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Im Mathe-Brückenkurs an der FU schreibt der Dozent erste Theoreme an die Tafel.

© Vincent Schlenner

Start des Wintersemesters in Berlin: Erste Lektion für Studienanfänger: Wissen, wer dir hilft

Wie geht Uni? Ganz anders jedenfalls als Schule, erfahren Erstsemester schon in der Einführungswoche. Sie knacken harte Mathe-Nüsse im Brückenkurs an der FU Berlin - und freuen sich über die neue Wahlfreiheit.

Und mit einem Schlag wird es still im Hörsaal 1 im Mathebrückenkurs. Anfangs haben die Studienanfänger, die sich hier auf einen guten Start in das Informatikstudium an der Freien Universität vorbereiten, locker geplaudert, während ihr Dozent grundlegende Rechenarten anhand eines Kartentricks demonstriert hat. Doch kaum steht das erste Theorem an der Tafel, sinkt der Geräuschpegel deutlich. Manche stupsen fragend den Nachbarn ab. Andere suchen im Smartphone nach Hilfe. Mutige heben einfach die Hand: Schon nach den ersten 15 Minuten können sie nicht mehr folgen. Auch der 22-jährige Steffen kennt die Aufgaben nicht aus der Schule. Den Zeilen an der Tafel kann er zwar noch ganz gut folgen, meint er: „Aber was hat das Ganze mit dem Kartentrick zu tun?“

Schon in dieser Woche, kurz vor dem offiziellen Beginn des Wintersemesters am Montag, sind viele Studienanfänger wie Steffen und seine neuen Kommilitonen erstmals an die Uni gekommen. Alle Berliner Hochschulen bieten schon vor dem Vorlesungsstart Brückenkurse an. Erstsemester schließen hier inhaltliche Lücken, ihnen soll der Übergang von der Schule zur Universität erleichtert werden. Es gibt Kurse zu Lesetechniken, Zeitmanagement oder Workshops zur Fachrecherche in einer Bibliothek (Beispiele finden Sie hier). Denn am besten vorbereitet auf das Studium ist, wer die Grundlagen des selbstständigen Lernens beherrscht und eigene Stärken und Schwächen kennt.

Große Lücken in Mathe - aber die lassen sich schließen

Tatsächlich hapert es oft an Grundlagen. Das beobachtet jedenfalls Mathematikdozent Tillmann Miltzow in seinem Brückenkurs. Er sieht bei seinen Studienanfängern zum Beispiel Unsicherheiten bei den Grundrechenarten. Hätte er den symbolischen Abschlusstest am Ende des Kurses im letzten Jahr tatsächlich bewertet, wären 50 Prozent der Studenten durchgefallen. Er wolle aber niemandem Angst machen: „Inhaltliche Probleme sind meistens zu bewältigen.“

Entscheidender für den Studienerfolg seien vielmehr Selbstorganisation und ein funktionierendes soziales Netz. Erstsemester sollten wissen, wo sie am besten Hilfe bekommen. Gerade in den ersten Semestern hätten Dozenten angesichts der unterschiedlichen Vorkenntnisse der Studierenden Verständnis für Fragen.

Dass sich viele Studienanfänger Sorgen machen, ob ihre Schulkenntnisse für das Studium reichen, zeigt sich während der Orientierungswoche für Grundschulpädagogen an der FU. Die 19-jährige Maike will später Naturwissenschaften unterrichten, hat Chemie aber in der zehnten Klasse abgewählt. Ihr Tutor Tobias Mehrtens versucht, sie zu beruhigen: Solides Basiswissen in Chemie oder Mathe reichten für den Anfang aus. Für die zukünftigen Pädagogen gibt es eigene Veranstaltungen. Sie müssen sich nicht in Kursen mit Hauptfachstudenten durchschlagen.

Modell-Stundenpläne helfen anfangs bei der Orientierung

Die Uni mag zwar anfangs wie die „Abi-Hochphase im Dauerzustand“ erscheinen, sagt Mehrtens. Gerade, wenn es mit den ersten Referaten losgeht. Man lerne aber, die Termine und Aufgaben über das Semester gut zu verteilen. Die Modellstundenpläne der Fachschaften, die der Regelstudienzeit entsprechen, helfen als Orientierung. Wer innerhalb der ersten zwei Wochen Probleme erkennt, etwa wegen Job oder fehlender Kinderbetreuung, kann seinen Stundenplan bis zum 1. November aber auch noch ändern. Erstsemester Sumrugül kann dem Unileben schon viel Positives abgewinnen. Ihr gefällt, dass sie nicht mehr wie in der Schule bevormundet wird, sondern selbst entscheiden kann, was sie sich zumutet.

Sie startet zum dritten Mal - und will keine Experimente mehr

Das zu entscheiden, ist auch Erfahrungssache. Die 28-jährige Anna nimmt sich vor, in ihrem ersten Semester Deutsche Philologie „keine Experimente“ mehr zu machen. Sie hat zuvor zweimal ein Studium abgebrochen: zuerst Betriebswirtschaftslehre in den Niederlanden, dann Fotografie in Dortmund. Im letzten Studium hatte sie die Arbeit nicht gut verteilt und zu spät erkannt, wie weit sie bei den Aufgaben hinterher war. Jetzt will sich Anna im ersten Semester an das vorgeschlagene Pensum halten. Sie wundert sich über andere Studienanfänger, die sich aus Angst vor Unterforderung den Stundenplan mit zusätzlichen Lehrveranstaltungen, Sprach- und Sportkursen füllen. „Man sollte bedenken, dass zu jeder Stunde Präsenzveranstaltung noch anderthalb Stunden Vor- und Nachbereitungszeit kommen.“

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