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Lauschangriff. Die Radioteleskope des SKA (hier eine Animation für den Antennenpark in Südafrika) ermöglichen es, extrem schwache Signale aus dem All zu registrieren. Astronomen hoffen, damit auch Hinweise auf die Herkunft kosmischer Protonen zu erhalten.

© Abb.: SKA Organisation

Riesenteleskop SKA soll energiereiche Partikel aufspüren: Mit dem Mond auf Teilchenfang

Der Erdtrabant könnte - zusammen mit tausenden Radioteleskopen auf der Erde - Hinweise auf extrem energiereiche Partikel finden. Sicher ist: Sie jagen durchs All - doch keiner weiß genau, woher sie kommen.

Von Rainer Kayser, dpa

Die Idee mutet bizarr an: Astronomen wollen den Mond als Detektor für extrem energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung nutzen. Die Partikel, hauptsächlich positiv geladene Protonen, stellen die Forscher bislang vor ein Rätsel: Wo kommen sie her, wie entstehen sie? Der Erdtrabant könnte – in Kombination mit einer gigantischen Radioteleskop-Anlage auf der Erde – dabei helfen, diese Fragen zu beantworten. Im Schnitt trifft nur nur ein einziges derartiges Teilchen pro Jahrhundert auf einen Quadratkilometer der Erdoberfläche. Um der Herkunft der Partikel auf die Spur zu kommen, müssen die Forscher aber eine große Zahl von ihnen untersuchen, deshalb benötigen sie einen möglichst großen Empfänger.

Prallt ein Teilchen auf Gestein, entsteht ein Puls von Radiostrahlung

Die Idee, den Mond als einen solchen Detektor zu verwenden, ist nicht neu: Schon 1962 schlug der russisch-armenische Physiker Gurgen Askaryan vor, mit Antennen auf dem Mond nach besonders energiereichen Teilchen der kosmischen Strahlung zu fahnden. Er war bei seiner theoretischen Arbeit auf ein neues Phänomen gestoßen: Dringt ein Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in dichtes Material wie Eis oder Gestein ein, so löst es eine ganze Lawine elektrisch geladener Teilchen aus, die wiederum in Bewegungsrichtung einen gebündelten Puls von Radiostrahlung aussendet.

Doch der Bau solcher Antennenanlagen war zur damaligen Zeit völlig illusorisch, und so geriet die Idee wieder in Vergessenheit. Erst Ende der 1980er Jahre tauchte sie in wissenschaftlichen Veröffentlichungen wieder auf. Die Astronomen erkannten, dass sich die Pulse auch mit Radioteleskopen auf der Erde nachweisen lassen sollten. Viele Radio-Observatorien haben seither versucht, die Askaryan-Strahlung vom Mond nachzuweisen. Bislang ohne Erfolg.

Das Teleskop bei Bonn würde nur ein Partikel im Monat messen

„Das Effelsberg-Radioteleskop ist empfindlich genug für einen solchen Nachweis“, sagt Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, das die Anlage betreibt. „Das Problem liegt in der geringen Rate.“ Selbst unter optimistischen Annahmen wäre höchstens ein Radiopuls pro Monat zu erwarten. Entsprechend lang müsste die Messzeit an einem Radioteleskop sein. Doch das ist laut Kramer aussichtslos, da die Instrumente auch für andere Forschungsprojekte benötigt werden.

Bereits in wenigen Jahren könnte sich die Situation allerdings ändern. 2018 beginnt der Bau des „Square Kilometre Array“ (SKA), einer Anlage aus mehreren tausend Radioantennen in Afrika und Australien, die zusammen eine Antennenfläche von einem Quadratkilometer erreichen. Auf einer Fachtagung über das Teleskopvorhaben präsentierte der Astrophysiker Justin Bray von der Universität Southampton unlängst ein internationales Projekt zum Nachweis der lunaren Askaryan-Strahlung mit dem SKA. „Schon in der ersten, 2020 beginnenden Betriebsphase hoffen wir auf eintausend Stunden Beobachtungszeit“, sagt Bray. „Wenn wir in dieser Zeit nur ein einziges Teilchen nachweisen, ist das der Beweis, dass die Methode funktioniert.“

Mögliche Quellen sind explodierende Sterne und die Umgebung Schwarzer Löcher

Der Forscher hofft sogar auf einen größeren Erfolg: den Nachweis mehrerer extrem energiereicher Partikel in Folge, die aus der gleichen Richtung kommen. Das nämlich könnte den Astronomen einen ersten Hinweis darauf geben, woher die rätselhaften Teilchen kommen. Insgesamt treffen in jeder Sekunde etwa 1000 kosmische Partikel auf jeden Quadratmeter der Erdatmosphäre. Sie stammen von der Sonne, von explodierenden Sternen und Neutronensternen. Die Teilchen mit den höchsten Energien kommen vermutlich aus der Umgebung supermassiver Schwarzer Löcher in fernen Galaxien.

Doch diese Erklärung stößt oberhalb einer Energie von 8 Joule an eine Grenze. Die kosmische Hintergrundstrahlung, gelegentlich auch als „Echo des Urknalls“ bezeichnet, bremst Teilchen mit höherer Energie über eine Strecke von „nur“ 160 Millionen Lichtjahren ab. Als die US-Forscher John Linsley und Livio Scarsi 1962 das erste kosmische Teilchen mit einer Energie von 16 Joule nachwiesen, standen die Astronomen daher vor einem Dilemma. In unserer Milchstraße gibt es keine bekanntes Objekt, das solche Energien erzeugen könnte. Aus der Tiefe des weiter entfernten extragalaktischen Weltraums jedoch können solche Partikel der Theorie zufolge nicht zu uns gelangen.

Manche Partikel haben wesentlich mehr Energie als die Theorie erlaubt

Mit ihren irdischen Detektoren registrieren die Wissenschaftler inzwischen pro Jahr rund 15 kosmische Teilchen, die das theoretische Limit überschreiten. Bei manchen Partikeln haben die Detektoren eine Energie von bis zu 50 Joule gemessen. Das entspricht der Energie eines kräftig aufgeschlagenen Tennisballs mit einer Geschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde, konzentriert in einem einzigen Proton. Wenn das SKA 2027 vollkommen fertiggestellt ist, könnte es mithilfe des Mondes die zehnfache Menge an extrem energiereichen Teilchen registrieren, schätzt Bray. „Damit haben wir eine hervorragende Chance, ihrem Ursprung auf die Spur zu kommen.“

Natürlich stehen Bray und seine Kollegen auch beim SKA in Konkurrenz zu anderen Forschungsgruppen. Doch der Bonner Radioastronom Michael Kramer sieht gute Aussichten, die Idee zu verwirklichen. „Der Vorteil beim SKA wäre, dass man problemlos mit einem Teil der Anlage den Mond beobachten könnte, während der Rest des Arrays von anderen Wissenschaftlern genutzt werden kann.“ Auf der Fachtagung fand Brays Vorschlag denn auch positive Resonanz. Die Identifizierung der Quellen der kosmischen Teilchen könnte den Astronomen neue Erkenntnisse über die energiereichsten Prozesse im Kosmos liefern – oder gar zur Entdeckung bislang unbekannter Phänomene führen.

Welche Fragen der Teleskopverbund noch beantworten kann und wie das am besten gelingt, dazu haben jetzt Astronomen mehrere Konzepte erarbeitet und auf der Onlineplattform "Arxiv.org" veröffentlicht.

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