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© privat

Studienberaterin: "Gewohnheit des Scheiterns ist stark''

Die guten Vorsätze vor dem neuen Semester - wie oft werden sie vom inneren Schweinehund verdrängt. Weil es eben doch schlauer erscheint, am Morgen nach einer Party länger zu schlafen statt in die Vorlesung zu gehen. Wir wollten von Studienberaterin Brigitte Reysen-Kostudis wissen, wie man Leben und Studium in Einklang bringen kann.

Frau Reysen-Kostudis. Sie halten Vorträge zu Themen wie "Gut geplant ist halb gewonnen". Das klingt ein bisschen spießig. Passt das denn mit der Vorstellung vom lockeren Studentenleben zusammen?

Diese Vorstellung gibt es so nicht mehr. Das war vielleicht noch vor ein paar Jahren so. Aber seit der Umstellung auf den Bachelor gehen die Studenten meist nicht mehr davon aus, dass das ein lockeres Leben wird. Ich erlebe eher die Gegenbewegung, dass Studienanfänger die Erwartung haben, dass das Studentenleben sehr hart werden wird.

Das heißt, das Wort Planen ist für die Studienanfänger heute topaktuell?

Ja. Planen ist aktuell. Heute ist es eher so: Wenn die Studenten erstmal den Einstieg ins Studium gefunden haben, so nach dem dritten oder vierten Semester, dann läuft es auch. Dabei hilft eine gute Planung. Früher war das oft umgekehrt. Da tauchten viele Probleme erst nach der Zwischenprüfung auf, zum Beispiel massive Motivationsprobleme während der Examensphase.

Was geblieben ist, sind die guten Vorsätze vorm neuen Semester, haben mir Studenten erzählt. Man nimmt sich vor, endlich mal eine Vorlesung durchgängig zu besuchen oder die Texte für die Seminare regelmäßig zu lesen. Warum ist es so schwer, diese Vorsätze bis zum Ende des Semesters durchzuziehen?

Ich glaube, das hat zwei Hauptgründe. Der erste ist, dass die Vorsätze zu unrealistisch sind und der zweite, dass sie zu unkonkret sind.

Können Sie das ein bisschen genauer erklären?

Wenn man sich vornimmt, alle Texte zu lesen, ist das erstmal unrealistisch. Man kann nicht alle Texte für alle Seminare lesen. Mit einem solchen Vorhaben scheitern Sie nach spätestens zwei Wochen.

Eine wichtige Erkenntnis im Studium ist auch, dass man merkt, man kann nicht alles wissen und alles gelesen haben. Und unkonkret ist dieser Vorsatz vor allem, weil man sich nicht überlegt hat: Wann will man das tun, wie will man das umsetzen, wie fängt man damit an?

Wie geht das denn?

Man muss sich Prioritäten setzen und Zeiten festlegen. Ich muss mir den Studienplan anschauen und sehen, wo liegen meine Veranstaltungen? Und dann muss ich entscheiden, in welchen Zeiten ich meine Texte realistischerweise lese. Das ist wichtig, damit da auch eine gewisse Gewohnheit reinkommt. Gewohnheiten sind sehr stark und wer erst einmal eine Gewohnheit des Scheiterns entwickelt hat, kann dieser nur mit anderen Gewohnheiten begegnen.

Was meinen Sie mit "Gewohnheit des Scheiterns"?

In vielen Fällen ist es so, dass sich Studenten daran gewöhnt haben, ihre gesetzten Ziele nicht zu erreichen. Diese Erfahrungen gehen schon in die Schulzeit zurück, wo sie auch schon mehr lernen wollten und es nicht geschafft haben. Das kann auch ein Fluch werden, an den jemand selbst glaubt. Indem er sich immer sagt: "Ich bin halt so. Ich schaffe es eben nicht." Und da ist es wichtig, entgegenzuwirken und eine neue Gewohnheit und eine neue Routine zu schaffen.

Wie funktioniert das im Studium?

Ich kann mir zum Beispiel vornehmen, dass ich immer montags die Texte für dienstags lese. Oder dass ich Seminare und Vorlesungen an dem Tag, an dem die Veranstaltung war auch nachbereite. Das sollte dann so routiniert ablaufen, dass ich mir das nicht jeden Tag immer wieder neu vornehmen muss.

Aber dann muss ich auch resistent gegen andere Versuchungen sein. Was ist denn, wenn ich mir vornehme, montags meinen Text zu lesen und dann ein Freund anruft und mit mir ins Kino, ins Theater oder zu einer Party gehen will?

