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Noch am Boden. Jos Gal, mutmaßlicher Flugscheinkäufer, und ein unbekannter Darsteller im Astronautenkostüm bei der Präsentation der Firma SXC.

© dapd

Raumfahrt: Ticket ins All

Eine Firma bietet Reisen in den Weltraum an. Startklar ist sie aber noch nicht – es fehlt unter anderem ein Fluggerät.

Bei Curaçao werden die meisten wohl an schreckliche Mixgetränke mit dem gleichnamigen Likör denken. In Zukunft soll das Wort positivere Assoziationen wecken, die nicht minder außergewöhnliche Körpererfahrungen versprechen: Raketengetriebene Beschleunigung bis auf 100 Kilometer Höhe, Schwerelosigkeit, fantastische Blicke auf die Erde, donnernde Rückkehr in die Atmosphäre und eine Segelfluglandung. Das ist zumindest der Plan der Firma Space Expedition Curaçao (SXC). Anfang 2014 will sie die ersten Kunden von der Karibikinsel aus ins All bringen. Ticketpreis: 95 000 Dollar.

Gestern stellte SXC sein Konzept in Berlin vor und präsentierte den voraussichtlich ersten Mitflieger aus Deutschland. Bezahlt hat Jos Gal nämlich noch nicht, wie der 42-Jährige vor zahlreich angereisten Journalisten im noblen „Regent Hotel“ sagte. Aber er sei fest entschlossen abzuheben, wie er immer wieder in die Kameras beteuerte. „Die Idee, ins All zu fliegen, hat mich sofort begeistert“, sagte Gal, der als „Berater und Gründer von Deutschlands erster Fünf-Sterne-Zahnarztpraxis“ vorgestellt wurde. Was darunter zu verstehen ist, schildert Gal so: „Wir rollen den Kunden den roten Teppich aus. Bei uns ist es üblich, dass eine neue Krone wirklich auf rotem Samt präsentiert wird und dann sage ich: So, Frau Meier, heute ist ihre Krönung.“

Allzu häufig wird er in seiner Praxis bei Heidelberg aber nicht der Königsmacher sein. Seine Internetseite kündet von wichtigen Verpflichtungen in Golfclubs oder einem Fotoshooting mit seiner neuen Rolex in Paris – und dem ersten Training für den Raumflug in zwei Wochen. Dann geht es in den Simulator sowie auf den Rücksitz eines Militärjets, um den Körper mit den zu erwartenden Belastungen bekannt zu machen.

„Wir werden die vierfache Erdbeschleunigung erreichen, aber ich glaube Doktor Gal wird das locker schaffen und vielleicht noch etwas mehr verlangen“, schmeichelte der Niederländer Harry van Hulten, Ex-F-16-Pilot und Mitbegründer von SXC. Er muss Kunden gewinnen, damit genügend Geld für das Weltraumabenteuer zusammenkommt. 50 Flugscheine hat er nach eigenen Angaben bereits verkauft. Eines Tages sollen die Ticketinhaber in dem acht Meter langen Flieger „Lynx“ neben einem Piloten Platz nehmen und eine unvergessliche Reise antreten.

Ausgestattet mit vier Raketentriebwerken, die mit Kerosin und flüssigem Sauerstoff betrieben werden, soll Lynx vom Flughafen Curaçao horizontal starten und dann nach oben ziehen. Nach drei Minuten ist die dreifache Schallgeschwindigkeit erreicht, kurz darauf verlassen der Pilot und sein Fluggast die Atmosphäre. Nun werden die Triebwerke abgeschaltet und dank des kräftigen Schwungs macht Lynx einen Hüpfer bis über die magische Höhe von 100 Kilometern. Sie gilt als Grenze zum Weltraum. Während des Hüpfers herrscht Schwerelosigkeit, etwa vier bis sechs Minuten lang, bis der Pilot den Flieger auf den Wiedereintritt in die Atmosphäre vorbereitet. Im Gleitflug kehrt Lynx zur Landebahn zurück, wie die Spaceshuttles, die letztes Jahr außer Dienst gestellt wurden.

Das große Vorbild wurde bei der Präsentation denn auch immer wieder bemüht. Aber nicht nur die weißen Raumfrachter – so ziemlich alles, was das US-Raumfahrtprogramm zuwege gebracht hatte, wurde in einem pompös-visionären Imagefilm zusammengeschnitten. Geht ja auch kaum anders, SXC war noch nicht oben. Wahrlich skurril war allerdings der Auftritt eines „Astronauten“, der einen Helm mit goldverspiegeltem Visier trug. Offenbar war es darunter tüchtig heiß, denn in unbeobachteten Momenten lupfte der Pantomime das Visier. Ganz sicher war es ziemlich finster, denn der „Astronaut“ musste bei einem Ortswechsel stets von einer Assistentin über den schweren Regent-Teppich geführt werden. Dass SXC als kommerzieller Anbieter den Raumanzug mit Aufnähern der staatlichen Agentur „Nasa“ und der vor 43 Jahren gestarteten Apollo-11-Mission schmücken ließ, war nur ein weiteres der merkwürdigen Details.

Die wichtigste Frage des Tages lautete: Wird das überhaupt etwas? Bis heute ist es keiner Firma gelungen, Passagiere ins All zu bringen. Richard Bransons „ Virgin Galactic“ musste ihren Plan immer wieder korrigieren. Am Montag gab die Firma bekannt, bis Dezember erste raketengetriebene Testflüge mit dem „Space Ship Two“ zu unternehmen. Kommerzielle Flüge könnten 2013 oder 2014 folgen.

Es ist also Skepsis angebracht, ob Lynx in zwei Jahren startklar ist. Derzeit bastelt die Herstellerfirma „XCOR“ noch emsig daran herum, im Sommer soll der Raketenflieger offiziell vorgestellt werden. Erfahrungsgemäß sind dann viele Nachbesserungen nötig. Die Verantwortung gegenüber den Fluggästen ist groß, das weiß auch van Hulten. „Alles ist neu“, sagt er. „Wir denken, dass es sicher ist, aber es bleibt ein Risiko.“ Das ist auch einer der Gründe, warum ab Curaçao geflogen wird: Drum herum ist viel Wasser, falls etwas schief- geht, sind weniger Menschen gefährdet.

Der Unternehmer denkt aber längst weiter. Etwa an die Astronautenausbildung der Amerikaner und Europäer, die bekanntermaßen zurzeit keine eigenen Flugmöglichkeiten haben, oder wissenschaftliche Experimente in der Schwerelosigkeit. Erst vor wenigen Tagen habe er diesbezüglich Gespräche mit der europäischen Raumfahrtagentur Esa geführt, berichtet er. Über solche Ideen haben die Agenturen allerdings auch schon mit Richard Branson gesprochen. Grundvoraussetzung für eine Kooperation ist jedoch, dass die Maschinen erst einmal abheben.

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