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Ariane5

© dpa

Raumfahrt: Mit Feuerstrahl ins eiskalte All

Die Esa schickt die Sonden "Planck" und "Herschel" auf ihren 1,5 Millionen Kilometer langen Weg. Sie werden die kältesten Objekte im All sein.

Zuerst gibt es nur eine große, weiße Wolke. Immer weiter bläht sie sich auf, bis von der 50 Meter hohen Rakete gerade noch die Spitze heraus schaut. Dann flammt ein grelles Leuchten direkt über dem Erdboden auf. Und endlich hebt sich das Geschoss in den blauen Himmel von Kourou in Französisch-Guayana. Getrieben von einem gleißenden Feuerstrahl steigt die Ariane 5 über dem Startplatz der europäischen Raumfahrtorganisation Esa in die Höhe. Es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit, bis auch der Schall den fünf Kilometer entfernten Beobachtungspunkt erreicht. Das Fauchen, Brüllen und Brodeln ist mit dem ganzen Körper zu spüren.

Ehrfürchtig starren alle nach oben, Applaus gibt es erst viel später. Nach jahrelangen Vorbereitungen sind nun endlich zwei neue Satelliten auf dem Weg ins All: Mit „Herschel“ wollen die Wissenschaftler die Entwicklung junger Sterne genauer verfolgen, „Planck“ soll ihnen mehr über die Frühzeit des Universums verraten. Die gestern gestartete Doppelmission ist eines der teuersten Forschungsprojekte, das die Esa je aufgelegt hat. Von den ersten Planungen über den Start bis zum Betrieb kostet es etwa 1,8 Milliarden Euro. Rund ein Fünftel der Kosten trägt Deutschland.

Das Observatorium Herschel soll Licht im Infrarotbereich einfangen und damit vor allem die Frühphase der Sternentwicklung verfolgen. Denn die spielt sich meist in den staubigen Regionen des Alls ab. Während sichtbares Licht von dem Staub verschluckt wird, kann Infrarotstrahlung den Nebel passieren und gemessen werden. Allerdings nur im Weltraum, denn die Erdatmosphäre lässt infrarote Strahlung kaum durch.

„Im Gegensatz zu anderen Infrarotdetektoren, die bisher ins All geschossen wurden, wird Herschel erstmals auch Wellenlängen zwischen 200 und 670 Mikrometer erfassen“, erläuterte Göran Pilbratt, Chefwissenschaftler für das Herschel-Projekt am Tag vor dem Start. Dieser Teil des Spektrums, auch als fernes Infrarot bezeichnet, umfasse vor allem Strahlen, die von sehr weit entfernten Sternen und Galaxien ausgesendet wurden. „Wir erhalten damit eine Fülle von Informationen, die mit bisherigen Methoden einfach nicht zu bekommen waren“, freut sich der Forscher.

Außerdem ist Herschels Spiegel mit 3,5 Metern Durchmesser der größte, der je ins All gebracht wurde. Der Spiegel des Hubble-Teleskops misst nur 2,4 Meter. Je größer ein Spiegel ist, desto besser kann er die Strahlung schwacher Quellen einfangen und umso schärfer sind die Aufnahmen.

Ebenso wichtig für das fliegende Observatorium ist eine gute Kühlung. Damit die Infrarotsensoren nicht von der Wärme benachbarter Bauteile geblendet werden, müssen diese auf minus 271,5 Grad Celsius - also nicht mal zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden. Das soll mit flüssigem Helium erreicht werden, das schrittweise abgegeben wird und verdunstet. Denn für den Übergang vom flüssigen zum gasförmigen Zustand ist Wärme nötig. Das Kühlsystem ist so aufgebaut, dass das Helium die Abwärme der übrigen Geräte aufbraucht und damit deren Temperatur senkt. Der Heliumvorrat soll für vier Jahre ausreichen. „Sollten die beiden Satelliten an ihrem Zielort wie geplant arbeiten, wären sie die zwei kältesten Objekte des Universums“, erklärte Jean-Jacques Julliet, wissenschaftlicher Programmdirektor für Herschel/Planck vor dem Start.

Aber noch konnte vieles schief gehen. Am Starttag muss alles funktionieren. Kurz nach Sonnenaufgang wird mit dem Betanken der Rakete begonnen. Immer neue Wolken treibt der Wind über den Startplatz nahe der südamerikanischen Atlantikküste. Heftige Regengüsse prasseln auf die Rakete und das üppige Grün der Umgebung. Gegen neun Uhr reißt der Himmel auf. Um 10 Uhr 12 Ortszeit geht der Countdown endlich auf null.

26 Minuten nach dem Start der Ariane, in einer Höhe von gut 1000 Kilometern, wird Herschel von der Oberstufe der Rakete getrennt. Den Berechnungen der Forscher zufolge hat der 3,3 Tonnen schwere Satellit jetzt noch genügend Schwung, um binnen zwei Monaten ohne eigenes Zutun bis zum sogenannten Lagrange L2 Punkt zu fliegen. An dieser Stelle, rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, gleichen sich die Anziehungs- und Zentrifugalkräfte von Erde und Sonne aus, so dass Herschel ohne Kraftanstrengung im Schatten der Erde die Sonne umkreisen kann. Diese Position schützt den Satelliten einerseits vor den störenden Sonnenstrahlen und erlaubt ihm zugleich, im Lauf eines Jahres in alle Himmelsrichtungen zu blicken.

Zwei Minuten, nachdem Herschel ausgesetzt wurde, schickt die Oberstufe auch Planck in die Nähe des L2-Punktes. Der Satellit soll die kosmische Hintergrundstrahlung im Frequenzbereich zwischen 25 und 1000 Gigahertz vermessen, und zwar dreimal genauer als es bisher möglich war. Astronomen erhoffen sich von den Daten mehr Informationen über die Frühphase des Universums kurz nach dem Urknall.

Doch die Forscher müssen sich noch weiter gedulden. Zunächst müssen die elektronischen Systeme der Satelliten vollständig hochgefahren und die empfindlichen Detektoren kalibriert werden. Gegen Jahresende sollen dann erste wissenschaftliche Ergebnisse der Doppelmission vorliegen.

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