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Wissen: Seine Exzellenz, der Student

Einen Elitewettbewerb für Lehre wird es in Deutschland nicht geben – andere Länder sind weiter

Politiker und Wissenschaftler beurteilen den Exzellenzwettbewerb in der Forschung als großen Erfolg. Einen Exzellenzwettbewerb in der Lehre aber wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat dieses Thema auf die lange Bank geschoben. Jürgen Zöllner, Wissenschaftssenator in Berlin und Präsident der KMK, scheiterte mit seinem Vorstoß im Sommer. Informierte Kreise meinen, dass die Kultusminister mit Initiativen zur guten Lehre erst herauskommen werden, wenn nach dem Sozialdemokraten Zöllner wieder ein CDU-Minister Präsident der Kultusministerkonferenz wird. Das wäre im Jahr 2008 der Fall.

Allerdings halten die Wissenschaftsorganisationen die Voraussetzungen für einen Exzellenzwettbewerb in der Lehre für überhaupt noch nicht gegeben. Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Matthias Kleiner fordert, dass zunächst die Lehre an den deutschen Hochschulen in ihrer ganzen Breite verbessert werden muss, bevor man überhaupt an eine Exzellenzinitiative zur guten Lehre denken könne. Er verlangt eine bessere Grundausstattung für die Lehre, die um 20 bis 30 Prozent über dem heutigen Finanzniveau liegen müsse. Der Wissenschaftsrat sieht das ähnlich: Die neuen Studiengänge mit dem Bachelor und Master als Abschlüssen bedürfen einer Betreuungsintensität, die je nach Studienfach 15 bis 20 Prozent über den bisherigen Studiengängen liegt. Die Hochschulrektorenkonferenz sagt, dass 52 Studenten auf einen Professor zu viel seien. In den nächsten fünf Jahren müsse so viel in die Lehre investiert werden, dass ein Professor auf 25 Studenten kommt. Nur haben die Politiker auf diese Mahnungen bisher nicht reagiert. Denn das würde jährlich Milliarden kosten.

4000 bis 9000 Euro werden jährlich je nach Studiengang in Deutschland für einen Studenten aufgewandt. Die führende europäische Universität, die ETH Zürich, investiert pro Student 40 000 Franken, und an den guten staatlichen Universitäten in den USA sind 25 000 Dollar pro Student und Jahr üblich. Das sind Zahlen, die für eine gute Betreuung der Studenten durch Wissenschaftler sprechen, sagt DFG-Präsident Kleiner.

Neben den schlechten Betreuungsverhältnissen an deutschen Hochschulen gibt es noch ein anderes Problem: Der Wissenschaftsrat plagt sich seit November 2004 mit der Frage herum, wie man gute Lehre nach Kriterien messen kann. Von den bisherigen Befragungen der Studenten, wie sie die Lehre an den Universitäten und den Fachhochschulen beurteilen, hält der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, wenig: Das seien Wellnessbefragungen. Nach jahrelangem Zögen will der Wissenschaftsrat im Januar 2008 selbst Kriterien für eine gute Lehre veröffentlichen.

Eine Tagung über gute Lehre, die der British Council, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die amerikanische Fullbright Commission, die Australier und die Kanadier vor kurzem in Berlin veranstaltet hatten, kann hier nur hilfreich sein. Im angelsächsischen Ausland hat man keine Zweifel, dass gute Lehre messbar ist – und zu einer guten Forschungsuniversität zwingend gehört.

Am besten lässt sich das am Beispiel Australiens erklären: Schon seit den 1980er Jahren ist Australien zu einem Pilgerland für Studenten aus asiatischen Ländern geworden, die dort den Master erwerben wollen. Das ist teuer, denn in Australien werden Studiengebühren verlangt. Damit sind die Studenten zu Kunden geworden, die eine gute Lehre einfordern. Die Regierung hat sich daher im Jahr 2004 entschlossen, einen landesweiten Wettbewerb für gute Lehre ins Leben zu rufen, der mit 250 Millionen Dollar ausgestattet ist. Dieser Preis wird in acht Kategorien vergeben und umfasst Disziplinen wie die Medizin, die Naturwissenschaften, die Ingenieurausbildung, die Ökonomie, die Rechtswissenschaften, die Sozialwissenschaften, die Geisteswissenschaften und die Kunst.

Auf der Konferenz der Bildungsexperten in der kanadischen Botschaft berichtete Bob Lingard, der 16 Jahre an der University of Queensland in Australien gelehrt hat, über Einzelheiten. Es wurde ein Forschungsinstitut gegründet, das die „Carrick Awards for Australian University Teaching“ verteilt. Angestoßen durch den Wettbewerb haben die Unis Lehr- und Lernzentren gebildet. In den Zentren werden die Wissenschaftler der jeweiligen Universität in guter Lehre trainiert. Gute Lehre wird bereits den Doktoranden nahegebracht. Wer eine Professur auf Lebenszeit anstrebt, muss seine Erfolge in der Lehre nachweisen.

Außerdem vergleichen die Zentren die Curricula in den einzelnen Fächern und entwickeln Indikatoren für die Bewertung der Lehre, etwa über die Zahl der Studienabbrecher. Wissenschaftler beurteilen ihre Kollegen in Peer Reviews. Auch Befragungen der Studenten nach ihren Erfahrungen mit den Lehrangeboten in den einzelnen Fächern spielen eine erhebliche Rolle.

Die Preise für gute Lehre werden sehr differenziert vergeben. 27 Auszeichnungen pro Jahr, jede mit 25 000 Dollar ausgestattet, vergibt der Staat national. Der beste Hochschullehrer des Jahres wird vom Premierminister mit 50 000 Dollar belobigt. 210 Preise, ausgestattet mit jeweils 10 000 Dollar, erhalten jene Wissenschaftler, deren Konzeptionen für eine bessere Lehre in Australien häufig zitiert werden. 14 Preise über jeweils 25 000 Dollar sind für Programme vorgesehen, die gute Lehre besonders befördern. Schon nach drei Jahren Erfahrung mit diesem Wettbewerb kann Bob Lingard von „bemerkenswerten Fortschritten in der Qualität der Lehre“ berichten. Die Grundidee des gesamten Wettbewerbs ist es, gute Beispiele für die Lehre zunächst national zu entwickeln und sie danach international im Sinne eines Benchmarking herauszustellen.

Auch Professoren aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien beantworteten auf der Tagung die Frage, ob gute Lehre messbar sei, uneingeschränkt mit Ja. In diesen Ländern wird gute Lehre belohnt, während in Deutschland die akademischen Karrieren über Erfolge in der Forschung verlaufen. Auf dieses Manko wies der Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Christian Bode, hin. Für die dritte Runde im Elitewettbewerb fordert er eine Einbeziehung der Lehre in das Qualitätsurteil über einzelne Universitäten.

Uwe Schlicht

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