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Je größer, desto schneller. Um eine Raumsonde allein mit Licht anzutreiben, müssen möglichst viele Photonen auf das Segel aus einem speziellen Kunststoff treffen. Berechnungen zufolge sollte es sich mindestens über einige Dutzend Meter erstrecken – wie in dieser Computeranimation.

©  Nasa

Raumfahrt: Segeln mit Sonnenlicht

Die Technik ermöglicht es Sonden, weit ins All vorzudringen. Doch die Ingenieure müssen noch einige Probleme lösen. Die hauchdünne Folie darf sich nicht verheddern.

Durchs Weltall segeln, nur angetrieben von Sonnenlicht. Noch klingt das utopisch, aber vielleicht nicht mehr lange. Forscher arbeiten daran, die Vision wirklich werden zu lassen, und sie haben erste Erfolge. So startete im Mai 2010 die japanische Raumsonde „Ikaros“ ins All. Kurz darauf begann sie ein Segel aus hauchdünner Folie zu entfalten, 14 mal 14 Meter groß. Die Mission soll beweisen, dass es den Flieger sachte aus der Bahn lenkt. Denn auf das Segel drückt das Sonnenlicht in Form von unzähligen Photonen – mit einer Kraft, die gerade mal so groß ist wie das Gewicht einer Löffelspitze Sand. Auf der Erde würde ein so schwacher Antrieb nichts ausrichten, doch im All, wo praktisch keine Reibung herrscht, macht er sich bemerkbar, sofern er nur lange genug wirkt.

Allerdings ist Ikaros noch weit davon entfernt, ein echter Weltraumsegler zu sein. „Bezogen auf die Masse der Sonde ist das Segel sehr klein“, sagt Bernd Dachwald vom Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik an der FH Aachen. „Es war aber wichtig, die Entfaltung des Segels zu demonstrieren.“ Dachwald, der die Technik des Sonnensegelns seit mehr als zehn Jahren erforscht, erläutert ihre Vorteile: „Normalerweise begrenzt die Treibstoffmenge die Wege durchs All. Sonden, die die Sonnenstrahlung als Antriebsquelle nutzen, haben immer einen vollen Tank.“

Das ist vor allem bei solchen Missionen nützlich, die sehr lange unterwegs sind, etwa zu den äußeren Planeten des Sonnensystems und darüber hinaus. Die europäische Weltraumorganisation Esa hat in einer Studie untersuchen lassen, welche Technik erforderlich ist, um relativ zügig zu den Grenzen des Sonnensystems zu fliegen. Die Vorgabe war, eine Distanz von 30 Milliarden Kilometern in 25 Jahren zu überwinden. 30 Milliarden Kilometer, das wäre etwa doppelt so weit entfernt wie die Heliopause: jene Grenze, ab der die Sonne keinen bestimmenden Einfluss mehr ausübt und wo der interstellare Raum beginnt.

Einzig die „Voyager“-Sonden haben sich der Heliopause bislang genähert, und sie sind jetzt seit 35 Jahren im All unterwegs. Wie schafft man die doppelte Distanz in 25 Jahren? „Wir haben verschiedene Antriebe durchgerechnet, aus unserer Sicht sind Sonnensegel die einzige Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen“, sagt Manfred Leipold von der Firma Kayser-Threde, einer der Autoren der Studie. Die Untersuchungen ergaben, dass eine 200 Kilogramm schwere Sonde mit einem Sonnensegel von 300 Metern Durchmesser auf das nötige Tempo kommen kann.

Wegen der enormen Ausmaße des Segels würde das Licht auf riesiger Fläche angreifen und einen entsprechend hohen Impuls übertragen. Pro Sekunde würde der Segler um 0,004 Kilometer pro Stunde schneller. Da die Beschleunigung jahrelang anhielte, käme schließlich ein rasanter Flug heraus. „Am Ende kann man 15 Astronomische Einheiten pro Jahr schaffen“, sagt Dachwald. Das entspricht 257 000 Kilometer pro Stunde. „Allerdings erfordert so eine Mission ein sehr leistungsfähiges Segel, das wir im Moment noch lange nicht haben.“

Viele Probleme sind zu lösen, etwa die Suche nach dem passenden Material für die Segel. „Wir arbeiten mit Kapton, einer Folie aus hitzebeständigem Kunststoff“, sagt Franz Lura vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Eine Seite der Folie beschichten die Experten mit Aluminium, diese Seite spiegelt dann und wird dem Licht zugewendet. „Die andere Seite kann man mit Chromoxid beschichten, das ist schwarz und strahlt die Wärme sehr gut ab“, sagt Lura. Ein wichtiger Punkt, denn im Sonnenlicht heizt sich das Segel auf. Damit die Temperatur nicht zu hoch wird, muss es gekühlt werden.

Kapton-Folien haben sich in der Raumfahrt vielfach bewährt, etwa bei der Wärmeisolation von Satelliten. Doch um Sonnensegel zu bauen, sind dünnere Folien erforderlich: Je dünner, umso leichter ist das Segel und umso schneller kommt die Sonde in Fahrt. „Zurzeit gibt es Folien mit einer Dicke von siebeneinhalb tausendstel Millimetern, unsere Zielgröße sind zwei bis drei tausendstel Millimeter, die gibt es aber noch nicht“, sagt Lura.

Weitgehend ungeklärt ist auch die Frage, wie das hauchzarte Material auf die benötigten riesigen Flächen aufgespannt werden kann: Künftige Weltraumsegler werden Segel brauchen, die hunderte Meter messen. Hierzu gibt es verschiedene Lösungsansätze. Forscher des DLR und der Esa entwickeln einen Mast aus Kohlefasern, der aus zwei halbrunden Profilen zusammengeklebt ist. Für den Transport ins All wird der Mast aufgewickelt, so dass er wenig Platz beansprucht. Auch das Sonnensegel wird kompakt zusammengefaltet.

Im Weltall rollen dann Elektromotoren den Mast aus. Während er sich streckt, nimmt er eine Ecke des Sonnensegels mit und spannt es auf. „Man kann sich den Mast vorstellen wie eine Karnevalströte, die sich nach vorne ausrollt, wenn man hinten reinpustet“, beschreibt Lura. Bei Experimenten am Boden haben die Forscher gezeigt, dass sich die Struktur entfaltet, ohne zu verheddern. Nun sind Versuche in der Schwerelosigkeit geplant.

Anders bei der Sonde Ikaros, dort dreht sich das Sonnensegel um sich selbst. Die Fliehkraft führt dazu, dass die Ränder des Segels nach außen streben und es aufspannen. Allerdings hat diese Konstruktion auch Nachteile. „Weil das Segel rotiert, treten Kreiselkräfte auf, die es schwer machen, die Lage des Segels zu regeln“, erläutert der Aachener Raumfahrtexperte Dachwald. Die Lageregelung des Segels ist aber nötig, um den Weltraumsegler zu steuern.

Eins ist klar: Bevor die Forscher einen Segler auf große Reise schicken können, sind noch viele Tests nötig. „Man muss erst mal ein bisschen üben, wie sich so etwas fliegt“, meint Dachwald. In wenigen Jahren soll die europäische Mission „QB50“ starten, bei der die Forscher die Entfaltung eines Sonnensegels in der Erdumlaufbahn erproben wollen. Außerdem wollen sie im Raumfahrtlabor untersuchen, ob kleine Sonnensegel dazu dienen können, Satelliten in der Umlaufbahn zu bremsen und dadurch zum Absturz zu bringen. Diese Technik könnte sich einmal als nützlich erweisen, um Weltraumschrott zurück auf die Erde zu holen.

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