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Ein Mann packt eine Frau am Handgelenk, sie dreht sich weg.

© picture alliance / dpa

Schutz für Kinder: In der Kita über sexualisierte Gewalt sprechen lernen

Schon Kita-Kinder sollen spielerisch lernen, ihre Gefühle und ihr Körperempfinden zur Sprache zu bringen. Der Bund fördert das Projekt im Forschungsprogramm zu sexualisierter Gewalt.

Resi und Ralf ziehen sich gern in eine kleine Ecke neben dem Kamin zurück, wenn sie bei Onkel und Tante zu Besuch sind. Die Tante knuddelt und küsst sie mehr, als den beiden lieb ist. Natürlich geht es bei diesen liebevoll gemeinten, aber unerwünschten Zärtlichkeiten nicht um Missbrauch und sexuelle Belästigung. Resi und Ralf sind auch keine Menschenkinder, sondern kleine Katzen. Kuscheltiere, mit denen im Rahmen des Forschungsprojekts „Resilienz und Sicherheit“ (ReSi) schon 436 Kinder zwischen drei und sechs Jahren in verschiedenen Kitas Bekanntschaft gemacht haben.

Am Dienstag stellten die Projektleiterinnen Simone Pfeffer und Christina Storck von der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Technischen Hochschule Nürnberg die Ergebnisse auf der Tagung „Schutz, Prävention, Therapie – Forschung zu sexualisierter Gewalt“ in Berlin vor.

Der "Runde Tisch" hatte das Programm empfohlen

Ihr Projekt ist eines von über 50 Forschungsvorhaben, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2011 mit insgesamt rund 38 Millionen Euro und fünf Juniorprofessuren gefördert hat. Dazu gehören auch Untersuchungen, die sich mit Prävention und adäquaten Reaktionen in Schule, Sport und Behindertenhilfe beschäftigen, Studien aus dem Bereich der Gesundheitsforschung und der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Die Politik folgt damit den Handlungsempfehlungen, die im Abschlussbericht des nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in verschiedenen Schulen eingerichteten „Runden Tischs“ im Jahr 2011 formuliert worden waren. „Alle Forschungsvorhaben, die wir fördern, sind sehr praxisorientiert“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. „Wir haben schließlich die Verantwortung dafür, dass ein Transfer in den Alltag erfolgt.“

Im Forschungsverbund „Canmanage“ der Universität Ulm konnte zum Beispiel wissenschaftlich belegt werden, dass Kindern und Jugendlichen, die schon Opfer von Misshandlungen und Missbrauch geworden sind, wesentlich effektiver geholfen werden kann, wenn Gesundheitssystem, Jugendhilfe und Justiz eng zusammenarbeiten.

Kultursensible Ansätze: Es soll auch um "Kinderehen" gehen

Alle Antragsteller für die neue Förderlinie, die nun beginnt, sind gebeten, ihre Vorstellungen für eine solche Umsetzung gleich zu Beginn mitzuliefern. 16 Millionen Euro soll es in dieser neuen Linie für die Gesundheitsforschung, neun Millionen für die pädagogische Forschung geben. Wanka betonte, dass in vielen der Projekte auch kultursensible Ansätze entwickelt werden. In diesem Zusammenhang scheute sie auch ein klares Wort zur heiklen Thematik der in anderen Ländern geschlossenen „Kinderehen“ nicht. Noch sei nicht klar, wie viele betroffene junge Mädchen schon in Deutschland angekommen sind. Klar aber sei etwas anderes: „Es kann mit der Menschenwürde nicht vereinbart werden, dass zwölf- oder 13-jährige Mädchen geschwängert werden dürfen – auch wenn sie einen Ring am Finger haben.“

Prävention mit "Resi und Ralf": Wirksamkeit in der Kita nachgewiesen

Die jüngeren Geschwister dieser Mädchen werden möglicherweise bald schon in der Kita mit den Kätzchen Ralf und Resi Bekanntschaft machen. Denn inzwischen ist das Konzept ReSi wissenschaftlich validiert. Die Kinder der teilnehmenden Kitas wurden dafür nach dem Zufallsprinzip einer ReSi- und einer Kontrollgruppe zugeteilt. In Interviews mit den Kindern wurde danach festgestellt, dass Vorschulkinder, die die in einem Manual zusammengestellten Spiele und Übungen in ihrer Kindergartengruppe mit ihren Erzieherinnen zusammen gemacht hatten, eigene und fremde Gefühle und Körperempfindungen besser erkennen und einschätzen konnten und dass ihnen bessere sprachliche Ausdruckmöglichkeiten zur Verfügung standen – auch um zu sagen, was sie nicht möchten. „Das sind Wirkungen, die sich auf das Programm zurückführen lassen“, sagt Simone Pfeffer.

Sieben Gesprächsversuche, bis Missbrauch ernst genommen wird

Und es sind Fähigkeiten, die die Kinder in Zukunft ein Stück weit vor Übergriffen schützen könnten. Man wisse inzwischen, wie wichtig es zur Prävention ist, dass Kinder sprachlich Grenzen ziehen können und über Vorgefallenes reden können. „Untersuchungen zeigen, dass betroffene Heranwachsende bis zu siebenmal versuchen, sich Erwachsenen mitzuteilen und über einen unangenehmen Vorfall zu berichten, ehe sie endlich ernst genommen werden.“

Der Soziologin ist es aber wichtig, dass die ganz Kleinen in Projekten wie ReSi nicht explizit mit dem Thema Missbrauch konfrontiert und belastet werden. Weder sie noch ältere Kinder sollten zudem Suggestivbefragungen ausgesetzt werden, wie sie in der „vorwissenschaftlichen“ Ära des Umgangs mit sexuellem Missbrauch immer wieder in guter Absicht vorgenommen wurden.

Ein Thema für alle Gesundheits-, Sozial- und Lehrberufe

Zum Programm ReSi gehören auch Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher, Elternabende und Elternbriefe zur Thematik. Ob auch diese Teile des Programms wirken, ist allerdings noch nicht endgültig evaluiert.

Ministerin Wanka forderte, dass das Thema Missbrauch und Grenzverletzung einen festen Platz in der Ausbildung von Ärzten, Erziehern und Lehrern aller Altersstufen haben muss – einschließlich dessen, was durch die neuen Medien an sexuellen Belästigungen und Beleidigungen in Wort und Bild möglich geworden ist.

Einen Bericht über das Präventionsprojekt der Charité "Kein Täter werden" lesen Sie hier.

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