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Stephen Hawkings Tochter: „Ich möchte Kindern die Welt meines Vaters nahebringen“

Lucy Hawking und ihr Vater Stephen erklären Achtjährigen das Universum in einem Buch. Die britische Autorin über Teamwork, ihre Familie und das Weltall

Frau Hawking, zunächst möchte ich Ihnen Grüße von Ihrem Vater ausrichten.

Danke. Sagen Sie doch Lucy zu mir. Wo haben Sie ihn getroffen?

Lucy, letzte Nacht träumte ich, ich sei in ein schwarzes Loch gefallen.

Oh, wie war es?

Es war dunkel und kalt. Ich war verzweifelt, bis Ihr Vater mich mithilfe der Hawking-Strahlung rausholte. Wie erklären Sie diesen Effekt?

Früher glaubte man, alles, was in einem schwarzen Loch landet, müsse für immer drinnen bleiben. Nach der Theorie meines Vaters emittieren die schwarzen Löcher jedoch Strahlung. Das heißt, dass Informationen entweichen können. Im Buch wird das dadurch verdeutlicht, dass jemand ins schwarze Loch fällt, jedoch wieder rauskommt.

Wen wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

Kinder ab acht Jahren, doch auch Eltern. Auf dem Edinburgh-Festival habe ich Lehrern das Buch gegeben. Sie sagten mir später, sie hätten es gut für das Thema Sonnensystem nutzen können.

Kinder interessieren sich eher für Computerspiele oder Fußball. Warum sollten sie sich für das Universum interessieren? Was ist das Spannende daran?

Kinder schauen zum Himmel hoch und fragen: Was ist das – die Sterne? Warum gibt es die?

Wie hat Ihnen Ihr Vater das Universum erklärt?

Er nahm uns ins Observatorium von Cambridge mit, wo wir durchs Teleskop schauen konnten. Mein Vater kann sehr gut komplizierte Zusammenhänge auf einfache Weise erklären. Er möchte Wissenschaft gerade für Kinder zugänglich machen. Dasselbe Anliegen hat auch Eric, der Wissenschaftler im Buch.

Ist Eric der Physiker Stephen Hawking?

Es ist nicht biografisch. Ich habe aber den Charakter meines Vaters benutzt, um Eric zu schaffen. Beide haben sich die kindliche Fähigkeit zum Staunen erhalten, die für Wissenschaftler so wichtig ist. Sie möchten wissen, was im Weltall vor sich geht. Sie möchten Dinge durch die Kraft ihrer Vorstellung entdecken und diese Entdeckungen anderen erklären. In diesem Sinne ist Eric wie mein Vater. Im Übrigen hat Annie, Erics Tochter, einige Charakterzüge von mir.

Eric kann Annie für die Physik begeistern. Ist das Ihrem Vater auch mit Ihnen gelungen?

Nein, ich habe mich früher nur für Musik, Ballett, Kunst und kreatives Schreiben interessiert.

Warum haben Sie dann jetzt, nachdem Sie bereits zwei Romane veröffentlicht haben, ein Kinderbuch geschrieben, das physikalische Themen behandelt?

Ich möchte Kindern die Gedankenwelt meines Vaters nahebringen. Ich habe Erfahrung in kreativem Schreiben, und mein Vater weiß alles übers Weltall. Da dachte ich, wir könnten ein gutes Team bilden.

Gibt es nicht bereits genügend Bücher zum Thema Weltall?

Es gibt eine Menge phantasievoller Erzählungen, aber keine Kinderbücher, die das expandierende Universum zum Thema haben.

Wie hat die Zusammenarbeit mit Ihrem Vater geklappt?

Ich schrieb die Texte, er steuerte die wissenschaftlichen Aspekte bei. Auch Christopher Galfard, ein ehemaliger Doktorand meines Vaters, war beteiligt.

Ihr Vater sitzt gelähmt im Rollstuhl. Er kann nicht sprechen. Wie haben Sie da miteinander gearbeitet?

Ich habe ihm die Texte per E-Mail geschickt, er hat sie bearbeitet und zurückgeschickt. Er hat an seiner Brille eine Art Blinzel-Schalter, der über einen Infrarotstrahl mit seinem Computer verbunden ist. Mein Vater bedient ihn mit einem Wangenmuskel und kann so im Computer Wörter auswählen, diese in Sätze einbauen und einen Text zusammenstellen.

Wie schnell konnte Ihr Vater antworten?

