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Studentenproteste: Der bessere Bachelor lässt auf sich warten

Studenten in Berlin beklagen schleppende Reformschritte. Die etwa vom Akademischen Senat der Humboldt-Uni versprochene Überarbeitung der Bachelor-Studiengänge werde nicht umgesetzt.

Zu hohe Arbeitsbelastung, ein verschultes Studium und geringe Flexibilität: Beim Bildungsstreik im Juni gingen zehntausende Studenten auf die Straße, um für bessere Bachelor-Studiengänge zu protestieren. Mit ihren Forderungen stießen sie scheinbar auf offene Ohren in den Uni-Leitungen. Der Akademische Senat der Humboldt-Universität etwa unterstützte die Kernforderungen der Studierenden. Die Studiengänge sollten überarbeitet, die Studierenden daran beteiligt werden. Doch wenige Monate danach sind wieder Hörsäle besetzt, wollen Studenten wieder auf die Straße gehen. Was ist aus der nicht nur an der HU versprochenen Reform der Reformstudiengänge geworden?

HU-Studentenvertreter Tobias Roßmann ist unzufrieden mit den Reformschritten: Zwar seien an einigen Fachbereichen neue Lehre-Studium-Kommissionen gegründet worden. Doch oft mangele es an angemessener Beteiligung der Studierenden – und gleichzeitig entstünden neue Studiengänge mit zu großer Arbeitsbelastung. Das beobachtet auch Informatikstudent Peter Hartig, ehemals Studentenvertreter im Akademischen Senat. Sein Fach wurde kürzlich auf Bachelor umgestellt, dennoch sei „alles auf Kante genäht“. Anstatt aus den Fehlern anderer Bachelor-Studiengänge zu lernen, werde wieder das Diplomstudium in den kürzeren Bachelor gepresst. „Alle Professoren wollen im grundständigen Studium vertreten sein, um sich unentbehrlich zu machen.“ Änderungen seien vorerst nicht zu erwarten, sagt Hartig. Die Losung der Professoren laute: Erst mal probieren – und dann schauen wir mal. „Das geht auf Kosten der Studierenden.“

Steffan Baron, Leiter der Studienabteilung an der HU, gibt zu, dass zum Wintersemester eingeführte Bachelorprogramme dieselben Mängel aufweisen können, die seit dem Sommer angepackt werden sollen. Studiengänge würden von langer Hand vorbereitet, Einsichten der letzten Monate konnten kaum berücksichtigt werden. Doch auch diese Studiengänge würden der Revision unterzogen, die an der HU zentral gesteuert wird. Zunächst werde die Muster-Studienordnung verbessert, an der sich die einzelnen Studiengänge orientieren sollten, sagt Baron. Der dafür anvisierte Termin – Ende Sommersemester 2010 – werde wahrscheinlich nicht zu halten sein. Mit den Fachbereichen gebe es noch viel zu verhandeln, etwa über die Möglichkeit vierjähriger Bachelor-Studiengänge, die die Kultusminister durchaus erlauben.

Für Barbara Gollmer, Referentin für Lehre und Studium an der Philosophischen Fakultät II der HU, ist der Revisionsprozess nichts Neues: Die 2004 eingeführten Bachelor-Studiengänge seien bereits zwei Jahre später überarbeitet worden. So etwa der Bachelor Deutsch, bei dem damals ein ganzes Modul wegfiel: Textkompetenz in Sprache und Literaturwissenschaft. Das Fachgebiet wurde in den Master of Education verlegt. Durch den Wegfall entstand ein Wahlfrei-Modul – die Studierenden können seitdem Module aus verwandten Fächer wie Deutsche Literatur oder Germanistische Linguistik wählen. Ähnlich wurde später bei den Romanisten verfahren.

Den Bachelor in sechs Semestern durchzuziehen, sei schon heute nicht zwingend, sagt Gollmer. Niemand werde exmatrikuliert, wenn er die Regelstudienzeit überschreite. Da beim Bachelor alle Prüfungsleistungen in die Abschlussnote eingingen, sei es oft ratsam, ein Modul zu wiederholen. Denn bei der Aufnahme in einen Master-Studiengang zähle die Bachelor-Note, nicht die Semesterzahl.

