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Die Plätze im Hörsaal sind rar und begehrt.

© dpa

Studienplätze: Einfach einschreiben

Berliner Hochschulen verschicken an diesen Tagen ihre Zu- und Absagen an Studienbewerber. Eine Absage ist noch lange kein Grund aufzugeben: Wie man auf Umwegen an die Uni kommt.

Mancher hatte sie schon im Briefkasten, andere erwarten ihr Urteil täglich: In diesen Tagen erhalten Studienbewerber die Zu- und Absagen der Berliner Hochschulen. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ist die Hälfte der Zulassungsbescheide schon „raus“, wie eine Sprecherin sagt. Die Freie Universität (FU) und die Technische Universität (TU) verschicken sie ab dem heutigen Montag. Die Konkurrenz ist besonders groß, denn wegen doppelter Abiturjahrgänge und dem Ende der Wehrpflicht erleben die Hochschulen bundesweit einen Ansturm von Bewerbern. Berlin, traditionell das Wunschziel von Abiturienten aus ganz Deutschland, gehört nun zu den überlaufensten Studienorten.

Zwar haben die Berliner Hochschulen ihre Studienplatzkapazitäten in den vergangenen Jahren ausgebaut, doch alle Bewerber können sie bei Weitem nicht aufnehmen. Vergeben werden die knappen Plätze vor allem über die Abiturnote. Sein Eindruck sei, dass es in diesem Jahr „sehr viele Einserbewerber“ gebe, sagt Horst Henrici, Leiter des Studierendenservice der TU. Doch wer jetzt an dieser Hürde, dem Numerus clausus (NC), scheitert, muss nicht verzweifeln. Es gibt viele Wege, auch nach Absagen zu einem Studienplatz zu kommen.

Aufs Nachrücken hoffen

Den Hochschulen springen immer wieder Studienanfänger ab, die Zusagen für NC-Fächer auch von anderen Unis erhalten haben und lieber dort studieren wollen. Die frei werdenden Plätze füllen die Hochschulen dann mit zunächst abgelehnten Bewerbern im sogenannten Nachrückverfahren auf. Schwer vorherzusagen ist, wie groß die Chance ist, auf den Traumplatz nachzurücken. Aus der FU heißt es, im Durchschnitt würden zehn bis 15 Prozent der Plätze über diesen Weg vergeben. Laut Horst Henrici vergibt die TU dagegen inzwischen nur noch „im Promillebereich“ Plätze im Nachrückverfahren.

Beim Losen gewinnen

Bleiben nach den Nachrückverfahren für NC-Studiengänge immer noch Plätze frei, verlosen sie die Hochschulen. Hier haben wieder alle eine Chance: Teilnehmen dürfen im Regelfall auch diejenigen, die sich im Hauptverfahren nicht beworben hatten. Unis gestalten das Verfahren unterschiedlich, Bewerber müssen Zeit investieren, wenn sie es an mehreren Hochschulen versuchen.

Auch hier bleibt abzuwarten, wie viele Plätze Unis auf diesem Weg wirklich vergeben. Je attraktiver der Hochschulstandort und das Fach, desto weniger Plätze bleiben für das Los frei. So hat die FU im vergangenen Jahr nur für wenige Plätze in kleinen Fächern wie Iranistik und Vorderasiatische Archäologie ein Losverfahren durchgeführt. Die TU loste gar nicht mehr, weil alle Plätze rechtzeitig vergeben wurden.

Wer jedoch mobil ist und nicht vor vermeintlich exotischen Hochschulen zurückschreckt, hat große Chancen, über das Losverfahren in NC-Fächern noch angenommen zu werden, sagt Klaus Scholle vom Koordinationsbüro „Studieren in Berlin und Brandenburg“: „Das gilt vor allem für Standorte, die über wenig kulturelle Reize verfügen.“ Aus Berliner Sicht heißt das: in der Provinz, egal, ob in West- oder Ostdeutschland. Wo es freie Plätze gibt, können Bewerber auf der Studienplatzbörse der Hochschulrektorenkonferenz erfahren, die Anfang September freigeschaltet wird.

NC-freie Fächer suchen

Ein Königsweg ist, sich ein NC-freies Studienfach zu suchen. Da kann man sich unabhängig vom Notenschnitt einschreiben, ohne sich vorher zu bewerben – und das in der Regel bis Mitte September. In Berlin ist das an den Universitäten zum ersten Mal seit Jahren wieder möglich. Allerdings nur in wenigen Fächern: In Mathematik (HU, FU und TU), Physik (FU und TU) sowie Elektrotechnik (TU).

Doch schon 30 Kilometer von Berlin entfernt ist die Auswahl größer. An vielen ostdeutschen Unis und Fachhochschulen sind mindestens die Hälfte der Studiengänge NC-frei, das gilt etwa für die Uni Halle-Wittenberg. Zu den offensten Unis gehören die BTU Cottbus, wo man sich in 29 von 34 Studiengängen einfach einschreiben kann, und die TU Bergakademie Freiberg mit 25 Bachelorstudiengängen. Viel frei ist auch in Greifswald und in Rostock. Im Angebot sind sogar begehrte Fächer wie Jura und Betriebswirtschaft, Germanistik, Geschichte oder Anglistik. In Einzelfällen können selbst künftige Lehrer fündig werden. So sind in Potsdam Englisch, Französisch und Spanisch für das Gymnasium und die Oberschule zulassungsfrei. Mit ihren freien Plätzen werben die Osthochschulen jetzt auch auf Twitter.

