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Studenten und Schueler demonstrieren fuer bessere Lernbedingungen

© ddp

Studentenproteste an den Unis: Studienreform: Niemand will’s gewesen sein

Die schlecht gemachte Studienreform ist nicht vom Himmel gefallen. Die Studierenden verbitten sich Anbiederungsversuche von denen, die für die Probleme verantwortlich sind. Heute verlagert sich der Protest aus den Hörsälen auf die Straße. Die große Demonstration steht an. Ist die Studienreform noch zu retten?

Deutschlands Hochschulen befinden sich in der Gewalt bösartiger Außerirdischer. Vor zehn Jahren landeten die kleinen grünen Männer und Frauen in ihren fliegenden Untertassen zuerst im italienischen Bologna, dann auch in Flensburg, Jena und Nürnberg. Mit vorgehaltenen Laserkanonen zwangen sie die Politiker und Professoren zur Studienreform: Fortan sollte das Gros der Erdlinge nur noch sechs Semester bis zum Bachelor studieren, dabei aber nicht unter 40 Prüfungen ablegen und möglichst keine Chance mehr zum Auslandsaufenthalt bekommen. Aus Angst vor Strafrunden in der Umlaufbahn kamen die Verantwortlichen dem Drängen der Außerirdischen beflissen nach.

So muss sich die Einführung von Bachelor und Master wohl zugetragen haben. Wie sonst ließe es sich erklären, dass die Studierenden für ihren Protest so viel Zuspruch bekommen? Die Kultusminister haben vollstes Verständnis, genau wie der Wissenschaftsrat, die Bundesbildungsministerin, Unipräsidenten und Professoren. Man beklagt „handwerkliche Fehler“ und erinnert die jeweils andere Seite an ihre Zuständigkeit. Der Eindruck entsteht, die schlecht gemachte Studienreform sei vom Himmel gefallen. Kein Wunder, dass die Studierenden sich jeden Tag gegen die Anbiederungsversuche all derjenigen verwahren, die die Probleme zu verantworten haben.

Bund und Länder haben die Reform nie durch mehr Personal unterstützt und damit eine entscheidende Chance für die Akzeptanz des Bachelors vertan. Der Wissenschaftsrat fordert (maßvoll) zusätzliche 1,1 Milliarden Euro jährlich für mehr Dozenten. Würden die Politiker die Studierenden wirklich ernst nehmen, müssten sie endlich der chronisch unterfinanzierten Lehre aufhelfen.

Auf Angst und Widerstand stoßen Bachelor und Master auch, weil die Kultusminister im Bachelor den Regelabschluss sehen, nach dem die meisten Studierenden in den Beruf wechseln sollen. In den weiterführenden Master sollen nur die Besten – das spart Geld. Damit haben die Politiker die Reform von Anfang an stark belastet. Applaus gibt es zwar auch von manchen Wissenschaftlern, die eine Elitebildung im Master wünschen. Viele Studierende aber lehnen den Bachelor nun als Sparstufe eines vollwertigen Studiums ab. In der Tat sollten die Studierenden selbst entscheiden dürfen, ob sie nach dem Bachelor weiterstudieren – und nicht die zu knappen Kapazitäten.

Das gilt zumal, da die Unis den Bachelor meist ultrakurz gestalten. Sie gewähren ihm meist nur sechs Semester, obwohl auch sieben oder acht möglich wären. Die Unis wollen aber lieber mehr Zeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Master aufbewahren. Insgesamt darf das Studium zehn Semester nämlich nicht überschreiten. Die Fixierung auf sechs Semester bringt den Bachelor jedoch in Verruf. Die Politik sollte helfen, indem sie die erlaubte Studiendauer auf bis zu zwölf Semester anhebt.

„Lernbulimie“ heißt eine neue Krankheit unter Bachelor-Studierenden. Sie leiden an Prüfungsstress, vollgepackten Stundenplänen, Anwesenheitslisten und fehlender Anerkennung auswärts erbrachter Leistungen. Diese Mängel fallen in die ureigene Verantwortung der Unis und müssen auch dort behoben werden. Gute Vorbilder finden sich allenthalben. So manches Institut hat schon bewiesen, dass die Bologna-Reform gelingen kann.

Der Bachelor muss in die Freiheit entlassen werden. Politiker und Professoren sollten sich dabei nicht hintereinander verstecken.

Einen Beitrag zu den Hörsaal-Besetzungen und zur heutigen Demonstration finden Sie hier.

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