zum Hauptinhalt
Kosmisches Feuerwerk. In der Abbildung sind Messdaten zusammengeführt, die bei einer Supernova aus dem Jahr 1987 erhoben wurden. Sie ereignete sich rund 150 000 Lichtjahre von der Erde entfernt in der Großen Magellanschen Wolke.

© Abbildung: AFP

Spuren einer Sternenexplosion: Reste einer Supernova in der Tiefsee

Die Explosion ereignete sich vor 2,3 Millionen Jahren, die Spuren finden sich heute noch auf dem Meeresgrund. Anhand von Sedimenten rekonstruieren Forscher Sternexplosionen, die der Erde erstaunlich nahe kamen.

„Hell wie der Vollmond hat der leuchtende Fleck am Himmel gestanden“, schätzt Dieter Breitschwerdt, „auch am Tage war er zu sehen, wochenlang. Vielleicht sogar über Monate.“ So muss es für unsere Vorfahren ausgesehen haben, als sich vor rund 2,3 Millionen Jahren eine Sternexplosion ereignete, die der Erde so nahe kam wie keine andere in der jüngeren Geschichte.

„Nur“ 300 Lichtjahre entfernt hat es da einen Stern zerfetzt, wodurch Röntgen- und Gammastrahlung ins All geschleudert wurde – bis zur Erde. Das zeigen Modellierungen von Breitschwerdt, Astrophysiker an der TU Berlin, und Kollegen, die jetzt im Fachblatt „Nature“ erschienen sind.

Diese Supernova war nur eine von zahlreichen Explosionen, die vor relativ kurzer Zeit in unserer kosmischen Nachbarschaft zündeten. Welchen Effekt sie auf das Leben auf der Erde hatten, ist umstritten. Dass es sie gab, ist gut belegt durch eine Arbeit von Anton Wallner von der Australian National University, die ebenfalls jetzt in „Nature“ veröffentlicht wurde.

Ausgerechnet in der Tiefsee fanden die Wissenschaftler die Reste der prähistorischen Sternexplosionen.

Wenn ein Stern, der mindestens die achtfache Masse der Sonne hat, sich seinem Lebensende nähert, erzeugt er per Kernfusion immer schwerere Elemente – so auch Eisen. Ganz am Ende, wenn der Brennstoff aufgebraucht ist, kollabiert sein Kern, die Materie stürzt mit Überschallgeschwindigkeit ins Zentrum.

Immer mehr stürzt nach, angetrieben durch die Gravitation, doch irgendwann kann der Kern nichts mehr aufnehmen. Es kommt zum Richtungswechsel, Schockwellen jagen vom Zentrum ausgehend nach draußen und erhitzen das umgebende Gas. Es folgen weitere Reaktionen, unter anderem wird die äußere Hülle des sterbenden Sterns abgesprengt.

Nun beginnt ein Feuerwerk aus Elementarteilchen und Strahlung: Eine unvorstellbare Menge an Energie wird ins All geschleudert, die Supernova leuchtet millionenfach heller als der Stern, aus dem sie hervorging.

25 Atome pro Jahr und Quadratzentimeter

In dem stellaren Auswurf findet sich neben allen möglichen Elementen auch eine bestimmte Sorte von Eisenatomen, genannt Eisen-60. Ein winziger Teil davon erreicht die Erde, davon wiederum gelangt ein Bruchteil in die Ozeane und wird in Sedimenten gebunden. Es ist eine winzige Menge. Wallners Team schätzt, dass während einer Hochphase der Supernova-Aktivität nur 25 Eisen-60-Atome pro Jahr und Quadratzentimeter die Erde erreichten. Mit einem Massenspektrometer gelang es den Forschern, dieses Eisen in Sedimentproben aus drei Ozeanen zu messen. Demnach gab es in jüngerer Vergangenheit zwei Aktivitätsphasen: vor 1,5 bis 3,2 sowie zwischen 6,5 und 8,7 Millionen Jahren vor heute.

Sie schließen daraus, dass es in diesen Zeiten mehrere Supernovae gegeben haben muss, die in relativer Nähe (bis zu 300 Lichtjahre) zur Erde stattgefunden haben. Andernfalls wäre das „Eisensignal“ in den Sedimenten nicht so stark. Dass das Eisen-60 in dieser großen Menge aus anderen Quellen stammen könnte, halten sie für ausgeschlossen.