An Gollmers Fakultät werden die Studiengänge bis zum Ende des Sommersemesters 2010 noch einmal überprüft. Anschließend gehen sie durch die Gremien, was bis 2011 dauern könne. Klar, dass das den engagierten Studierenden, die jetzt wieder Proteste organisieren, zu langsam geht. Das Engagement für die Reform der Studiengänge ließe allerdings zu wünschen übrig, sagt Gollmer: „Die Studierenden rennen mir nicht gerade die Tür ein mit konkreten Änderungsvorschlägen.“

Ein Knackpunkt beim Reformprozess ist die vom Akademischen Senat beschlossene Abschaffung der Anwesenheitskontrollen. Damit würde auch die von vielen Lehrenden geschätzte größere Verbindlichkeit wegfallen, sagt Gollmer. „Die Studierenden bleiben bis zum Ende da und diskutieren mit, anstatt sich nach und nach zu verabschieden.“

Studentenvertreter können nicht glauben, dass die Reform frühestens in einem Jahr starten soll. Schon jetzt gebe es positive Vorbilder, sagt Tobias Roßmann. Im Fach Geschichte sei schon früh eine Bachelor-Ordnung geschaffen worden, die ein flexibles Studieren ermögliche und Fächer-Kombinationen erleichtere. So sei dem Studium Generale ein großes Modul gewidmet – mit freier Fächerwahl und Möglichkeiten zur eigenen Profilbildung. Für Prüfungsleistungen wie Hausarbeiten gebe es mehr Studienpunkte als in anderen Fächern – und damit eine geringere Arbeitsbelastung.

Auch Studierende an der Freien Universität wünschen sich mehr Tempo. Hier wurde von der Hochschulleitung ein „Fahrplan für den Revisionsprozess“ der Bachelor- und Masterstudiengänge beschlossen. Es wurde ein Ampelsystem eingeführt, bei dem Rot für dringenden Änderungsbedarf steht: Das betrifft laut FU-Sprecher Goran Krstin acht der derzeit rund 130 Studiengänge, und zwar solche, die den konzeptionellen Mindeststandards für Bachelor- und Masterstudiengänge nicht entsprechen. Es handle sich dabei um früh gestartete Bachelorstudiengänge unter anderem in Chemie und Mathematik. Ein Beirat aus Bachelor- und Masterstudenten der Fachbereichsräte und Ausbildungskommissionen soll „die stärkere Einbindung studentischer Erfahrungen in den Revisionsprozess“ gewährleisten. Asta-Referent Sebastian Schneider kritisiert, dass das Präsidium bestimmt, wer in den Beiräten sitzt.

An der FU soll erst im Wintersemester 2010/11 mit der sukzessiven Überarbeitung der Studiengänge begonnen werden. Bis dahin werde geprüft, was nach Schneiders Auffassung ohnehin schon bekannt ist. Bisher sei keine Besserung erkennbar. „Dabei hätte der Akademische Senat sehr einfach unmittelbare Verbesserungen beschließen können durch studentische Anträge, die in der vorletzten Sitzung vorgelegt wurden, etwa zur Senkung des Workloads, zur Senkung der Prüfungszahl oder zur Abschaffung der entmündigenden Praxis von Anwesenheitskontrollen“, sagt Schneider.

Zufrieden sind die Chemie-Studenten. „Der alte Diplomstudiengang wurde konsequent entschlackt“, sagt Matthias Berg, studentischer Studienberater. Man habe auf einen überschneidungsfreien Stundenplan geachtet, der es den meisten ermögliche, die Regelstudienzeit einzuhalten. Zudem funktioniere die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden gut, sodass das Curriculum laufend verbessert werde.

Die Technische Universität sehe zwar ebenfalls die Notwendigkeit zur Überarbeitung ihrer Studiengänge, sagt Vizepräsident Jörg Steinbach. Da die Umstellung auf Bachelor und Master aber erst später stattgefunden habe als an den anderen Berliner Universitäten, werde die Reform erst im Zuge der Reakkreditierung der Studiengänge angegangen. Die steht fünf Jahre nach der Einführung der Studiengänge an – mit ersten Veränderungen sei ab dem kommenden Sommersemester zu rechnen.

Günter Bartsch

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