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Sabine Kunst, neue Präsidentin der Humboldt-Universität.

© dpa/picture-alliance

Sabine Kunst bald an der Humboldt-Universität: Brandenburger Ministerin will HU leiten

Nach langen Querelen findet die Humboldt-Universität eine Kandidatin für das Amt der Präsidentin. Die SPD-Politikerin Sabine Kunst bringt viel Erfahrung im Hochschulmanagement mit.

Sabine Kunst, Brandenburgs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, will Präsidentin der Humboldt-Universität (HU) werden. Das Kuratorium der HU stellte die SPD-Politikerin, die in diesem Monat 61 Jahre alt wird, am Freitag als einzige Kandidatin auf, mit sieben Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme. Im Januar könnte sie vom Konzil der Uni gewählt werden. Wann Kunst ihr Ministeramt in Brandenburg niederlegt und ihren Posten an der HU antritt, ist noch nicht bekannt.

Die HU suchte quälend lang nach einer neuen Leitung

Hinter der Humboldt-Universität liegt eine quälend lange Phase der Präsidentensuche. Im November schien mit dem Würzburger Mediziner Martin Lohse der richtige Kandidat gefunden. Doch Lohse zog überraschend zurück. Er erklärte, er fühle sich abgeschreckt vom hohen  Reformbedarf in der Verwaltung der HU, zumal die Uni sich trotzdem weigere, ihre Leitung durch einen Kanzler zu professionalisieren. Der an der HU nicht durchsetzbare Kanzler war auch der Grund für den Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz, nicht noch einmal zu kandidieren. Lohse bewarb sich jedoch zeitgleich um die Leitung des Max-Delbrück-Centrums (MDC) in Berlin-Buch. Nach unbestätigten Tagesspiegel-Information soll sich der Aufsichtsrat des MDC in der vergangenen Woche denn auch für Lohse entschieden haben.

Sabine Kunst gilt als durchsetzungsfähig

Kunst, Professorin für Biologische Verfahrenstechnik, lässt sich von der Verwaltung der HU nicht abschrecken. Sie hat viel Leitungserfahrung, gilt als durchsetzungsfähig und wurde 2011 vom Centrum für Hochschulentwicklung und der „Financial Times Deutschland“ zur „Hochschulmanagerin“ des Jahres gewählt. Bevor der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck die damals noch parteilose Kunst im Jahr 2011 in sein Kabinett holte, war sie Präsidentin des renommierten Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), leitete vier Jahre die Universität Potsdam und war Mitglied im Rundfunkrat des RBB. Davor war Kunst Vizepräsidentin der Uni Hannover. Mit ihrer Bewerbung um das Rektorenamt in Leipzig scheiterte sie 2011. Als Ministerin sitzt Kunst der Verwaltungskommission der Länder im Wissenschaftsrat vor. Mit einem Ehrendoktor würdigte die Amercian Jewish University Los Angeles Kunsts Engagement für die Einrichtung des Studiengangs Jüdische Theologie an der Universität Potsdam.

Gegen erhebliche Widerstände setzte Kunst in Brandenburg die Hochschulfusion um

Kunst ist keineswegs konfliktscheu. Als Ministerin in Brandenburg setzte sie vor drei Jahren gegen erhebliche Widerstände die Fusion der BTU Cottbus mit der Hochschule Lausitz durch. Nachdem der designierte Gründungspräsident der neuen Hochschule BTU Cottbus-Senftenberg, der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Jochen Zimmermann, im Streit absagte, forderten die CDU-Opposition und der damalige Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) Kunsts Rücktritt.

"Mit Argumenten überzeugen"

Wird Kunst besser als ihr Vorgänger mit den Gremien der Humboldt-Uni klarkommen? In der Regel strebe sie eine „Koalition der Vernunft“ an, hat Kunst einmal erklärt. „Das bedeutet auch, anderen zuzuhören, auf andere zuzugehen und mit Argumenten zu überzeugen.“ Pflegt sie diesen Stil, käme das an der Humboldt-Uni sicher gut an. Dort muss Kunst nicht nur die Verwaltungsreform anpacken und die Fakultätsreform begleiten, sondern nach den Querelen auch das Gemeinschaftsgefühl neu beleben. Schließlich muss die HU sich für die nächste Runde in der Exzellenzinitiative zusammenraufen.

Die HU steht vor Herausforderungen

Zugleich steht die HU womöglich vor neuen Verteilungskämpfen, wenn sie für ihren Strukturplan die Zahl der Professoren in den einzelnen Fachgebieten festlegen muss. Außerdem beginnen im kommenden Jahr die Verhandlungen über die Hochschulverträge mit dem Berliner Senat. Wenn Kunst  mit den Präsidenten der TU und der FU geschlossen auftritt, steigert das die Chancen, mehr beim Finanzsenator herauszuholen.

Als Präsidentin der Uni Potsdam hat Kunst sich für Freiheiten im Bachelorstudium eingesetzt, damit Auslandsaufenthalte möglich werden. Kunst hat selbst immer wieder im Ausland geforscht, in Südafrika, Bolivien, Peru, Mexiko, Costa Rica, Brasilien und Sibirien.

"Ein Fach war mir zu langweilig", sagt Kunst

Auch wissenschaftlich war sie mobil. Als Studentin kombinierte sie Biologie und Chemie mit Politologie und Philosophie und sattelte gleich im Anschluss ein zweites Studium in Wasserbauingenieurwesen auf. Nebenbei musste sie trotz eines Bafög-Darlehens kellnern und als studentische Hilfskraft arbeiten, denn drei ihrer sechs Geschwister waren zur gleichen Zeit in der Ausbildung. Im Jahr 1982 wurde sie in Hannover zur Dr.-Ing. in Umweltbiotechnologie mit einer Arbeit zur anaeroben Industriewasserreinigung promoviert und 1990 mit einer Arbeit über Technikbewertung zur Dr. phil. in Politikwissenschaften promoviert – zeitgleich mit der Habilitation am Fachbereich Bauingenieur- und Vermessungswesen der Uni Hannover. „Wahrscheinlich ist mir ein Fach zu langweilig“, hat Kunst einmal erklärt. Ingenieure würden in der praktischen Anwendung ihrer Forschung oft soziale, kulturelle oder politische Aspekte übersehen.

Würde Kunst von der HU gewählt, wäre die Mutter von drei erwachsenen Kindern, die mit ihrem Mann in Werder an der Havel wohnt, in der Berliner Universitätsgeschichte erst die zweite Frau, die eine Uni leitet – nach Marlis Dürkop, die von 1992 bis 1996 Präsidentin der Humboldt-Universität war.

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