Wo genau ereigneten sich die Sternexplosionen? Dieser Frage ist Breitschwerdt mit seinen Kollegen nachgegangen. Kein leichtes Unterfangen, Sterne zu suchen, die heute nicht mehr da sind. Doch sie hatten Erfolg. Frühere Studien hatten gezeigt, dass eine Struktur namens „Lokale Blase“ in der Nähe unseres Sonnensystems von mehreren Sternexplosionen erzeugt wurde. Einige Sterne haben bis heute überlebt und sind jetzt in der „Scorpius-Centaurus Assoziation“ zu finden.

Hatten die Energieausbrüche Einfluss auf die Erde?

Diese Sterne schauten sich die Forscher genauer an. „Grundlage unserer Überlegung war, dass die Sterne in der Gruppe ungefähr zur gleichen Zeit entstanden sind“, erläutert Breitschwerdt. Ihre Lebensdauer hängt von ihrer Masse ab: je schwerer, umso schneller ist es vorbei. Da nur noch Leichtgewichte mit weniger als elf Sonnenmassen übrig geblieben sind, muss diese Gruppe vor rund 20 Millionen Jahren entstanden sein, kalkulierten die Forscher. Über eine Simulation haben sie „den Film rückwärts laufen lassen“, wie es Breitschwerdt ausdrückt. „So konnten wir ermitteln, in welcher Position die Sterne zur jeweiligen Explosionszeit waren.“ Den Berechnungen zufolge fand die nächstgelegene vor 2,3 Millionen Jahren statt, ausgehend von einem Stern mit 9,2 Sonnenmassen, außerdem gab es eine vor 1,5 Millionen Jahren, die von einem Stern mit 8,8 Sonnenmassen herrührte. Der Abstand zur Erde betrug jeweils etwa 300 Lichtjahre.

Seit Langem diskutieren Forscher, ob die gewaltigen Energieausbrüche von Supernovae Einfluss auf die Erde haben. Immer wieder wird spekuliert, ob sie zu einem Massenaussterben führen könnten, wie sie sich in der Erdgeschichte mehrfach ereigneten. Denn im Gegensatz zum recht gut erforschten Aussterben der Dinosaurier und anderer Spezies vor 66 Millionen Jahren, das vermutlich auf eine Kombination aus Asteroidentreffer und verstärktem Vulkanismus zurückgeht, sind die Ursachen für andere derartige Ereignisse umstritten.

Experten warten ungeduldig auf die nächste Supernova

Nach Ansicht von Experten sollte eine Supernova höchstens 25 Lichtjahre von der Erde entfernt sein, damit sie mit ihrer hochenergetischen Strahlung die Lebewelt ernsthaft schädigen kann. „Das war bei den jüngsten Ereignissen nicht der Fall, es gibt auch keine weltweiten Massenaussterben in dieser Zeit, die das bestätigen würden“, schreibt Adrian Melott von der Universität Kansas in einem Kommentar in „Nature“. Er verweist darauf, dass in der betreffenden Zeit weltweit die Temperatur zurückgegangen sei, was zu mehreren Vereisungen geführt habe. Ob das mit den nahen Sternexplosionen zusammenhänge, sei nicht geklärt. Doch eröffne sich durch solch präzise Messungen, wie sie jetzt vorgestellt wurden, die Möglichkeit, künftig genauer zu erforschen, wie die Erdgeschichte in den letzten Jahrmillionen durch diese kosmischen Feuerwerke beeinflusst wurde.

Astronomen warten derweil ungeduldig auf die nächste Supernova. „In unserer Galaxie rechnet man mit zwei bis drei Explosionen pro Jahrhundert“, sagt Breitschwerdt. Als heißer Kandidat gilt das Doppelsternsystem „Eta Carinae“, sagt der Astrophysiker. „Da gab es bereits im 19. Jahrhundert katastrophale Ausbrüche, die als Vorzeichen einer Supernova gelten.“ Gefährlich würde diese aber nicht. Mit knapp 10 000 Lichtjahren ist Eta Carinae zu weit von uns entfernt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false