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Eine Frau, die an einem Gebäude entlang geht, ist von hinten als Silhouette zu sehen.

© J. Woitas/pa/ZB

Streit um das Mandat der Asten: Sexisten anprangern? Verboten!

Studierendenschaften streiten für das Recht, sexualisierte Gewalt zu thematisieren - nachdem ein Gericht einen Bericht über einen "Pick-up-Artist" verboten hat.

Die Schlachten, die verfasste Studierendenschaften ums allgemeinpolitische Mandat schlagen, sind weit älter als die Bundesrepublik. Schon der deutsche Hochschulreformer Carl Heinrich Becker bemerkte in den 1920er Jahren, dass die Studentenschaft zwar in akademischen, nicht aber in politischen Obliegenheiten Mehrheitsbeschlüsse formulieren dürfe. Klar sei aber auch, dass es keine „Formel gibt, die die Grenzen der politischen Kompetenz der Organe der Studentenschaft restlos befriedigend umreißt“. Ein Mandat im politischen Tageskampf ist deshalb umstritten, weil mit der Immatrikulation eine Pflichtmitgliedschaft verbunden ist, die der Studierendenvertretung eine gewisse Neutralität gebietet.

Wo aber verlaufen die Grenzen zwischen der Welt da draußen und dem Hochschul-Soziotop? Wie soll man verfahren, wenn sich die makrogesellschaftlichen Probleme auch im Mikrokosmos Universität wiederfinden?

Die Studierendenschaft der Uni Frankfurt streitet derzeit in einem Gerichtsverfahren für die Publikationsfreiheit, für das Recht, in allgemeinpolitischen Debatten Stellung zu beziehen – zumal dann, wenn sich die Sphären nicht sauber voneinander trennen lassen. Anlass für den Prozess ist die Klage eines Studenten, der sich in einem Artikel der „Asta Zeitung“ zum Thema sexualisierte Gewalt und Sexismus namentlich erwähnt fand. Besagter Student ordnet sich selbst der umstrittenen Subkultur der „Pick-up-Artists“ zu, deren Mitglieder auf dem Campus in jüngster Zeit wiederholt durch Belästigung von Frauen in Erscheinung traten.

Anlass des Streits: Der Bericht einer Asta-Zeitung über einen "Pick-up-Artist"

„Pick-up“ ist der Begriff für heterogene Gruppierungen, die, gestützt auf pseudowissenschaftliche Gemeinplätze, eine „Essentialisierung“ männlicher und weiblicher Sexualität vertreten. Die Szene bietet kostenintensive Kurse an. In diesen kann Mann ein Ensemble von Techniken erlernen, mit dem das angeblich nach dem ewig gleichen Muster gestrickte „Objekt Frau“ dann verführt werden soll.

In der harmloseren Variante mutet Pick-up an wie ein Programm, das den charmelosen Flirtversager, der im Angesicht von Frauen in selektiven Mutismus verfällt, zum unwiderstehlichen Ladykiller schult. „Ich mach dich Macho“, so ungefähr lautet der Tenor des in aller Herren Länder organisierten Projekts, das die erotisch Unbedarften durch ein Set von internalisierten Praktiken zu erfolgreichen Don Juans machen soll. Im Grunde nichts Neues, könnte man meinen, schon der Dichter Ovid mit seiner „Ars amatoria“ ist so gesehen ein antiker Pick-up-Guru. Alte Weisheiten à la „Willst du gelten, mach dich selten“ unterscheiden sich nicht sonderlich von den Basics der Aufreißerszene.

Die Prämissen der gefährlicheren Variante gehen indes davon aus, dass das Nein einer Frau von Natur aus nicht als solches gemeint ist, und man dem amourösen Werben am besten mit psychischem und physischem Drängen Nachdruck verleiht. Wenigstens in Teilen der Szene wird auch explizit Gewalt gegen Frauen propagiert. So riet ein Pick-up-Trainer im Herbst 2014 auf Youtube, Männer sollten sich den Kopf einer Frau zwecks Kontaktaufnahme in den Schritt drücken.

Das Gericht: Der Asta überschreitet sein hochschulpolitisches Mandat

Nachdem die Frankfurter „Asta-Zeitung“ über das Thema berichtet hatte, wandte sich besagter Student ans Gericht. Die erste Instanz, das Frankfurter Landgericht, wies seinen Antrag mit Verweis auf die Pressefreiheit ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt aber urteilte im Hinblick auf eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte zu seinen Gunsten. Gleichzeitig, so der Inhalt der Entscheidung, habe die Studierendenvertretung ihr hochschulpolitisches Mandat überschritten, da Sexismus und sexualisierte Gewalt allgemeinpolitische Themen seien.

Nach dieser einstweiligen Verfügung entschied sich die Studierendenschaft zu einer selbstverfassten Unterlassungserklärung, in der sie bloß auf die Forderung einging, die Namensnennung zu unterlassen. Seither haben mehrere Medien verschiedener Universitäten die Texte in einer anonymisierten Variante noch einmal publiziert.

Die Asten wollen sich weiter zum Thema Sexismus äußern

Mandy Gratz, Pressesprecherin des Dachverbands „freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs)“ sagt, mit der Nachdruckaktion wolle man Solidarität mit der Studierendenschaft der Uni Frankfurt bezeugen und zudem darauf hinweisen, dass man sich auch weiterhin zum Thema Sexismus äußern werde. „Es geht uns nicht darum, eine konkrete Person in die Öffentlichkeit zu ziehen“, sagt Gratz, „wir wollen auf die Strukturen und das sexistische Frauenbild der Pick-up-Szene aufmerksam machen.“ Außerdem gehe es vor allem um Publikationsfreiheit und den Kampf um eine Abschaffung der unhaltbaren Differenz zwischen hochschulpolitischem und allgemeinpolitischem Auftrag. „Die Entscheidung bedeutet de facto, dass sich die Studierendenschaft zum Thema Sexismus nicht äußern darf, und das ist für uns nicht hinnehmbar“, meint Gratz.

Das Argument, Publikationsorgane einer Hochschule würden ihr Mandat überschreiten, weil Sexismus ein nicht bloß auf die Universität begrenztes Phänomen ist, wirkt in der Tat absurd. Das Bündnis aus Studierendenvertretungen, einzelnen Hochschulgruppen und Jugendverbänden will das Thema jedenfalls weiter in die Öffentlichkeit tragen. Das Hauptverfahren in Frankfurt steht noch aus. Mandy Gratz ist zuversichtlich, dass die Sache am Ende zugunsten der beklagten Studierendenschaft ausfällt. Doch was auch entschieden werde: Auf jeden Fall könne man sich auf weitere Aktionen des Bündnisses gefasst machen.

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