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Mächtiger Wirbel. Materie rotiert um ein Schwarzes Loch. Senkrecht dazu bilden sich „Jets“, gerichtete Gasströme.

© Esa

Schwarze Löcher: Der kosmische Staubsauger

Schwarze Löcher sind eigentlich unsichtbar – nicht aber die Materie, die sie bald verschlingen. Dadurch verraten sie sich. Auch das Schwarze Loch, das im Zentrum unserer Milchstraße sitzt.

Schwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Alles, was in ihre Nähe kommt, wird gnadenlos nach Innen gezerrt. Nicht einmal Licht schafft es, den Schwerkraftmonstern zu entkommen. Daher auch der Name „Schwarzes Loch“. Folglich können sie nicht direkt beobachtet, sondern nur anhand ihrer Wirkung erforscht werden.

Besonders gut gelingt das bei „nahen“ Schwarzen Löchern, die allerdings noch immer viel zu weit entfernt sind, als dass sie uns gefährlich werden könnten. Der am besten erforschte Vertreter dieser Gattung ist das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße. 26 000 Lichtjahre sind es bis dorthin, aber dazwischen befinden sich große Mengen Staub. Deshalb dringt kaum sichtbares Licht vom Zentrum der Galaxie bis in die Teleskope der Forscher. Sie setzen daher auf andere Wellenlängen, etwa Infrarotstrahlung, um die Umgebung des Schwarzen Lochs zu ergründen.

So zeigt eine aktuelle Studie in den „Astrophysical Journal Letters“, dass Gaswolken in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Schwarzen Loch bis zu 1000 Grad Celsius heiß sind. Normalerweise liegt die Temperatur interstellarer Wolken nur etwas über dem absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad. Die Hitze des Gases lasse sich nur teilweise mit der UV-Strahlung naher Sterne erklären, schreiben die Forscher um Javier Goicoechea nach der Analyse von Daten des Weltraumobservatoriums „Herschel“. Die Differenz führen sie auf rasante Bewegungen der Gaswolken zurück, die sie vermutlich beim Tanz um das Schwerkraftzentrum vollführen. „Möglicherweise kocht sich das Schwarze Loch sein Essen direkt vor den Augen von Herschel“, erläutert Goicoechea blumig.

Ein Schwarzes Loch, so schwer wie 17 Milliarden Sonnen

Wobei der kosmische Koch mit lediglich vier Millionen Sonnenmassen noch zu den Leichtgewichten zählt. Andere Schwarze Löcher sind erheblich schwerer. So entdeckten im November Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg eines mit 17 Milliarden Sonnenmassen im Zentrum der Galaxie „NGC 1277“, und britische Astronomen fanden zwei Wochen später sogar zehn dieser zentralgalaktischen Körper mit jeweils 10 bis 40 Milliarden Sonnenmassen. „Und es gibt keinen Hinweis, dass wir mit diesen großen Massen schon die Obergrenze erreicht hätten“, sagt Markus Pössel vom Max-Planck-Institut.

Schwarze Löcher sind für die Himmelsforscher aus vielerlei Gründen interessant. Einer ist, dass dort die Extreme der Physik aufeinandertreffen. „Um sie zu verstehen, benötigt man natürlich die durch die Allgemeine Relativitätstheorie beschriebene Wirkung der Gravitation“, sagt Pössel. Wenn es um die Vorgänge im Zentrum geht, müssten die Forscher herausfinden, wie die Gravitation mit der anderen fundamentalen physikalischen Theorie, der Quantentheorie, zusammenspielt. „Das ist jedoch seit mehr als 60 Jahren ein ungelöstes Problem.“

Geklärt ist hingegen die Frage, wo die Schwarzen Löcher ihren Ursprung haben. Zumindest was die kleinen, die „stellaren“ betrifft. Sie entstehen beim Kollaps eines Sternes – sichtbar als Supernova –, sofern dessen Anfangsmasse mehr als drei Sonnenmassen beträgt. Der verbleibende Kern wird dann zu einem extrem dichten Punkt zusammengequetscht, der den Berechnungen zufolge nicht einmal so groß ist wie ein Stecknadelkopf. Dort gelten die üblichen Gesetze der Physik nicht mehr. Die Schwerkraft ist so stark, dass innerhalb eines bestimmten Abstandes, dem „Ereignishorizont“, nicht einmal mehr das Licht entweichen kann.

Schwarze Löcher wachsen durch Kollision von Galaxien

Das Rätsel der Herkunft

Was sich im Innern abspielt, ist nach wie vor ein Rätsel, wie auch die Frage, woher die mächtigen Schwarzen Löcher im Zentrum der Galaxien kommen. „Sie sind wahrscheinlich mit den Protogalaxien kurz nach dem Urknall entstanden“, sagt Pössel. „Eine Möglichkeit ist der direkte Kollaps sehr früher nur aus Wasserstoff bestehender sehr massereicher Sterne.“ Eine andere Möglichkeit ist, dass die Schwarzen Löcher dieser Frühzeit direkt aus einer großen kollabierenden Gaswolke hervorgegangen sind, ohne dass als Zwischenstufe ein Stern entsteht. „Welche Erklärung zutrifft, ist ein aktuelles Forschungsthema“, sagt Pössel. Das wird es wohl noch eine Weile bleiben, denn bisher haben die Astrophysiker nur sehr wenige Informationen aus dieser Ära.

Über die Entwicklung der zentralgalaktischen Schwarzen Löcher wissen die Astronomen mehr: Sie wachsen, unter anderem durch die Kollision von Galaxien. Dabei können entweder gleich große Galaxien miteinander verschmelzen oder größere Galaxien kleinere einfangen. „Unsere Milchstraße hat im Laufe ihrer mehr als zwölf Milliarden Jahre langen Geschichte immer wieder kleinere Galaxien eingefangen, und dabei ist auch ihr zentrales Schwarzes Loch immer weiter gewachsen“, erläutert Pössel.

Trotz der mitunter millionen- oder gar milliardenfachen Sonnenmassen bleiben die Schwerkraftgiganten im Zentrum fremder Galaxien den Wissenschaftlern vielfach verborgen. Sie sind häufig von dichten Staubwolken umgeben, was die Beobachtung erschwert. Strahlung im Röntgen-, Radio- und Infrarotbereich kommt besser durch die Schleier – und das nutzen die Forscher aus. So entdeckte das Weltraumteleskop „Wise“ (Wide-field Infrared Survey Explorer) kürzlich im Infrarotbereich mehr als 1,5 Millionen bislang unbekannte Schwarze Löcher.

Es ist ein Aufspüren auf Umwegen. So werden beispielsweise in nahen Galaxien die Geschwindigkeiten gemessen, mit denen Sterne und Gasmassen das Zentrum umkreisen. Über die Entfernung vom Mittelpunkt lässt sich schließlich die Masse des zentralen Objektes errechnen.

Allerdings versagt die Methode bei sehr weit entfernten Schwarzen Löchern, weshalb sich die Astronomen eines anderen Kunstgriffs bedienen, um die Masse der Schwerkraftgiganten zu bestimmen: Das von den Schwarzen Löchern angesogene Gas sammelt sich meist in einer Akkretionsscheibe. Während es spiralförmig auf das Zentrum zutreibt, erhitzt sich das Gas und beginnt zu leuchten. Aus der Intensität der Radio- und Röntgenstrahlung dieser Scheibe kann die Masse des Schwarzen Loches ermittelt werden. Dabei wird seine wohl verblüffendste Eigenschaft offenbar: Es legt immer weiter an Gewicht zu, ohne dass man davon etwas sieht.

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