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Aufgeben ist keine Option. Auf der Aids-Konferenz in Durban mischte sich unter den Optimismus auch Skepsis.

© dpa

Spendenmüdigkeit: Die Aids-Epidemie ist noch lange nicht vorbei

Kampf gegen Aids? Für die Industrienationen gibt es offenbar wichtigere Themen. Doch Selbstzufriedenheit kann alle Erfolge zunichtemachen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jana Schlütter

Es sollte eine hoffnungsvolle Botschaft sein. Eine, die Ansporn ist, sich noch mehr anzustrengen als zuvor. „Wir können die Aids-Epidemie bis 2030 beenden“, wiederholen die Vereinten Nationen gebetsmühlenartig. Was bei den Geldgebern hängen bleibt, ist offenbar etwas anderes. Sie hören: Das Thema ist erledigt, fast jedenfalls. Wir können uns drängenderen Problemen zuwenden. Eine verständliche Reaktion angesichts von Flüchtlingskrise und Terrorgefahr.

Die Industrienationen haben 2015 ihr Budget für den Kampf gegen das Immunschwächevirus derart zusammengestrichen, dass im Vergleich zum Vorjahr mehr als eine Milliarde US-Dollar fehlt. Deutschlands Beitrag sank um 28 Prozent. Ähnlich krasse Einschnitte gab es in Schweden, in Japan und in Irland, zeigen die Zahlen von UNAids und der Kaiser-Family-Foundation. Die USA und Großbritannien, die den Löwenanteil der Kosten tragen, haben ihre Zuwendungen ebenfalls um rund zehn Prozent reduziert.

Noch immer einer der größten Killer der Welt

Für den Global Fund gegen Aids, Tuberkulose und Malaria, der im September zu einer Geberkonferenz nach Kanada einlädt, kann das nichts Gutes bedeuten. Die Organisation braucht eine Zusage über mindestens 13 Milliarden US-Dollar für die Jahre 2017 bis 2019. Sie will damit Aids in den ärmsten Staaten bekämpfen und Programme für Infizierte aufrechterhalten, die von ihren Regierungen im Stich gelassen oder kriminalisiert werden. Weil sie homosexuell sind, weil sie illegale Drogen nehmen, weil sie sich prostituieren, weil sie so arm sind, dass niemand ihre Stimme hören will. Ein Drittel der Summe ist dafür vorgesehen, den Aufbau funktionierender Gesundheitssysteme zu unterstützen – ein Ziel, das Deutschland seit der Ebola-Epidemie angeblich sehr wichtig ist.

Aids ist noch immer einer der größten Killer der Welt, die Krankheit brachte 2015 mehr als eine Million Menschen um. Noch immer infizieren sich jedes Jahr mehr als zwei Millionen Menschen. Noch immer bekommen 20 Millionen Infizierte keine Medikamente. Ja, im Kampf gegen Aids wurde mehr erreicht, als manche zu träumen wagten. Doch Selbstzufriedenheit kann diese Erfolge zunichtemachen. Viren nutzen jede Schwachstelle, die sich ihnen bietet. Wer eine Pandemie eindämmen will, darf nie nachlassen. Nicht einmal nach 2030.

Eine missverständliche Formulierung

„Aids beenden“ ist eine missverständliche Formulierung. Kein Aktivist, kein Forscher glaubt, dass das Virus dann vom Erdball verschwunden sein könnte. Gemeint ist vielmehr der Wendepunkt, an dem fast jeder HIV-Infizierte von seiner Krankheit weiß, verlässlich therapiert wird und die Zahl der Neuinfektionen dramatisch sinkt. An Aids zu sterben, wäre dann die Ausnahme. Geht alles nach Plan, kostet das ab 2020 26,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Selbst wenn die Finanzierung steht, ist der Weg dorthin extrem steinig – auf allen Ebenen. Um mehr als 30 Millionen Menschen ein Leben lang mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen, müssen diese tonnenweise zu Tiefstpreisen hergestellt werden. Unternehmen müssen ihre Produktionskapazitäten trotz aller Unsicherheit massiv steigern. Gleichzeitig müssen die Preise für die neueren Aids-Medikamente fallen, die heute etwa 1800 statt 100 US-Dollar pro Jahr und Person kosten. Schließlich sind Resistenzen überall auf der Welt ein Problem.

Lieber krank - und eine Gefahr für andere - als stigmatisiert

Außerdem ist nicht selbstverständlich, dass jeder Infizierte Hilfe annimmt. In Kwazulu-Natal – einer südafrikanischen Provinz, in der jeder Dritte HIV-positiv ist – haben Forscher fast 28 000 Menschen in 22 Gemeinden einen Test angeboten. Die meisten haben diese Gelegenheit genutzt. Aber weniger als ein Drittel fand sich nach einem positiven Ergebnis in den nächsten drei Monaten in einer Klinik ein, um mit der Behandlung zu beginnen. Vor allem Männer zögerten, weil sie eine Stigmatisierung fürchteten. Stattdessen nehmen sie in Kauf, dass sie wiederum junge Mädchen anstecken. Den Mädchen vorsichtshalber Medikamente zu geben, die die Infektion verhüten, erweist sich als ähnlich problematisch: Sie wollen nicht als Prostituierte gelten.

„Wir rudern in einem Boot mit einem großen Loch und versuchen mit unseren Händen, Wasser herauszuschöpfen“, sagt Peter Piot, der Gründungsdirektor von UNAids. Man brauche neue Ideen, letztlich eine Impfung oder Heilung. Die Arbeit ist noch lange nicht getan.

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