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Abschied mit Getöse. Bei Schavans lautstarken Unterstützern vermischen sich „Interessen und Unkenntnis“, sagt Tassilo Schmitt, Professor für Alte Geschichte in Bremen und Vorsitzender des Philosophischen Fakultätentages, dem Zusammenschluss der Philosophischen Fakultäten.

© dpa

Streit um Schavan: „Intellektuell verwahrloste Debatte“

Schavans Doktor-Affäre: Tassilo Schmitt, der Vorsitzende des Philosophischen Fakultätentages, über die Folgen des Streits für die Wissenschaft.

Herr Schmitt, tut Ihnen Frau Schavan nicht leid?

Sie kann einem leidtun. Aber das tut hier nichts zur Sache.

Warum musste die Philosophische Fakultät der Uni Düsseldorf die Dissertation noch nach mehr als 30 Jahren überprüfen?

Die Fakultät hat sich nicht die Finger danach geleckt. Doch nachdem die Vorwürfe im Internet waren, wuchs der öffentliche Druck, ihnen nachzugehen. Auch Frau Schavan selbst hat das wohl so gewollt. Rechtlich steht die Fakultät in der Pflicht, einen womöglich zu Unrecht vollzogenen Verwaltungsakt – und das ist die Promotion – gegebenenfalls wieder rückgängig zu machen.

Wird in den Fakultätentagen nun darüber diskutiert werden, ob Täuschungen auch bei Dissertationen verjähren sollen?

Ja. Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir zu einer einheitlichen Position kommen können.

Viele haben Schavans Doktorvater und der Fakultät die Schuld an den fehlenden Fußnoten gegeben. Schavan habe die schlechte Betreuung nun auszubaden.

Anders als oft behauptet, geht es nicht um ein paar Flüchtigkeitsfehler beim Zitieren, sondern um die Frage, ob Frau Schavan hinreichend kenntlich gemacht hat, welches ihre eigenen Überlegungen sind und was sie von anderen übernommen hat. Wenn sie gegen diese elementare und unverzichtbare Regel wissenschaftlicher Redlichkeit verstoßen hat, muss sie das auch verantworten. Von einem Betreuer und Gutachter und von den zuständigen Gremien darf man aber erwarten, dass sie gravierende Mängel anmerken. Eine eventuelle Mitschuld entlastet die Doktorandin aber nicht, die volljährig war und wissen musste, was sie tat.

Führende Vertreter der Wissenschaft haben das Verfahren in Düsseldorf massiv kritisiert, der einstige DFG-Präsident Winnacker spricht sogar von einer „Hetzjagd“ auf Schavan. Wie erklären Sie sich das?

Ich bin entsetzt über die intellektuelle Verwahrlosung der Debatte: Worin soll denn die „Hetze“ bestehen, wenn einerseits sogar politische Gegner Frau Schavan beispringen und wenn andererseits eine Fakultät trotz erheblichen Drucks tut, was sie rechtlich tun muss? Die Universität Düsseldorf vermutet, dass in manchen Fällen eine Befangenheit gegenüber der großzügigen Ministerin vorliegen mag. Bestimmt gibt es eine Vermischung von Interessen und Unkenntnis.

Vielfach wurde behauptet, das Verfahren habe wissenschaftliche Standards missachtet: das Mehraugenprinzip, die Trennung von Begutachten und Entscheiden sowie eine externe Begutachtung.

Die Vorwürfe stimmen eben nicht. Es gab in dem Verfahren sehr wohl das Mehraugenprinzip und die Trennung von Begutachten und Entscheiden. Nach der Vorprüfung durch die Promotionskommission hat jedes Mitglied des Fakultätsrats selbst geprüft. Der Vorsitzende der Promotionskommission, der die Sachstandsermittlung erstellt hatte, hatte wie der Dekan bei den Entscheidungen kein Stimmrecht. Ich bin selbst Dekan und kann Ihnen versichern, dass die Mitglieder eines Gremiums mit großem Selbstbewusstsein ihre eigenen Urteile fällen. Ein externes Gutachten wäre angefordert worden, hätte der Fakultätsrat das für nötig gehalten: Ihm haben aber die Gutachten aus dem seinerzeitigen Verfahren, die von Frau Schavan selbst eingereichten Stellungnahmen und auch das, was durch Recherche und durch die öffentliche Debatte bekannt geworden ist, ausgereicht. Man darf auch fragen, wer denn angesichts der erhitzten öffentlichen Debatte hätte ein Gutachten verfassen sollen, das nicht sofort den Vorwurf der Befangenheit auf sich gezogen hätte.

