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Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

TURNERS Thesen: Schluss mit der Titelhuberei

Der Fall Guttenberg hat auch seine guten Seiten: Alle, die an Publikationen, seien es Dissertationen oder sonst zur Veröffentlichung bestimmten Texten arbeiten, werden ein erhöhtes Bewusstsein dafür entwickeln, wie bei der Nutzung fremder Schriften und Ideen korrekt vorzugehen ist. Die Affäre „KT“ hat hoffentlich noch einen anderen Effekt: Die Titelgläubigkeit dürfte um einige Grade auf der Skala der Wertschätzung gesunken sein.

Der Fall Guttenberg hat auch seine guten Seiten: Alle, die an Publikationen, seien es Dissertationen oder sonst zur Veröffentlichung bestimmten Texten arbeiten, werden ein erhöhtes Bewusstsein dafür entwickeln, wie bei der Nutzung fremder Schriften und Ideen korrekt vorzugehen ist. Die Affäre „KT“ hat hoffentlich noch einen anderen Effekt: Die Titelgläubigkeit dürfte um einige Grade auf der Skala der Wertschätzung gesunken sein.

Es sind ja nicht nur die in ordentlichen Promotionsverfahren erworbenen, lebenslänglich als Etikett haftenden Dr.-Grade, die, wenn auch nicht in Misskredit geraten, so doch hinterfragt werden. Hier mag sich das eine oder andere schwarze Schaf durchgemogelt und auch nicht alle Betreuer mögen immer größte Sorgfalt angewendet haben. Deutlich geworden ist, was es ansonsten für eine Titelhuberei gibt. Damit sind nicht nur windige Promotionsberater und vor allem im osteuropäischen Ausland „erworbene“ Titel gemeint. Ins Visier gerückt sind auch die von deutschen Hochschulen verliehenen Titel. Der Dr. h.c., ursprünglich als Anerkennung für wissenschaftliche Leistungen gedacht, ist längst ein Mittel, sich für finanzielle Förderungen erkenntlich zu zeigen. In solchen Fällen wäre der Senator h. c. oder Ehrenbürger angebrachter.

Angestrebt und vergeben aber wird der Dr. Er putzt eben doch ganz ungemein. Im Laufe der Zeit wird dann auch das „h. c.“ als überflüssig empfunden. Es wäre schon dienlich, wenn Grundsätze aus dem Geschäftsleben praktiziert würden: Firmenwahrheit und Firmenklarheit. Das gilt auch für den „Professor“. Neben Universitätsprofessoren gibt es solche, bei denen der Zusatz „apl.“ deutlich macht, dass die Position außerplanmäßig ist; der Ehrenprofessor bzw. Honorarprofessor sollte auch so bezeichnet werden. Zurückhaltung bei der Verwendung insbesondere im Ausland erworbener Dekors würde geübt werden, wenn die Herkunft anzugeben wäre. Wer will schon mit dem Dr. aus dem kirgisischen Posemuckel herumlaufen.

Die (Hoch-)Achtung der Deutschen vor Titeln ist offenbar höher als vor Leistungen, wobei österreichische Verhältnisse wohl noch nicht erreicht sind. Dabei ist der in einem regulären Promotionsverfahren erworbene Dr. in aller Regel die Anerkennung einer Leistung. Damit das so bleibt, darf er weder inflationiert, etwa durch ein Promotionsrecht der Fachhochschulen, noch abgewertet werden, indem er ergoogelt wird. Fakultätsorgane: Übernehmen Sie.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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