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Studienfinanzierung: Die Bafög-Lücke

Zu Beginn ihres Masterstudiums erhalten Studierende oft kein Geld. Grund ist eine Lücke im Bafög-Gesetz. In Berlin könnten 70 bis 80 Prozent aller Studierenden betroffen sein.

Sandra Grünewalds Studentenlaufbahn ist bislang gradlinig verlaufen. Nach sechs Semestern Bachelorstudium hat sie ihren Master angeschlossen: Seit Oktober ist die 22-Jährige an der Humboldt-Universität als Masterstudentin eingeschrieben. Und doch steht in Grünewalds Studentenakte dieser kleine, aber bedeutende Vermerk: „vorläufig zugelassen“. Denn genau genommen war Grünewald nicht ganz mit ihrem Bachelor fertig, als sie mit dem weiterführenden Studium anfing. An ihrer Bachelorarbeit feilte sie zu diesem Zeitpunkt noch. Von ihrer Uni wurde sie deshalb vorläufig zum Master zugelassen, sie durfte die Arbeit nachreichen.

Dass der Vermerk in Grünewalds Akte ein Problem ist, erfuhr sie bei einem Telefonat mit dem Bafög-Amt: Solange sie nicht alle Bachelor-Prüfungen bestanden hätte, würde sie kein Geld bekommen. Für Grünewald hieß das: Einen Monat lang den Dispo ausreizen, denn erst im November schloss sie mit ihrer Verteidigung den Bachelor offiziell ab.

Grünewald ist kein Einzelfall: Laut Bafög-Gesetz erhalten vorläufig immatrikulierte Masterstudierende kein Bafög. Erst wenn sie nachweisen können, dass sie ihren Bachelor abgeschlossen haben, fließt wieder Geld. Auch für den Bachelor, in dem sie offiziell noch eingeschrieben sind, bekommen sie kein Bafög mehr, denn dieser wird nur für die Regelstudienzeit von sechs Semestern gefördert. Im schlechtesten Fall entsteht für Studierende eine monatelange Finanzierungslücke. Das Deutsche Studentenwerk fordert jetzt eine Gesetzesänderung.

70 bis 80 Prozent aller bafögberechtigten Masterstudierenden mit befristeter Zulassung seien in Berlin betroffen, schätzt Dietrich Knopp, stellvertretender Leiter des Berliner Bafög-Amts. „Relativ häufig“ kämen Masteranfänger, die kein Geld mehr bekommen, in seine Sprechstunde, sagt Martin Dammaschke, studentischer Bafög-Berater an der HU.

Damit Studierende unmittelbar nach ihrem Bachelor im Master weiterstudieren können, lassen viele Unis sie vorläufig zum Master zu. Der Grund: Viele Studierende können noch keinen Bachelor-Abschluss vorweisen, wenn sie sich für den Master bewerben. Denn die Bewerbungsfristen liegen meist in der Mitte eines Semesters. Knapp 80 Prozent aller Masteranfänger würden an der Technischen Universität vorläufig zugelassen, sagt Horst Henrici, Leiter des Studierendenservices.

Je nach Hochschule haben die vorläufig Zugelassenen unterschiedlich lange Zeit, ihr Bachelorzeugnis nachzureichen. Wer zum Wintersemester im Oktober mit dem Master startet, muss es an der TU und der FU spätestens Mitte Februar vorlegen, an der HU schon Anfang Dezember. Nur wenn ihnen ihr Zeugnis ohne eigenes Verschulden fehlt – weil sich etwa die Korrektur der Abschlussarbeit in die Länge zieht – haben HU-Studierende bis Ende März Zeit.

Für bafögberechtigte Studenten wird ihre vorläufige Immatrikulation zum Problem, wenn sie den Bachelor erst im Laufe des ersten Mastersemesters abschließen. Sie habe es einfach nicht geschafft, ihre Abschlussarbeit bis Semesterende abzugeben, sagt die Physikstudentin Grünewald. Mit Vorlesungen und Praktika habe sie genug zu tun gehabt. Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, fordert daher, auch vorläufig zugelassene Masterstudierende zu fördern – unabhängig davon, ob sie komplett mit dem Bachelor fertig sind. „Wer zum Master zugelassen wird, muss schon bei der Bewerbung sehr viele Studienleistungen erbracht haben“, sagt er. Das Risiko, dass diese Studierenden ihren Bachelor nicht abschließen, sei gering.

Das Bundesbildungsministerium sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. Falls vorläufig eingeschriebene Studierende ihren Abschluss doch nicht bestehen, könne man bereits gezahltes Geld nicht zurückfordern, heißt es auf Anfrage. Auch habe man sich mit den Bafög-Ämtern auf eine kulantere Auslegung des Gesetzes verständigt: Masterstudierende müssen nicht mehr ihr Abschlusszeugnis vorlegen, um nachzuweisen, dass sie ihr Studium erfolgreich beendet haben. Eine Bescheinigung der Uni reicht aus. Von dem Monat an, in dem Studierende ihre letzte Prüfung abgelegt haben, bekommen sie wieder Geld, auch rückwirkend.

Der Bafög-Berater Dammaschke rät Betroffenen, eine verlängerte Förderung für den Bachelor zu beantragen. Darauf können aber nur Studierende hoffen, die länger studieren, weil sie etwa in Unigremien mitarbeiten oder schwanger waren. Nach Dammaschkes Erfahrung bringe es ohnehin wenig, Studienleistungen des Bachelors in den Master zu verschieben. Viele Studierende würden dann im Master länger brauchen. Ann-Kathrin Nezik

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