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Im europäischen Schulbüchern werden Muslime und ihre Gesellschaften verallgemeinert und als weniger entwickelt dargestellt.

© dpa

Bis zur Unkenntlichkeit vereinfacht: Schulbücher stellen den Islam falsch dar

Schulbücher zeigen den Islam und muslimische Gesellschaften als rückständig, so die Ergebnisse einer neuen Studie. Häufig werden alle Moslems über einen Kamm geschert. Doch die Darstellung war schon mal schlimmer.

Schulbücher stellen den Islam vereinfacht dar und liefern somit ein verzerrtes Bild seiner Vergangenheit und Gegenwart. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung (Braunschweig), die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Untersucht wurde das durch Geschichts- und Politikbücher vermittelte Bild des Islam in Europa. Neben deutschen Schulbüchern nahmen die Forscher auch österreichische, englische, französische und spanische unter die Lupe. Das Fazit: Muslime würden in allen fünf Ländern als ein überwiegend religiös markiertes Kollektiv außereuropäischer „Anderer“ dargestellt. Dabei werde kaum zwischen dem Islam als religiösem Modell und muslimisch geprägten kulturellen und politischen Praxen unterschieden.

„In vielen untersuchten Werken wird der Islam und die islamische Welt sehr homogen dargestellt“, sagt Susanne Kröhnert-Othmann, Projektleiterin der Studie. Vor allem aber erschienen Religion und Gesellschaften als „altmodisch“. Oft entstehe der Eindruck, ein „antiquiertes Wertesystem“, das sich Muslime im Mittelalter angeeignet hätten, bestehe konstant bis zum heutigen Tage und fände in allen islamisch geprägten Ländern im gleichen Maße Anwendung.

Anlass für die Studie war die aktuelle Integrations-Debatte. Doch auch der islamistische Terrorismus spielte sowohl als Hintergrund als auch bei der Untersuchung selbst eine Rolle, heißt es in der Studie. In den Schulbüchern gebe es Ansätze, den radikalen Islamismus im Gesamtkontext des Terrorismus darzustellen, „um ihm das singuläre Element zu nehmen“, sagt Kröhnert-Othmann. So habe beispielsweise ein Buch aus Österreich in seinem 9/11-Kapitel auf die sonst übliche großflächige Bebilderung mit den brennenden Türmen verzichtet und stattdessen die Opfer der Anschläge und des anschließenden „War on Terror“ in den Vordergrund gerückt.

Bei aller Kritik stellten die Autoren aber heraus, dass es Tendenzen zu einer stärkeren Differenzierung bei der Darstellung des Islam gibt, seit eine letzte vergleichbare Studie in den 80er Jahren veröffentlicht wurde. Damals untersuchten die Schulbuchexperten allerdings nur deutschsprachige Schulbücher.

Der Markt ist nahezu unüberschaubar: Allein hierzulande sind 1 500 Geschichts-, Politik- und Gesellschaftskunde-Bücher im Einsatz, in ganz Europa ein Vielfaches davon. Die aktuelle Studie hat sich überwiegend auf 27 Bücher gestützt. So sind die nun vorliegenden Ergebnisse nicht repräsentativ, geben allerdings eine Idee davon, welche Änderungen nötig wären. Kritisch gesehen wird auch der „Eurozentrismus“, also das Verständnis von Weltgeschichte als einer Ausbreitung westlicher Errungenschaften. Diese Sichtweise sei für Lehrwerke noch immer prägend, heißt es.

Nach einer Untersuchung zum Afrika- Bild in deutschen Lehrmaterialien habe ihr Institut in den folgenden Buchgenerationen durchaus eine Verbesserung festgestellt, sagt Direktorin Simone Lässig. Schulbücher sind ihrer Meinung nach übrigens „Massenmedien“ – wenn auch welche mit ziemlich langer Reaktionszeit.

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