Kritiker sagen, das Verfahren sei vielleicht „formaljuristisch“ richtig, doch das sei für die Wissenschaft zu wenig.

Man sollte das förmliche Verfahren nicht als „formaljuristisch“ denunzieren. Es beruht doch auf geronnener Erfahrung aus der Wissenschaft und ist in sich plausibel. Natürlich kann man immer darüber diskutieren, wie Prozeduren verbessert werden können.

Wird es eine Fakultät nach dieser Entrüstung noch wagen, einer gut vernetzten Politikerin den Doktorgrad zu entziehen?

Niemand sehnt sich nach solchen Verfahren. Vielleicht sagen nun manche in ähnlichen Fällen: „Das tun wir uns nicht an!“ Aber ich bin überzeugt, dass die meisten anders denken und ihrer Verantwortung gerecht werden.

Würde es in der Außendarstellung helfen, wenn die Fakultäten sich alle auf genau das gleiche Verfahren einigen würden?

Wir haben im Philosophischen Fakultätentag schon gemeinsame Standards für die gute wissenschaftliche Praxis formuliert. Aber gemeinsame Grundlinien für Plagiatsverfahren könnten doch wieder nur so allgemein sein, dass sie im konkreten Fall nicht vor Angriffen schützen.

Ist es ein gutes Signal, wenn die Uni Lübeck Frau Schavan den Ehrendoktor für ihre politischen Leistungen – hier die Rettung der Uni durch eine Finanzspritze – verleiht? Das heißt doch, die Wertmaßstäbe der Wissenschaft können mit anderen Verdiensten verrechnet werden?

Bei einem Ehrendoktor darf man auch andere als wissenschaftliche Kriterien anlegen. Das steht der Universität Lübeck frei. Die Düsseldorfer durften das nicht, weil es hier um ein „normales“ Promotionsverfahren geht.

Das Promotionsrecht ist ein Privileg der Uni-Fakultäten. Auch die Max-Planck-Gesellschaft und manche Fachhochschulen würden aber gerne promovieren. Ist die Position der Unis nach dem Fall Schavan geschwächt?

Für wen ist denn ein Imageschaden entstanden? Doch nicht für die Universität Düsseldorf, die die Standards sehr hoch gehalten hat, aus Sicht mancher Leute sogar zu hoch. Wenn es um Promotionen geht, sollten Fachhochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen lieber mit den Universitäten ausloten, wie man die Kooperation noch verbessern kann.

Wie wollen die Fakultäten es erschweren, zu täuschen?

Die Fakultäten sind dabei, die Betreuung der Doktoranden zu verbessern, manche schließen darüber Vereinbarungen ab. Ich selbst bin Vorsitzender eines Promotionsausschusses der Universität Bremen. Wir haben unsere Regeln überarbeitet. Dazu gehört, zu klären, welche Voraussetzungen für die Promotion erfüllt sein müssen, wer betreuen und begutachten darf oder dass die Bestnote nur einstimmig und mit einem zusätzlichen Gutachten vergeben werden darf. Solche Präzisierungen beobachte ich überall.

Finden Sie es gut, dass Plagiatsjäger den Unis bei ihrer Qualitätssicherung helfen?

Es ist jedermanns gutes Recht, sich Dissertationen anzusehen. Aber wenn Menschen aus Fehlern anderer Menschen ein Geschäftsmodell machen oder auch nur moralisch arrogant auftreten, ist mir das nicht besonders sympathisch. Umfassend prüfen und urteilen können nur die zuständigen Gremien.

Das Niveau bei Promotionen ist sehr unterschiedlich, auch von Fach zu Fach. Der Wissenschaftsrat hat besonders die Medizin kritisiert. Wie wollen die Fakultäten hier für mehr Vergleichbarkeit sorgen?

Wir müssen alles tun, um Vergleichbarkeit herzustellen. Aber Vergleichbarkeit ist nicht Gleichheit. Es wird immer Unterschiede geben. Wenn es um die Medizin geht, müssen die Mediziner das selbst in die Hand nehmen.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

Tassilo Schmitt,

52, ist Professor für Alte Geschichte in Bremen und Vorsitzender des Philosophischen Fakultätentages, des Zusammenschlusses der Philosophischen Fakultäten

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