Natürlich läuft die Kommunikation langsamer ab als üblich. Aber mein Vater arbeitet sehr ökonomisch. Er kann in wenigen Sätzen komplexe Sachverhalte ausdrücken, für die ich Tage bräuchte.

Gab es auch Konflikte bei der Arbeit?

Gelegentlich. Wenn ich einzelne Sachverhalte besonders verständlich ausdrücken wollte, hatte er Angst, ich würde physikalische Aspekte falsch darstellen.

Wer hat sich durchgesetzt?

Wenn es um die Physik geht, ist er nicht zu überzeugen. Das Buch handelt zwar davon, dass Menschen durch eine kosmische Tür gehen und im Weltall landen. Dennoch ist alles real, was beschrieben wird. Es ist keine fantastische Welt.

Das Thema, wer die Sterne geschaffen haben könnte, wird ausgespart. Hat das Universum keinen Schöpfer?

Mein Vater sagt: Wir beschreiben ein Universum, das von physikalischen Gesetzen bestimmt ist. Wir sagen nicht, wer diese Gesetze aufgestellt hat. Das ist kein Thema für ein Kinderbuch.

In dem Buch gibt es zwei unterschiedliche Lebensentwürfe. Einmal den von Georges Vater, der sich im Umweltschutz engagiert und moderne Technik ablehnt, und den von Eric, Annies Vater, dem technikbegeisterten Physiker, der in den Weiten des Alls eine zweite Erde sucht.

Die Umweltschützer und die Wissenschaftler wollen im Grunde dasselbe, sie drücken es nur unterschiedlich aus. Im Buch finden sie zusammen. Damit spielt sich im Kleinen ab, was auch global geschehen muss. Jeder Einzelne muss sich engagieren, um den Planeten zu retten.

Sehen Sie einen Sinn darin, nach Planeten außerhalb des Sonnensystems zu suchen, wie Eric es tut?

Es ist ein interessantes Projekt. Die Ergebnisse des französischen Weltraumteleskops „Corot“, das dieser Aufgabe nachgeht, sind faszinierend. Das Problem ist nur, dass wir zu einer zweiten Erde kaum hinkommen können. Das zeigt, wie einzigartig und wertvoll unser Planet ist.

Engagieren Sie sich selbst auch beim Umweltschutz?

Da kommt allmählich was in Gang. In Deutschland ist das Umweltbewusstsein schon weiter verbreitet als in Großbritannien.

Ist es nicht frustrierend, immer den Müll trennen zu müssen?

Es ist weniger schwierig, Müll zu trennen, als einen neuen Planeten zu finden.

Haben Ihre Eltern auch ökologisch gedacht?

Meine Eltern waren immer an Ökologie interessiert. In meiner Kindheit war allerdings die große Bedrohung der Kalte Krieg. Und Atomwaffen. Meine Eltern waren Mitglieder der Kampagne für nukleare Abrüstung und haben sich für einseitige Abrüstung engagiert. Mein Vater fürchtet heute noch, dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte.

Das Gespräch führte Paul Janositz.

LUCY HAWKING,

geboren 1970, hat mit ihrem Vater Stephen Hawking ein Kinderbuch geschrieben: „Der geheime Schlüssel zum Universum“, cbj, München, 272 Seiten, 16,95 Euro.

STEPHEN HAWKING

Mit 17 Jahren beginnt Stephen Hawking, geboren am 8. Januar 1942, in seiner Heimatstadt Oxford mit dem Physikstudium. 1962 wird bei ihm die Muskel- und Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose diagnostiziert. 1965 heiratet er das erste Mal. Aus der Ehe gehen drei Kinder hervor – Robert, Lucy und Timothy.

Mit 27 promoviert Hawking und setzt seine Laufbahn in Cambridge fort.

Seit 1968 ist er auf einen Rollstuhl angewiesen.

Er entwickelt die Theorie der Hawking-Strahlung, nach der schwarze Löcher – Bereiche im All, die alle nahekommende Materie oder elektromagnetische Wellen aufsaugen – nicht nur Energie verschlucken, sondern auch Strahlung freisetzen können. 1979 wird Hawking auf den „Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik“ in Cambridge berufen, den seinerzeit schon Isaac Newton innehatte.

Hawkings populärwissenschaftliche Bücher „Eine kurze Geschichte der Zeit“ und „Das Universum in der Nussschale“ verkauften sich millionenfach.

Das Forschungsziel des Atsrophysikers bleibt, eine Weltformel zu finden, die Einsteins Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik verbinden soll. pja

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