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Opfer-Vertreter aus Namibia sitzen bei einer Berliner Trauerfeier im Jahr 2011 vor einem Schaukasten mit Schädeln.

© epd

Streit um afrikanische Gebeine: Abgeschoben aus dem Charité-Museum

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat die aus der Kolonialzeit stammenden afrikanischen Gebeine vom Berliner Charité-Museum übernommen und sucht nun ein passendes Institut. Von einer Rückgabe nach Afrika ist nicht die Rede.

Abgeschoben statt bestattet – dieses Schicksal fürchten Aktivisten der afrikanischen Gemeinde in Deutschland und die Kritiker des Humboldt-Forums in Berlin für die sterblichen Reste von etwa 10 000 toten Afrikanern, die im kolonisierten Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert gesammelt wurden. Von Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) erhielten sie kürzlich die Auskunft, dass sie an eine andere wissenschaftliche Einrichtung weitergegeben werden sollen.

Von Rückgabe an die afrikanischen Herkunftsorte ist darin keine Rede. „Die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung insgesamt sind wichtige Grundlagen für die Erforschung der Kulturen und der Lebensweise der Völker und Herkunftsgesellschaften, die sie dokumentieren“, schrieb Parzinger. Da die Museen unter dem Dach der Stiftung aber keine anthropologischen Sammlungen besäßen und dies auch nicht anstrebten, erklärt Parzinger in seinem Brief an das Tanzania-Network, werde gerade in Zusammenarbeit mit der Charité, der ursprünglichen Verwalterin des Bestands, nach einem Institut gesucht, das „vor allem eine hohe anthropologische Kompetenz aufweist“.

"Zurück nach Afrika - und nicht in ein anderes Depot"

Eine Formulierung, die die Gegner doppelt alarmierte: Statt die Herkunft der Gebeine zu erforschen, damit sie in die Heimat der Toten zurückgeschickt und beerdigt werden könnten, blieben sie Objekte „fragwürdiger wissenschaftlicher Untersuchungen“, wie es Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen (ISD) ausdrückt. Und sie würden aus dem Bestand einer Bundesinstitution verschwinden. Anstatt sich der deutschen Kolonialgeschichte zu stellen, wolle sich „die Bundesregierung nun offenbar aus ihrer historischen Verantwortung stehlen“, kommentiert Moctar Kamara von der Afrikanischen Gemeinde. „Doch unsere Ahnen gehören nicht in ein anderes Depot, sie gehören zurück nach Afrika!“

Die SPK stellte am Freitag in einer Pressemitteilung klar, dass mit Erforschung „die dringend nötige Erforschung der Herkunft und Erwerbungsumstände“ der Sammlung gemeint sei. Alles weitere sei aber Sache der Politik: „Der Umgang mit menschlichen Gebeinen aus möglicherweise kolonialem Unrechtskontext ist eine Sache der nationalen Verantwortung Deutschlands und nicht einer Kultureinrichtung wie der SPK.“

"Wir leben mit unseren Toten"

Mboro Mnyaka Sururu vom Verein Berlin Postkolonial erklärt, dies müsse auf die Rückgabe der Gebeine hinauslaufen. Die Zurschaustellung oder Aufbewahrung afrikanischer Gebeine in europäischen Institutskellern trage einerseits den kolonialen Blick weiter: Dass nämlich Schwarze keine Menschen, sondern Dinge seien. Es gehe aber auch um das Leben heutiger Afrikanerinnen und Afrikaner. Mboro stammt aus der Kilimandscharo-Region Tansanias, einst als Deutsch-Ostafrika vom Kaiserreich annektiert. „Wir leben mit den Toten. Wir glauben, dass ihr Geist uns verfolgt, im negativen Sinne, wenn sie nicht bestattet werden.“ Um eine Führergestalt, die wegen Widerstands von den Deutschen hingerichtet wurde und deren Kopf in einer deutschen ethnologischen Sammlung – wohl in Berlin – verschwand, „können Sie Leute heute noch weinen sehen.“

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