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Wissen: Sparkommissarin a. D.

Als Bildungspolitikerin fordert die Berliner SPD-Frau Annette Fugmann-Heesing Milliardeninvestitionen

Das Bildungssystem ist unterfinanziert, und das als Folge „falscher Prioritäten“. Wegen der hohen Staatsverschuldung muss immer mehr Geld für Zinsen und Tilgung ausgegeben werden. „Wer so viel Vergangenheit finanziert, hat wenig Handlungsspielraum für die Zukunft.“ Das schreibt die ehemalige Berliner Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing im neuesten Buch des Vorwärts-Verlags unter dem Titel: „Bildung: Wie wir wieder Spitze werden!“ Die einstige Berliner Sparkommissarin, deren Vorgaben an Freier und Technischer Universität jeweils zur Halbierung der Professuren führte, formuliert darin massive Finanzierungsansprüche für das gesamte Bildungswesen.

Die von Kanzlerin Merkel ausgerufenen Bildungsgipfel mit den Ministerpräsidenten nennt Fugmann-Heesing „ein abschreckendes Beispiel dafür, dass Bund und Länder die Notwendigkeit zusätzlicher Bildungsausgaben zwar immer wieder betonen, aber sich dann im föderalen Gerangel verhaken“. Deswegen drohe auch das Ziel, die Ausgaben für Bildung und Forschung auf zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts zu steigern, „zum Luftschloss der Berliner Bildung zu werden“.

Ausgerechnet in den Kommunen, wo die besten Bildungs- und Förderangebote unterbreitet werden müssten, fehle das meiste Geld. Leider habe die Föderalismusreform die direkte Mitfinanzierung des Bundes in der Bildung, den sogenannten „goldenen Zügel“, gekappt. Als Ausweg aus der verfahrenen Situation empfiehlt Fugmann-Heesing die Einführung von Bildungsgutscheinen für eine zielgenaue Mitfinanzierung von Leistungen in Krippen und Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Ein solches System gezielter Förderung durch Bildungsgutscheine basiere auf dem Grundsatz sozialdemokratischer Wissenschaftspolitik: Geld folgt den Studierenden.

Fugmann-Heesing versteht ihre Bildungsgutscheine nicht als Bestandteil einer Sozialpolitik für Hartz-IV-Empfänger, sondern als eine von vier Säulen der Bildungsfinanzierung. Für die zweite Säule sollen die Studierenden durch Studiengebühren sorgen. Außerdem müssten sie mit besseren Stipendien versorgt werden, die ihnen ein Studium ohne den Zwang zum Jobben ermöglichen. Die Rückzahlung sollte erst dann einsetzen, wenn ein Mindesteinkommen erreicht ist.

Die sozialdemokratische Finanzsenatorin in der großen Koalition unter Eberhard Diepgen und jetzige Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses des Abgeordnetenhauses beschreibt die Situation als dramatisch: „Wir haben zu wenige Krippen und Ganztagskindergärten, das Ganztagsschulangebot ist noch lange nicht flächendeckend, an den Hochschulen verlieren sich die Studierenden in zu großen Gruppen. Die Infrastruktur verkommt. Mensen an Schulen und Seminarräume für Kleingruppenarbeit an Hochschulen fehlen.“ Fugmann-Heesing beruft sich auf die Unternehmensberater von McKinsey, die den finanziellen Mehrbedarf für den Bildungssektor auf bis zu 38 Milliarden Euro eingeschätzt. Das Bekenntnis zu Milliardeninvestitionen ist erstaunlich für eine Sparkommissarin ohnegleichen. Statt 115 000 Studienplätzen in Berlin sollten nur noch 85 000 finanziert werden.

Die Hochschulreformen des vergangenen Jahrzehnts wertet Fugmann-Heesing als Beitrag, um aus verrotteten Verhältnissen endlich herauszukommen. Statt überlanger Studienzeiten und hoher Abbrecherquoten werde heute der frühere Berufseinstieg über Bachelor und Master erreicht. Anstatt sich ausschließlich mit sich selbst zu beschäftigen, hätten die Hochschulgremien neue Perspektiven auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Region gewonnen – durch die Einführung von Hochschulräten. Statt der Fiktion, alle Hochschulen seien gleich, gelte heute die durch den Exzellenzwettbewerb und das Hochschul-Ranking gefördert Erkenntnis, dass einige Hochschulen viel leistungsfähiger seien als andere. Fugmann-Heesing hält jedoch nichts von einer übertriebenen Autonomie der Hochschulen, sondern plädiert dafür, dass der Staat als Hauptfinanzier der Hochschulen auch einige Rahmenvorgaben über Hochschulverträge oder Zielvereinbarungen setzt – wenn nicht direkt, so doch über die Hochschulräte.

Es ist gut, dass die Sozialdemokraten bei ihrem Nachdenken über die künftige Bildungspolitik auch auf eine erfahrene Finanzpolitikerin hören wollen. Annette Fugmann-Heesing hat inzwischen erkannt, wie groß der Investitionsbedarf in Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Forschungsinstitute ist. Uwe Schlicht

Annette Fugmann-Heesing: Bildung: Wie wir wieder Spitze werden! Vorwärts Buch, Berlin, 2011. 102 Seiten, 10 Euro.

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