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Von Hilfskräften betreut. Die Zahl der Lehrenden an den Hochschulen stieg seit 2001 um 85 Prozent, die der Professoren jedoch nur um 14 Prozent.

© dpa

Run auf die Unis: Deutsche Studierende sind schnell und billig

Studierendenrekord: Zwar sind die Hochschulen so voll wie noch nie. Doch die Lehre kostet immer weniger, und Langzeitstudierende gibt es kaum noch.

In Deutschland gibt es so viele Studierende wie nie zuvor, nämlich 2,5 Millionen. 2001 waren es erst 1,9 Millionen. Jedes Jahr drängen mehr Schulabgänger an die Hochschulen. Denn auch die Zahl der Abiturienten wächst. Im vergangenen Jahr haben 57 Prozent eines Altersjahrgangs die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben. Damit ist die Zahl der Studienberechtigten seit 2001 um knapp die Hälfte gestiegen.

Was bedeutet diese Bildungsexpansion, die zusätzlich durch doppelte Abiturjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht verstärkt wird, für die Hochschulen? Das Statistische Bundesamt präsentierte dazu am Mittwoch in Berlin neue Daten, etwa zum zügigen Tempo der Studierenden. Jeweils 91 Prozent der Bachelor- und Masterabsolventen haben ihr Studium „in der Regelstudienzeit plus zwei Semester“ abgeschlossen. Diese Frist wird Studierenden eingeräumt, die Bafög beziehen. Bei den herkömmlichen Diplom- oder Staatsexamensstudiengänge schafften das nur 76 Prozent. Ganz ohne die sechs- bis achtsemestrige Regelstudienzeit im Bachelor zu überziehen schafften es immerhin 53 Prozent. Im meist zweijährigen Master ist es etwa die Hälfte. Doch über alle Studiengänge hinweg waren es nur 39 Prozent, die alten Studiengänge senken den Schnitt.

Die Umstellung auf die neuen Studiengänge, die vor zehn Jahren begann, ist mittlerweile weit fortgeschritten, bis auf die nicht oder nur teilweise umgestellten Staatsexamensstudiengänge. Gut drei Viertel (77 Prozent) der eingeschriebenen Studierenden streben einen Bachelor- oder Masterabschluss an.

Unter welchen Bedingungen wird heute studiert? Mit dem befristeten Hochschulpakt von Bund und Ländern können die Hochschulen kaum Professuren schaffen. So beschäftigen sie zwar im Jahr 2011 rund 50 Prozent mehr wissenschaftliches und künstlerisches Personal als noch vor zehn Jahren. Doch auf eine Lehrkraft kommen in Zeiten des Booms schon 15,9 Studierende, mehr als im Jahr 2008 (15,2). Und die Zahl der Professorinnen und Professoren stieg nur um 14 Prozent, die der anderen nebenberuflich tätigen Lehrkräfte und der wissenschaftlichen Hilfskräfte aber um 85 Prozent.

Diese Lehrkräfte sind nicht teuer. Darum sanken die Ausgaben pro Student an den Universitäten gegenüber dem Jahr 2000 um 5,5 Prozent, an den Fachhochschulen sogar um 17,8 Prozent. Der Deutsche Hochschulverband hat kürzlich angesichts der bis 2013/14 prognostizierten Zahl von 2,7 Millionen Studierenden gefordert, Bund und Länder müssten 7000 zusätzliche Professuren schaffen.

Der Zustrom an die Hochschulen dürfte trotz des demografischen Wandels auch in den kommenden Jahren noch anhalten. So nahmen 2011 schon 46 Prozent aller Schulabgänger mit Hochschulreife noch im selben Jahr ein Studium auf, 2010 waren es gut 38 Prozent, vier Jahre zuvor erst 30 Prozent. An den Absolventen von 2009 lässt sich ablesen, was auch in Zukunft auf die Hochschulen zukommt: Innerhalb von zwei Jahren hatten sich 65 Prozent an einer Hochschule eingeschrieben. 2001 waren es erst 59 Prozent. In der Folge erreichte die Zahl der Studienanfänger im vergangenen Jahr das Allzeithoch von 518 700, das waren 50 Prozent mehr zehn Jahre zuvor. An den Fachhochschulen, die von den Ländern prioritär ausgebaut wurden, waren es sogar 84 Prozent.

Leicht gestiegen ist auch der Anteil ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen – von 7,6 Prozent (2001) auf aktuell 8,1 Prozent. An Berliner Hochschulen ist der Anteil von Studierenden ohne deutschen Pass mit 13 Prozent bundesweit am höchsten.

Gleichzeitig verdoppelte sich die Zahl der deutschen Studierenden an Hochschulen im Ausland. Das Studienjahr 2001 verbrachten erst 2,9 Prozent der deutschen Studierenden im Ausland, 2010 waren es schon 5,7 Prozent.

Aus der Sicht des Deutschen Studentenwerks reagieren Bund und Länder nicht angemessen auf den Studierendenrekord. Sie hätten „keinen Cent zusätzliche Mittel“ für die soziale Infrastruktur bereitgestellt, erklärte Dieter Timmermann, der Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW) am Mittwoch in Berlin anlässlich der Jahresversammlung des DSW. Das Studentenwerk fordert ein Bund-Länder-Programm, mit dem 25 000 neue Wohnheimplätze geschaffen werden sollen. Dafür solle der Staat einen Förderanteil von 660 Millionen Euro ausgeben. Für den Ausbau von Mensen und Bistros an den Hochschulen seien weitere 200 Millionen Euro nötig.

Timmermann betonte, die Länder seien gegenüber den Studentenwerken „in der Fürsorgepflicht“. Den Großteil ihrer Zuschüsse erwirtschafteten die Studentenwerke selbst, nämlich zwei Drittel. Der Anteil der Länder sei in den vergangenen zwanzig Jahren gesunken: von 25 auf nur noch zehn Prozent. „Der Rückzug der Länder aus der sozialen Verantwortung muss aufhören“, sagte Timmermann.

Das Studentenwerk fordert zudem, dass das Bafög in Zukunft automatisch an Preis und Einkommen angepasst wird. Altersgrenzen müssten gestrichen werden, das Bafög müsse auch während des Übergangs vom Bachelor in den Master weiter fließen. Studierende in Teilzeitstudiengängen und dualen Studiengängen müssten ebenfalls bafögberechtigt sein. Staatliche Leistungen für die Familie wie das Kindergeld sollten direkt an die Auszubildenden gezahlt werden.

Auch die Begrenzung der Regelstudienzeit auf zehn Semester bis zum Master will das Studentenwerk aufheben: „Wenn ein Bachelor-Studiengang mit guten Gründen auf acht Semester angelegt ist, kann man von diesen Absolventinnen und Absolventen nicht verlangen, dass ein nachfolgendes Master-Studium höchstens noch zwei Semester dauern darf“, erklärte Achim Meyer auf der Heyde, der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.

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