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Skyline von Schanghai, hell erleuchtete Wolkenkratzer vor dunklem Himmel

© picture alliance/dpa

Sinkende Städte: Metropolen weltweit gehen zentimeterweise unter

Wird zu viel Grundwasser abgepumpt oder werden Rohstoffe gewonnen, sackt der Boden ab. Das hat schwerwiegende Folgen, auch für Großstädte.

Bei Venedig ist es ein bekanntes Phänomen, aber auch etliche andere Städte wie Jakarta, Bangkok oder New Orleans sind betroffen: Sie sinken ab. Insbesondere Küstenmetropolen leiden damit doppelt. Während der Meeresspiegel steigt, sinkt der Untergrund, Überflutungen fallen umso drastischer aus, wenn nichts dagegen unternommen wird.

Sinkt der Boden, können Häuser, Straßen, Schienenwege und Rohrleitungen beschädigt werden. Je nach Lage drohen einzelne Gebiete im Grund- oder Abwasser zu „ertrinken“, das daher kontinuierlich abgepumpt werden muss. Die Schäden sind enorm. Allein in China werden sie auf 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.

Die Ursachen für das Absinken sind verschieden. Massive Entnahme von Grundwasser gehört dazu wie Setzungen aufgrund schwerer Gebäude sowie Entwässerungen des feuchten Untergrunds. Auch die Rohstoffgewinnung spielt eine Rolle – etwa in Dortmund und vielen anderen Städten des Ruhrgebiets, wo Steinkohle abgebaut wurde.

Vor allem im südlichen Teil, wo der Untergrund über Jahrhunderte durchlöchert wurde, lauert Gefahr: Alte Stollen brechen ein, Felsbrocken stürzen von der Decke, der Hohlraum wandert sukzessive nach oben, wo es zu sogenannten „Tagesbrüchen“ kommen kann. Plötzlich gibt der Untergrund nach und ein Loch ist in der Straße oder im Garten.

Überraschende Ereignisse

Rund 120 Tagesbrüche werden den Behörden in Nordrhein-Westfalen jährlich gemeldet, sagt Andreas Welz von der Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie. Im südlichen Ruhrgebiet, wo die Kohleflöze nah an der Oberfläche sind und die Gewinnung schon vor langer Zeit begann, sind bisher rund 30 000 verlassene Schächte und Stollen bekannt.

„Diejenigen, die als besonders tagesbruchträchtig gelten, werden vorsorglich gesichert.“ Angesichts der großen Zahl gibt es trotzdem überraschende Ereignisse. Hinzu kommt: Von den alten Grubenkarten, die akribisch digitalisiert und ausgewertet werden, seien erst zwei Drittel bearbeitet, sagt Welz.

Er schätzt, dass noch 20.000 weitere Schächte hinzukommen. „Außerdem muss man davon ausgehen, dass nicht alle Anlagen dokumentiert sind und prinzipiell überall, wo Lagerstätten sind, Tagesbrüche auftreten können.“

Unerwarteter Auftrieb

Dort, wo die Flöze tiefer liegen, gab es während des Bergbaus es einen weiteren Effekt. Indem der Gebirgsdruck die tiefen Hohlräume verschließt, kommt es zu großräumigen Setzungen. „Im nördlichen Teil von Dortmund, wo die Kohle wesentlich tiefer abgebaut wurde, ist die Tagesoberfläche teils um mehr als zehn Meter gesunken“, sagt Welz.

Würde das Grundwasser nicht permanent abgepumpt, entstünden riesige Senkungsseen. Eine Aufgabe, die folgende Generationen werden fortführen müssen.

