen?

Nur zu gern würden die Forscher einen weiteren Kometen untersuchen und jene Messungen machen, die jetzt nicht richtig funktioniert haben. Ein entsprechendes Konzept werde derzeit erarbeitet und soll der Raumfahrtagentur Esa vorgelegt werden, sagt Spohn. Es geht um eine „M-Class-Mission“, die rund 400 Millionen Euro kosten würde. Ob sie genehmigt wird, hängt auch von der Nasa ab. Der US-Agentur werden laut Spohn vermutlich zwei Vorschläge für Missionen vorgelegt, die einen Probenrücktransport zur Erde vorsehen. Das würde mehr kosten, rund eine Milliarde Dollar, aber auch genauere Analysen erlauben. Sollten die Amerikaner das angehen, wäre das europäische Konzept hinfällig. Entscheidet sich die Nasa dagegen, wären die Chancen für „Rosetta II“ etwas besser.

Am Naturkundemuseum Berlin ist zurzeit eine Ausstellung mit den wichtigsten Ergebnissen sowie Bildern und Geräten der Mission zu sehen. "Kometen" ist noch bis zum 24. Januar 2017 geöffnet.

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