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Bemalt auf die Pirsch. In „Far Cry Primal“ muss der Spieler in der Steinzeit aufregende Abenteuer bestehen.

© Ubisoft

Steinzeit als Computerspiel: Mammutjagd mit Mausklick

Historisierende Computerspiele sind beliebt – aber mit der Geschichte nehmen sie es meist nicht so genau.

Steinzeitmensch Takkar hat viel vor. Seine Stammesgenossen, die Wenja, sind bei der Suche nach Jagdgründen über das fruchtbare Tal Oros verstreut worden. Takkar will die Wenja wiedervereinen und ein Dorf für sie errichten, sie zum stärksten Stamm in Oros machen. Doch dafür muss er zwei feindliche Clans besiegen, die Izila und die Udam. Mit Keule, Speer und Bogen bricht er zu seiner gefährlichen Mission auf.

Takkar ist die Hauptfigur von „Far Cry Primal“. Das Computerspiel erschien zunächst für die Konsolen Playstation 4 und Xbox One, eine PC-Fassung folgte nun. „Primal“ ist das mittlerweile fünfte Spiel der Action-Reihe „Far Cry“ – aber das erste, das nicht in einem zeitgenössischen Bürgerkrieg, sondern tief in der Vergangenheit spielt. Genauer gesagt: um das Jahr 10 000 v. Chr., in dem Gebiet zwischen Karpaten und Donau.

Der Ausflug in die Steinzeit ist opulent umgesetzt. Spieler durchstreifen eine abwechslungsreiche Landschaft mit Bergwäldern, Wasserfällen und Seen, sammeln Pflanzen und jagen Großwild. Ständig kommt es zu brachial-blutigen Kämpfen mit Raubtieren und Feinden, weshalb das Spiel erst ab 16 Jahren freigegeben ist. Das Spektakel steht bei „Primal“ klar im Vordergrund, auch das Produktionsbudget – ein zweistelliger Millionenbetrag – erinnert an einen Hollywood-Blockbuster. Doch wie geht „Primal“ eigentlich mit historischen Fakten um? Und eignen sich Computerspiele überhaupt zur Vermittlung von Geschichte?

Historische Kulissen sind bei Computerspielern zweifellos beliebt. Allein zwischen 1980 und 2008 erschienen über 1700 Games mit Geschichtsbezug, haben Forscher der Universität Siegen herausgefunden. Strategiereihen wie „Age of Empires“, „Civilization“ oder „Anno“ sind dafür bekannt, dass sie verschiedene Epochen der Menschheitsgeschichte als spannenden Machtkampf präsentieren. Reale Konflikte dienen immer wieder als Basis für Computerspiele, ob nun Erster oder Zweiter Weltkrieg („Valiant Hearts“, „Call of Duty“), Vietnam- oder Afghanistankrieg („Battlefield“, „Medal of Honor“). Zu den bekanntesten Spielereihen mit Geschichtsbezug zählt „Assassin’s Creed“, das den fiktiven Konflikt zwischen dem Templer- und dem Assassinen-Orden ins viktorianische London („Syndicate“), ins Rom der Renaissance („Brotherhood“) oder ins Paris der Französischen Revolution („Unity“) verlegt.

Das London von 1868 en detail

Ein Markenzeichen dieser Spiele ist der hohe Detailgrad: Für „Syndicate“ (2015) haben die Entwickler weite Teile Londons aus dem Jahre 1868 nachgebaut – von Big Ben über die St. Paul’s Cathedral bis zur National Gallery, vom Arbeiterbezirk Lambeth bis zu den verwinkelten Gassen von Whitechapel. Die digitalen Stadtbewohner tragen historisch verbürgte Kleidung und nutzen damalige Redensarten, auch prominente Zeitgenossen wie Charles Darwin und Florence Nightingale tauchen im Spiel auf. Bei den Spielmechanismen entfernt sich „Syndicate“ vom Realismus. Die Hauptfiguren Evie und Jacob Frye, zwei junge Assassinen, turnen mit superheldenhafter Akrobatik durch die Straßenschluchten.

Auch für andere Games mit Geschichtsbezug gilt: Sie legen großen Wert auf Details, besonders bei Bauten, Kleidung, Ausrüstung und Warenkreisläufen. Doch um ein rundes Spielerlebnis zu erzielen, werden historisch verbriefte Fakten schon einmal geglättet. Das Strategiespiel „Total War: Attila“ etwa inszeniert gekonnt die Zeit der großen Völkerwanderung ab dem 4. Jahrhundert n. Chr., spielbar sind insgesamt mehr als 20 verschiedene Völker, darunter Franken, Sassaniden und Langobarden. Allerdings errichteten zum Beispiel die Westgoten keine dauerhaften Städte, wie das in „Total War: Attila“ der Fall ist. Auch das sehr erfolgreiche Dinosaurier-Spiel „Ark: Survival Evolved“ (2015) ordnet historische Korrektheit dem Spielspaß unter. Zwar orientieren sich die „Ark“-Macher beim Design von Spinosaurus, Triceratops und Iguanodon an archäologischen Erkenntnissen. Doch so richtig unterhaltsam wird das Spiel erst dadurch, dass Spieler die Dinos zähmen und als Reit- oder Kampftiere für ihre Heldenfiguren nutzen können.

Im Akkord kämpfen, jagen, sammeln

Auch „Far Cry Primal“ erhebt keinen hehren Anspruch auf Realismus. Das Leben eines Steinzeitmenschen war womöglich auch viel zu entbehrungsreich und trostlos, um als Computerspiel wirklich Spaß zu machen. In „Primal“ jedenfalls wird im Akkord gekämpft, gejagt und gesammelt. Speziell die Fauna ist so vielfältig und stark vertreten, dass Takkar kaum mal zwei Minuten Ruhe hat. Großwild wie Säbelzahntiger, Wolf und Höhlenbär geben sich ein Stelldichein – Letzterer war vor 12 000 Jahren allerdings schon lange ausgestorben. Takkar kann die Raubtiere zähmen, indem er ihnen Fleischbrocken hinwirft, fortan gehorchen sie seinem Kommando und dienen als Kampfmaschinen. Dressierte Eulen setzt Takkar übrigens als Drohnen über Feindgebiet ein. Manchmal wirft er auch Beutel mit wilden Bienen auf seine Gegner.

Das wirkt jetzt alles sehr bizarr. Doch gerade bei der Vertonung erzeugt „Primal“ eine authentisch wirkende Steinzeit-Atmosphäre. Gemeinsam mit anderen Linguisten haben Brenna und Andrew Byrd von der Universität Kentucky für das Spiel eine Sprache namens „Wenja“ entwickelt. Sie umfasst rund 1200 Wörter und ist eine Vorform der indogermanischen Ursprache, die selbst ein wissenschaftliches Konstrukt aus verschiedenen Altertumssprachen ist.

In „Primal“ wird Wenja von Takkars Stamm und von den Udam-Kannibalen gesprochen, während die weiter entwickelten Izila Ur-Indogermanisch parlieren. „Für die Wenja-Sprache haben wir manche Wörter abgekürzt“, erläutert Andrew Byrd. „Der Begriff für Säbelzahntiger ist ,dántan tígri’, wir haben aber ,tígri’ daraus gemacht.“ Die kurzen, stark betonten Wörter wirken nicht nur archaischer, sie passen auch besser zum actionreichen Spielgeschehen: Der Warnruf „tígri“ lässt sich im Eifer des Gefechts nun mal schneller brüllen. Auch wenn „Primal“ sich viele Freiheiten nimmt – das Interesse am Leben der Steinzeitmenschen weckt es in jedem Fall.

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