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Wissen: Schulen, die etwas gut machen

Ein Pisa-Film zeigt Modellprojekte weltweit

Der Aufschrei war groß, als der deutsche Pisa-Koordinator Andreas Schleicher im vergangenen November die Freude über das verbesserte Abschneiden der deutschen Schüler dämpfte: Es sei nicht sicher, dass sie sich tatsächlich verbessert hätten, da ein Vergleich mit den früheren Studien aus methodischen Gründen kaum möglich sei. Deutsche Bildungspolitiker sahen sich um die Lorbeeren ihrer Reformpolitik gebracht und forderten den Rücktritt des „Miesmachers“. Diesen Ruf möchte Schleichers Arbeitgeberin, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), loswerden: Ein neuer Film soll zeigen, „wie Bildungsarbeit weltweit gelingt“ – auch in Deutschland.

Mit Skalpell und Schere schneiden zwei Schülerinnen Teile der Aorta eines Schweineherzens ab – Sezierkurs am Friedrich-Schiller-Gymnasium im schwäbischen Marbach. Die Schule gilt als Musterbeispiel für gelungenen Unterricht, 2007 wurde sie mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet. Jetzt zählt sie zu den Schulen, die im Film „Wissen der Zukunft“ vorgestellt werden. Der Bildungsjournalist Paul Schwarz hat dafür Schulen in Finnland, Japan, Kanada, Mexiko und Deutschland besucht.

Der Streifen soll laut OECD Schulen zeigen, die neue Konzepte für den Unterricht in Naturwissenschaften erfolgreich umgesetzt haben. Zu sehen sind Schüler mit weißen Kitteln und Schutzbrillen, die beispielsweise Stromkreise aufbauen oder Wasserproben auf Ionen testen. Solche Experimente sehen auf der ganzen Welt ähnlich aus – und gehören an vielen deutschen Schulen schon lange vor Pisa zum Standardprogramm.

Interessanter ist der Film, wenn es um strukturelle Unterschiede geht: Die finnischen Gesamtschulen, deren intensive Förderkultur kein Sitzenbleiben zulässt. Japanische Schulen, die als sozialer Raum organisiert sind – und deren Lehrerzimmer auch für Schüler keine Tabuzonen darstellen. Kanada, wo es gelingt, soziokulturelle Unterschiede an der Schule abzubauen und Schüler mit Migrationshintergrund an weiterführenden Schulen zu unterrichten. Und mexikanische Schulen, die unter schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen einen guten Unterricht hinbekommen.

„Alle kommen ans Ziel – das ist der Anspruch“ lautet die Leitidee des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums, das seine Schülerzahl binnen 15 Jahren auf fast 2000 verdoppelt hat. Hier wurde das Fach „Naturwissenschaft und Technik“ erfunden – der Mix aus Chemie, Physik, Biologie und Geowissenschaften wird heute in ganz Baden-Württemberg unterrichtet. Es gibt „internationale Klassen“, in denen Englisch gesprochen wird. Chinesisch wird als zweite Fremdsprache angeboten. Durch individuelle Förderung versucht die Schule alles, um auch schwächere Schüler am „FSG“ zu halten.

Aber taugt ein Gymnasium als Musterschule? Eine Gesamtschule nach bisherigem Modell will Schulleiter Günter Offermann jedenfalls nicht: „Erst gleichmachen, um später wieder zu differenzieren – das kann es nicht sein.“ Vielmehr müsse es darum gehen, zwischen Gymnasien, Real- und Hauptschulen „Mauern einzureißen“ und die Durchlässigkeit zu erhöhen. In Marbach versuche man das etwa durch eine gemeinsame Mensa, gemeinsame Ganztagsbetreuung, Hausaufgabenhilfe und die Möglichkeit für Realschüler, Sprachkurse am Gymnasium zu besuchen. Es gebe aber auch politische Hürden: So werde der von ihm geplante schulübergreifende Ruder-Achter von anderen Bundesländern torpediert, die die Konkurrenz einer solchen Auswahl fürchten. Günter Bartsch

Der Film ist als DVD beim Beltz-Verlag für 19,90 Euro erhältlich.

Informationen im Internet:

www.beltz.de/katalog/buch.asp?ISBN=3-407-62621-5

Günter Bartsch

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