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Studierende an der FU im Jahr 2003. Sie gehören zu denen, die die Gebühren zurückfordern können.

© Mike Wolff

Rechtswidrige Rückmeldegebühren in Berlin: Viele Studierende lassen sich Geld entgehen

Viele ehemalige Studierende haben bisher keinen Antrag auf Erstattung der Rückmeldegebühren gestellt, die sie von 1996 bis 2004 in Berlin zu Unrecht zahlen mussten. Andere warten seit Monaten auf ihr Geld.

Noch bis Ende des Jahres haben ehemalige Berliner Studierende Zeit, ihre früher illegal erhobenen Rückmeldegebühren zurückzufordern. Doch gut zwei Monate vor Ende der Frist sieht es so aus, als ob sich viele das Geld entgehen lassen. Zwar sind an den Berliner Hochschulen bereits mehr als hunderttausend Anträge auf Rückerstattung der Gebühren eingegangen. Das klingt viel. Aber in dem maßgeblichen Zeitraum – rechtswidrig wurden die Gebühren zwischen 1996 und 2004 erhoben – waren nach Angaben der Unis weitaus mehr Studierende eingeschrieben. So hat sich an der Humboldt-Universität bisher nur ein Drittel der Antragsberechtigten gemeldet, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), der größten Berliner Fachhochschule, sogar nur ein Viertel.

Es geht um 100 DM, später 51,13 Euro pro Semester, die Studierende in Berlin seit dem Wintersemester 1996/97 bei der Rückmeldung zahlen mussten. Die Regelung hatte der damalige schwarz-rote Diepgen-Senat aus Spargründen erlassen. Sie wurde im vergangenen November vom Bundesverfassungsgericht rückwirkend für ungültig erklärt: Die Gebühren hätten „in grobem Missverhältnis“ zu den tatsächlichen Kosten für den Verwaltungsakt bei der Rückmeldung gestanden. Nach einem ähnlichen Urteil gegen die Praxis in Baden-Württemberg hatte Berlin 2004 sein Gesetz so verändert, dass es von Gerichten nicht mehr beanstandet wird. Spätere Jahrgänge sind also nicht betroffen.

Wer die gesamte Zeit eingeschrieben war, könnte 870 Euro einfordern

17 Semester lang galt die rechtswidrige Regelung in Berlin. Wer die gesamte Zeit eingeschrieben war, könnte knapp 870 Euro zurückfordern. Nach früheren Schätzungen würden gut 90 Millionen Euro zusammenkommen, sollten alle Studierenden ihr Geld zurückverlangen. Nun könnte die Summe geringer ausfallen. Berlinweit seien bisher Forderungen in Höhe von 44 Millionen Euro eingegangen, sagte Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres jetzt im Abgeordnetenhaus.

So haben die HU bisher rund 24 000 Anträge erreicht. Eingeschrieben waren in dem Zeitraum insgesamt 75 000 Studierenden. Die HTW hat knapp 6900 Anträge erhalten – „rechnerisch möglich sind etwas über 26 000“, heißt es. Von den maximal 80 000 Antragsberechtigten der Technischen Universität haben sich immerhin 41 000 gemeldet. Die Freie Universität muss bisher 31 500 Ehemaligen Geld erstatten, wegen der „vielen Zu- und Abgänge“ in dieser Zeit will sie keine Gesamtzahl nennen. An FU wie TU allein sind bislang jeweils Forderungen in Höhe von 13 Millionen Euro zusammengekommen.

Haben womöglich viele nichts von dem Karlsruher Urteil mitbekommen – oder wissen nicht, wie sie einen Antrag stellen können? Zwar informiert jede Hochschule auf ihrer Webseite, wie Ehemalige ihr Geld zurückbekommen. An prominenter Stelle werben die Hochschulen dafür aber nicht, meistens muss man sich mühsam zu der entsprechenden Seite durchklicken. (Wie und wo Studierende ihre Rückerstattung beantragen können, erfahren Sie hier.)

Die HTW hat noch nicht einmal mit der Auszahlung begonnen

Womöglich werden einige auch durch die langen Bearbeitungszeiten abgeschreckt. Denn die, die das Geld zurückbekommen wollen, müssen teils Monate warten, bis die Hochschulen es überweisen. Die HTW hat sogar noch nicht einmal mit der Auszahlung begonnen und will erst jetzt langsam damit starten. „Ich bin richtig sauer“, schreibt ein Ex-HTW-Student im Forum der Webseite „Studis Online“, wo sich Berliner Alumni darüber austauschen, wie lange sie auf ihr Geld warten. Andere drohen, die HTW zu verklagen. Grund für die Verzögerung sei, dass die vom Senat versprochenen Ausgleichzahlungen auf sich warten lassen, sagt Sprecherin Gisela Hüttinger: „Wir haben das Geld einfach nicht.“ Senatorin Scheeres kündigte an, die Hochschulen würden das Geld ab Januar erhalten.

Die anderen Hochschulen sind dagegen schon in Vorleistung gegangen – mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Eher zäh geht es an der HU voran. Bisher hat dort erst ein Fünftel der Antragsteller ihr Geld bekommen. Unvollständige Anträge und zahlreiche Rückfragen würden die Kapazitäten der Mitarbeiter erheblich binden, heißt es. Prinzipiell arbeite die Uni die Anträge chronologisch ab. „Bei Härtegründen nach sozialen Gesichtspunkten erfolgt eine vorgezogene Bearbeitung“, sagt Sprecherin Susanne Cholodnicki.

Manchmal dauert es drei Wochen, manchmal fünf Monate

Weiter sind die Universität der Künste, die schon fast alle Anträge bearbeitet hat, und die Beuth-Hochschule, wo von 7500 Antragstellern noch 4500 auf ihr Geld warten. Die TU hat gut ein Drittel der Antragsteller ausbezahlt. Wer das dortige Online-Verfahren für die Rückerstattung nutze, könne innerhalb von drei Wochen mit einer Überweisung rechnen, heißt es. Deutlich länger dauert es für die, die nur einen Antrag auf Papier gestellt haben – sie sollten die Erstattung noch einmal online wiederholen.

An der FU dauert es es bis zur Auszahlung „momentan rund fünf Monate“, sagt Sprecher Goran Krstin. Allein zwischen März und Mai seien im Schnitt 400 Anträge pro Werktag eingegangen. Inzwischen habe die FU fast die Hälfte der Rückforderungen überwiesen. Die FU hofft wie die anderen Hochschulen auch, dass sich mit dem Ende der Immatrikulationsphase mehr Personal den Rückerstattungen widmen kann. Die Wartezeit bis zur Rückzahlung könnte sich dann verkürzen.

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