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Schneller bauen. Noch gibt es in „Skolkovo“ kein einziges Gebäude. Schon im Jahr 2015 soll der Campus vor den Toren Moskaus aber in Betrieb genommen werden.

© Simulation: Herzog und de Meuron/promo

Russland: Moskaus Superuni

Russland stampft vor den Toren Moskaus die Wissenschaftsstadt "Skolkovo" aus dem Boden. Bis zu 30 000 Menschen sollen dort forschen, studieren und leben, Spitzenforscher aus aller Welt angelockt werden. Auch Berliner Unis sind mit dabei.

Russland baut eine Superuni. In nur wenigen Jahren, bis 2015, soll gleichsam aus dem Nichts eine Wissenschaftsstadt vor den Toren Moskaus entstehen: „Skolkovo“. Zwischen 20 000 und 30 000 Menschen sollen hier arbeiten und leben, darunter Master-Studierende und Doktoranden. Der Staat will dafür jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar ausgeben, in den kommenden drei Jahren zusätzlich fast zwei Milliarden Dollar für die Infrastruktur.

Ein Schwimmbad gehört dazu, genau wie eine S-Bahn-Anbindung. Das erste Gebäude soll bereits in diesem Jahr stehen. Unternehmen aus der ganzen Welt werden mit Steueranreizen dazu bewegt, sich in Skolkovo anzusiedeln und aus Forschungsergebnissen Hightech-Produkte für den Weltmarkt zu entwickeln. Bereits 400 Firmen haben Kooperationsverträge unterschrieben, darunter SAP und Siemens. Forscher sollen mit Gehältern gelockt werden, die mit denen an amerikanischen Spitzenunis mithalten. Skolkovo soll eine eigene Welt werden, eine Welt, in der die Gesetze der schwerfälligen russischen Wissenschaft und der russischen Bürokratie außer Kraft gesetzt sind.

Skolkovo ist die Idee des scheidenden russischen Präsidenten (und vermutlich künftigen Regierungschefs) Dmitri Medwedew. Er leitet selbst den Aufsichtsrat der „Skolkovo Foundation“, über die die Mittel fließen. An der Modellstadt will Medwedew neue Wege in Wissenschaft und Wirtschaft erproben. Bald könnte es auch ein Skolkovo in Nowosibirsk oder Jekaterinburg geben: „Russlands Rohstoffe gehen irgendwann zur Neige. Die Regierung verfolgt mit Skolkovo ein strategisches Ziel“, sagt Dieter Bimberg, Direktor des Zentrums für NanoPhotonik der TU Berlin und Mitglied des „Scientific Advisory Councils“ von Skolkovo.

Wie ernst es den Russen damit ist, zeigt schon die hochrangige Besetzung des Councils. Die Vorsitzenden sind zwei Nobelpreisträger: Roger Kornberg, Chemieprofessor in Stanford, und der Physiker Zhores I. Alferov, jetzt Vizepräsident der russischen Akademie der Wissenschaften. Sie traten am vergangenen Freitag gemeinsam mit Bimberg an der TU vor die Presse: „Die Wissenschaftsstadt wird die Hochtechnologie und die Spitzenwissenschaft in Russland wiederauferstehen lassen“, sagte Alferov. Russland müsse jetzt aufholen, was es in den vergangenen 25 Jahren verpasst hat. Kornberg sprach sogar von einer „Revolution“ für die russische Wissenschaft. Auch der ehemalige Charité-Chef Detlev Ganten und Siegfried Dais von der Robert Bosch GmbH gehören dem Council an.

In Berlin verabredeten die Vertreter Skolkovos Kooperationen mit der TU und den Wissenschaftsparks in Adlershof und Buch. Konkrete gemeinsame Projekte würden derzeit erarbeitet, sagte TU-Präsident Jörg Steinbach. Die Russen sollen von dem TU-Zentrum für Entrepreneurship profitieren. Dort weiß man, wie aus wissenschaftlichen Entdeckungen schnell Geschäfte werden: im Bereich der Energie, der Informationstechnologie, der Raumfahrt und der Biomedizin. Skolkovo soll zudem die friedliche Nutzung der Nukleartechnik stärken. Dabei will die TU aber nicht mitmachen.

Als Präsident Medwedew im Jahr 2009 Russlands Bedarf nach einer großen Wissenschaftsstadt in einer Grundsatzrede formulierte, nannte er das kalifornische Silicon Valley als Beispiel, sprach aber auch von anderen ähnlichen Zentren der Wissenschaft. Die 35-köpfige Skolkovo-Delegation, die jetzt Berlin besuchte, – laut Bimberg die „Crème de la Crème“ der russischen Wissenschaft – sieht nun anregende Vorbilder auch in den Wissenschaftsparks Adlershof und Buch. Die Russen sind keineswegs auf die USA fixiert, sagt Bimberg. Vermutlich sei Berlin schon deshalb das bessere Beispiel, weil der Staat hier in Wirtschaft und Spitzenforschung eine noch größere Rolle spiele. Bimberg selbst hat die Kooperation mit den Russen eingefädelt, er kooperiert wissenschaftlich seit fast 40 Jahren mit Russland, ist Mitglied der russischen Akademie der Wissenschaften. Hardy Schmitz vom Campus Adlershof sagte, unter den Forschern seines Wissenschaftsparks würden viele Russisch sprechen, was die Zusammenarbeit vereinfache: „Vielen ist es eine Herzensangelegenheit, die Verbindungen nach Russland zu stärken.“

Russland ist nicht das einzige Land, das massiv in die Wissenschaft investiert. China und die Emirate Arabiens stampfen Forschungsparks in ähnlichen Dimensionen aus dem Boden. Alexei Beltyukov, der Vizepräsident der Stiftung, sagte, er sei sich der weltweiten Konkurrenz durchaus bewusst. Für Moskau spreche nicht nur die hervorragende Ausstattung, die Wissenschaftlern geboten würde. Internationale Partner würden auch angelockt, weil sie über Skolkovo einen Zugang zum riesigen russischen Markt vor allem im Energiebereich bekämen.

Was geschieht mit Medwedews Wissenschaftsstadt, wenn einmal eine andere Partei regieren sollte? „Wir sind nicht davon abhängig, wer Präsident wird“, sagt Nobelpreisträger Alferov. Die deutsche Seite hält sich mit politischen Bewertungen zurück. Etwa bei der Frage, ob es in Russland ein anderes Verständnis von Wissenschaftsfreiheit geben könnte als hierzulande. Es stehe ihm nicht zu, andere Länder politisch zu belehren, sagt Dieter Bimberg. Er empfehle, nach dem Motto der deutschen Ostpolitik in den siebziger und achtziger Jahren zu handeln: „Wandel durch Annäherung“.

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