Naja, das Kino oder das Theater und die Party die fangen ja in der Regel erst später an. Deshalb ist es wichtig, dass ich mir kleine Einheiten setze, indem ich etwa sage, von 17 bis 19 Uhr lese ich den Text und dann kann ich immer noch ins Theater gehen. Länger sollte man ohnehin nicht am Stück lesen oder lernen. Mehrere Ein- bis Zwei-Stundensätze Arbeit ist mit der Planung eigentlich immer vereinbar. Die kann man auch leichter ein bisschen verschieben, wenn mal spontan was dazwischen kommt.

Das heißt, Pläne müssen nicht starr sein?

Nein. Eine gute Planung ist immer auch flexibel, ohne dass man dabei die Ziele aufgibt. Es gibt auch Sachen, die so wichtig sind, dass das Lesen eines Textes mal an Bedeutung verliert und mal ausfällt, zum Beispiel wenn ich krank werde, oder wenn eine Freundin meine Hilfe braucht, weil es ihr gerade schlecht geht. Studium ist nicht das allerwichtigste im Leben.

Wenn mal eine Vorlesung ausfiel oder zwischen zwei Veranstaltungen einige Stunden Zeit war, habe ich mich meistens mit Freunden im Café getroffen, anstatt in die Bibliothek zu gehen. War ich ein schlechter Student?

Wenn es ein Arbeitstag ist, an dem sie drei, vier oder fünf Veranstaltungen haben, dann sind diese Auszeiten, in denen sie in den Park gehen oder sich mit Freunden treffen auch wichtig, um wieder fit zu sein. Wenn diese Pausen aber zu groß werden, wenn sie etwa drei oder vier Stunden Zeit haben zwischen zwei Veranstaltungen und dann an der Uni mehr oder weniger nur rumhängen, dann ist das unsinnig. Dann zu sagen, ich gehe jetzt zwei Stunden mit Freunden essen oder Kaffeetrinken und dann mache ich zwei Stunden was für die nächste Veranstaltung - das wäre eine gute Planung. Man kann ja auch mit Freunden gemeinsam in die Bibliothek gehen.

Der innere Schweinehund kommt aber manchmal einfach spontan über einen. Haben Sie Tipps wie man ihn dann überwinden kann?

Wichtig ist, erstmal zu überlegen: Wo kommt er denn her, der Schweinehund? Ist es vielleicht eine Warnung? Das kann es nämlich auch sein, wenn ich ständig abgelenkt werde. Dann sollte ich mir überlegen, will ich denn eigentlich wirklich studieren? Da hilft auch kein Trick und keine Technik, wenn ich das Gefühl habe "Ich bin hier falsch". Dann muss ich über kurz oder lang scheitern oder es wird eine Quälerei. Ansonsten empfehle ich immer gern als Technik die Nachbereitung von Veranstaltungen anhand eines Protokolls.

Wie soll so ein Protokoll aussehen?

Es sollte nicht länger als eine Din A 4 Seite sein und Datum, Schwerpunkt der Veranstaltung, Literaturhinweise und Hauptgedanken und -themen ganz prägnant zusammenfassen. Das erfordert pro Veranstaltung etwa zehn Minuten. Wenn ich die investiere, habe ich das ganze Semester über Unterlagen, die mir das Gefühl geben, ich bin drin im Studium. Und wenn ich dann am Ende des Semesters vor Klausuren stehe, kann ich mir das alles noch mal gezielt angucken. Dann habe ich auch eine gewisse Ordnung.

Ordnung gegen den inneren Schweinehund?

Ja. Denn gerade die Unordnung fördert den inneren Schweinehund. Wenn ich schon gedanklich verwirrt bin und nicht weiß, "mach ich's oder mach ich's nicht?" und meine Unterlagen sind auch noch wirr, dann hat der innere Schweinehund starke Karten. Dann denke ich, "ach jetzt muss ich das noch alles zusammen suchen und es fehlt noch eine Seite" und dann muss man wild rumtelefonieren und diese Seite versuchen, zu bekommen...das sind alles Sachen aus denen der innere Schweinehund seine Kraft zieht, weil da Energie und Zeit verloren gehen. Wenn Leute das erkennen, erkennen sie auch, dass Planung nichts Spießiges ist und sie einengt, sondern Möglichkeiten eröffnet.

Das Interview führte Ulrike Thiele

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