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Hoher Anspruch: Schüler der Helmholtz-Sekundarschule im Labor des Lise-Meitner-Oberstufenzentrums.

© Kitty Kleist-Heinrich

Reform des Lehramtsstudiums in Berlin: Streit um den "Einheitslehrer" hält an

Nach dem Kompromiss der Berliner Koalition in der Lehrerbildung geht der Streit um den "Einheitslehrer" weiter - in der CDU. Die Studienräte, die für die Integrierten Sekundarschulen ausgebildet werden, dürfen auch Gymnasiasten zum Abitur führen.

Berlins Koalitionäre haben ihren Streit um den „Einheitslehrer“ am Dienstag beigelegt – doch die Unruhe bei den Schulexperten in Politik und Wissenschaft hält an. Der CDU-Schulfachmann Stefan Schlede befürchtet nun, dass die SPD ihren „Einheitslehrer“ versucht, „durch die Hintertür über den Studienrat“ einzuführen. Ein „Einheitslehrer“, der sowohl die Mittelstufenschüler einer Integrierten Sekundarschule (ISS) in einem Brennpunkt als auch den anspruchsvollen Leistungskurs eines bürgerlichen Gymnasiums unterrichten könne, sei aber eine pädagogische „Fiktion“, sagte Schlede am Mittwoch auf Nachfrage. Dass es nun zwei verschiedene Masterstudiengänge geben soll, aber beide in das Lehramt „Studienrat“ münden, dürfe darum nicht zu falschen Interpretationen einladen.

Schlede befürchtet die Aushöhlung des Gymnasiums über den „Einheitslehrer“. Sein Wunsch, die neuen ISS-Master sollten nur bis zur zehnten Klasse unterrichten dürfen, geht jedoch nicht in Erfüllung. Auch diese Absolventen könnten prinzipiell in der Oberstufe unterrichten – auch an der eines Gymnasiums, stellt CDU-Fraktionssprecher Michael Thiedemann jetzt klar.

Allerdings zeichnet sich nun ein Gerangel um die Ausgestaltung der beiden Masterstudiengänge ab. Schlede fordert, dass der ISS-Master „deutlich praxisorientierter“ sein soll als der Gymnasial-Master. In der Schulverwaltung geht man hingegen nicht davon aus, dass die Fachwissenschaft für ISS-Studienräte zugunsten von mehr Pädagogik im Studium reduziert wird. Der fachwissenschaftliche Anteil soll den Umfang haben, der auch jetzt schon für Studienräte gilt. In der Schulverwaltung hielte man es darum für gut, wenn die ISS-Lehrer sich vor allem im Praxissemester an einer Sekundarschule auf ihr bevorzugtes Einsatzgebiet vorbereiten würden.

Stefan Kipf, der das Lehrerbildungszentrum der Humboldt-Universität leitet, findet die Sicht der Schulverwaltung „nicht unsympathisch“. Die „hohe Fachlichkeit“ auch der neuen ISS-Studienräte sei sehr wichtig. Zwar solle genau überlegt werden, wo in der Ausbildung der ISS-Lehrer inhaltlich differenziert werden könne. Der Weg, die Studierenden schon im Studium sehr stark auf eine Laufbahn als ISS-Lehrer festzulegen, werde sich aber als problematisch erweisen. Die große Masse der Studierenden werde auch in Zukunft ans Gymnasium streben. Mit einer großen Nachfrage für den ISS-Master sei nicht zu rechnen. Gerade darum müssten die Wege in alle Richtungen offen bleiben. Studierende, Referendare und Lehrer müssten die Chance bekommen, sich im Alltag davon zu überzeugen, dass die Sekundarschule „nicht nur voller schwieriger Kinder“ ist. In der Schule sei eine Aufteilung der ISS-Lehrer und der Gymnasiallehrer auf die beiden Schultypen jedenfalls wenig sinnvoll, ein Kollegium mit gemischten Kompetenzen hilfreicher. Üblicherweise würden sich innerhalb der Kollegien die Lehrer ohnehin stets informell sortieren: Manche bevorzugten den Unterricht in der Mittelstufe, andere den in Leistungskursen.

"Während des Studiums nicht zu stark die Weichen stellen"

Felicitas Thiel, Schulentwicklungsforscherin an der Freien Universität, sieht es genauso. Während des Studiums sollten die Weichen für die Schulformen noch nicht zu stark gestellt werden, „fertige Lehrer“ könne die Uni ja ohnehin nicht liefern. „Viel besser ist es doch, dann passgenaue Angebote in der Fortbildung zu machen, wenn die Probleme auftauchen, auch schon in der Berufseingangsphase“, sagt Thiel. Die Fortbildungsangebote in Berlin seien stark verbesserungswürdig – „leider macht sich die Politik darüber aber keine Gedanken“. Wie die Unis einen zweiten – vermutlich schwach nachgefragten Master – für ISS-Lehrer mit ihren Bordmitteln stemmen sollen, sei auch nicht geklärt. Unklar sei zudem, ob der ehrgeizige Starttermin für das neue Lehrerstudium im Herbst 2014 angesichts der unklaren politischen Vorgaben noch möglich sei.

Die Schulleiterverbände halten unterdessen an ihren ursprünglichen Meinungen fest: „Es gibt keine fachlichen und pädagogischen Gründe, die Lehrämter zu trennen“, sagt Paul Schuknecht, Leiter der Vereinigung der GEW-Schulleiter und Rektor der Friedensburg-ISS in Charlottenburg. An den allermeisten Gymnasien sei die Schülerschaft ebenso heterogen wie an Sekundarschulen, und etliche könnten mit Gymnasien konkurrieren.

Ralf Treptow, der Vorsitzende des Verbandes der Oberstudiendirektoren in Berlin, freut sich über die Verhandlungserfolge der CDU: So werde ausgeschlossen, dass die wissenschaftliche Ausbildung der Gymnasiallehrer „zugunsten eines überwiegend sozialpädagogischen Kompetenzerwerbs“ aufgeweicht werde.

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