Laut Welz kommen diese großflächigen Setzungen jedoch bereits nach wenigen Jahren zur Ruhe. Nun, nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus, seien allenfalls noch in der Nähe der letzten aktiven Anlagen Senkungen im Zentimeterbereich zu erwarten. Künftig könnte es sogar eine leichte Aufwärtsbewegung geben: „Wenn die tieferen Grubenstockwerke mit Wasser volllaufen, gibt es einen Auftrieb“, erläutert er. Dieser gleiche die einstige Abwärtsbewegung um etliche Meter aber keinesfalls aus. „Aufgrund der Erfahrungen von anderen Bergbaurevieren rechnen wir mit einer Hebung von rund zehn Zentimetern in den nächsten 25 Jahren.“

Sinkende Metropolen

In vielen sinkenden Metropolen der Welt hingegen ist die massive Grundwasserentnahme der dominierende Faktor. Wo Wasser zwischen den Sedimentkörnchen war, ist nun Luft – die Partikel werden stärker zusammengedrückt, der Boden sackt zusammen.

Besonders deutlich ist dies derzeit in Jakarta zu beobachten, in manchen Vierteln sind es zehn Zentimeter im Jahr, in anderen bis zu 25. Ein Ende ist nicht absehbar, denn auf der Suche nach sauberem Wasser gibt es zahlreiche illegale Brunnen. So sackt die Stadt weiter ab, die Folge: In küstennahen Regionen dringt Salzwasser ins Grundwasser; Rohrleitungen brechen, so dass schätzungsweise 40 Prozent des Trinkwassers verloren gehen; weite Teile der Stadt liegen unterhalb des Meeresspiegels und müssen permanent trockengepumpt werden.

Die indonesische Hauptstadt gilt als die am schnellsten sinkende Millionenmetropole der Welt, doch  auch viele andere Städte sind betroffen. Dazu gehören Manila, Bangkok oder Ho-Chi-Minh-Stadt. Auch etliche Großstädte in China sinken aufgrund massiver Grundwasserentnahme. In Shanghai geht die Subsidenz – so bezeichnen Fachleute die Absenkung – zu  einem Drittel auf das Gewicht der Wolkenkratzer zurück, die in den weichen Boden drücken, berichtet das US-Magazin „Time“.

New Orleans im Süden der USA sinkt ebenfalls. Hier kommt neben dem Grundwasserverlust noch die oberflächliche Entwässerung der einstigen Sümpfe hinzu. Auch dadurch sackt der Boden zusammen und die Oberfläche senkt sich. Schutzmauern und Pumpen halten die Stadt trocken. Dass dies im Ernstfall nicht genügt, hat der Hurrikan Katrina gezeigt, der 2005 zu weitreichenden Überflutungen führte. Mit weiter steigendem Meeresspiegel werden weitere Fluten befürchtet.

Integrierter Lösungsansatz

Dies gilt auch für Venedig. Zwar ist die Grundwasserentnahme seit dem Ende der Sechzigerjahre verboten, doch die Stadt sinkt weiter. Dies könnte mit einer schrägen Absenkung der tektonischen Platte zusammenhängen sowie mit den ausgebaggerten Fahrrinnen für große Schiffe, durch die nun massenhaft Sand ins Meer gespült wird und zur Stabilisierung des Untergrundes fehlt.

Das Sturmflut-Sperrwerk namens „Mose“ (Modulo Sperimentale Elettromeccanico) soll künftig schützen. Es gab erhebliche Verzögerungen in dem Projekt, im kommenden Jahr soll es endlich fertig sein.

Das Absinken des Untergrundes ist nicht unausweichlich. Tokio hat, nachdem es rund vier Meter Höhe verloren hatte, die Grundwasserentnahme in den Sechzigerjahren gestoppt. Seit gut 40 Jahren hält sich die Stadt auf stabilem Niveau.

Forscher wie das Team des Deltares-Projekts aus den Niederlanden empfehlen einen integrierten Ansatz, um das Problem zu lösen. Mit präzisen Messungen und Modellierungen lässt sich erkennen, wo die Subsidenz besonders stark ist und wie sie sich künftig entwickelt.

Dann müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden – meist ein Verbot der Wasserentnahme – und Alternativen erarbeitet werden, um die Bevölkerung zuverlässig zu versorgen. Auch Bauwerke wie Dämme und Pumpen müssen in der passenden Größe errichtet werden, um langfristig zu schützen. Wer nicht handelt, nimmt weitere Absenkungen in Kauf.

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