„Die ostdeutschen Hochschulen leiden darunter, häufig nur zweite Wahl zu sein“, sagt Hans Selge, Kampagnenleiter von „Studieren in Fernost“, einer vom Bund finanzierten Werbeaktion für Hochschulen in den neuen Ländern. Doch auch für Westdeutsche werden die Ostunis attraktiver, das zeigt eine neue Umfrage. Grundsätzlich gilt auch bei der Wahl eines NC-freien Faches: Man sollte nur das studieren, was den eigenen Interessen entspricht. Das ist die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium.

Lesen Sie im zweiten Teil, welche Chancen der Gang ins Ausland bietet.

Quer ins Wunschfach einsteigen

Sich für Mathematik einzuschreiben, aber Geschichte zu studieren, geht in Zeiten des modernen Campusmanagements gar nicht. In den elektronischen Systemen der Hochschulen können sich Fachfremde nicht für Kurse anmelden. Den Quereinstieg über verwandte Fächer nennen Studienberater jedoch einen „durchaus gangbaren Weg“. Wichtig sei, dass sich die Kursinhalte vom zunächst gewählten Fach mit dem Wunschfach überschneiden und Studienleistungen später angerechnet werden können.

So rät Horst Henrici von der TU den an seiner Uni abgelehnten Bewerbern, sich zunächst in den NC-freien Fächern der TU einzuschreiben, falls es Schnittmengen mit dem Wunschfach gibt. Gerade für Ingenieure böte sich die Mathematik an, weil die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge in den ersten Semestern ohnehin „relevante Mathematik-Anteile“ beinhalteten, die man sich später anerkennen lassen könne. Mit diesen Studienleistungen im Rücken sei der Wechsel in ein höheres Fachsemester möglich. An der TU fällt das auch deswegen vergleichsweise leicht, weil es für höhere Semester in vielen Studiengängen keine Zulassungsbeschränkung gibt.

An der FU und an der HU ist ein Quereinstieg schwieriger zu bewerkstelligen – allein schon deshalb, weil für die vielen Geistes- und Sozialwissenschaftler der Einstieg über die NC-freie Mathematik oder Physik gar nicht infrage kommt. Zudem sind in den meisten Fächern auch die höheren Fachsemester mit einem NC versehen. Für einen späteren Fachwechsel müsste man also dort erneut die entsprechende Note mitbringen – falls es überhaupt freie Plätze gibt.

Ein wenig warten

Abiturienten mit einem schwächeren Notenschnitt können alternativ an einen Platz kommen, indem sie Wartesemester sammeln. Je nach Fach und Uni werden zwischen 20 bis 50 Prozent der Plätze so vergeben. In sehr begehrten Fächern kann das aber dazu führen, „dass man mehrere Jahre warten muss“, sagt Studienberater Klaus Scholle. Wichtig ist: Bewerber, die über die Wartezeit an die Uni wollen, dürfen sich zwischendurch nicht in einem anderen Fach einschreiben.

Eine andere Strategie könnte sein, ein halbes Jahr zu überbrücken und sich zum Sommersemester ganz normal wieder über die Abiturnote zu bewerben. Denn im Sommer wollen oft weniger Erstsemester an die Uni, erforderliche Notenschnitt ist in manchen Fächern niedriger. An der HTW Berlin etwa wurden im Fach Elektrotechnik in diesem Sommer alle Bewerber zugelassen, während im vorangegangenen Winter beim Notenschnitt 2,0 Schluss war. Bewerber sollten aber prüfen, ob ihr Fach in einem halben Jahr startet: Die großen Unis lassen Studienanfänger meistens nur zum Winter zu.

Vor Gericht ziehen

Einen Anwalt nehmen und den Studienplatz vor Gericht „einklagen“: Das versuchen einige abgelehnte Bewerber – wenn die Eltern das Geld für die Klage mitbringen. Dem Eindruck, das könne erfolgversprechend sein, widersprechen die Unis. „Die Erfolgsquote beim Einklagen ist in den vergangenen Jahren extrem gesunken“, sagt Horst Henrici von der TU. Auch für Klaus Scholle ist das Einklagen „keine Perspektive“. Die Berliner Hochschulen würden fast alle Studiengänge „überbuchen“, also von Beginn an mehr Bewerber zulassen, als Plätze da sind. Jeder Klage sei damit die Grundlage entzogen, da sich Kläger gerade darauf berufen müssen, dass Unis ihre Kapazität nicht ausschöpfen. Die Studierendenvertretungen (Asten) warnen vor teuren „Anwaltsfabriken“. Sie bieten ab Dienstag auf ihrem Portal einklage.de kostenlose Informationen an, auch bei Anwälten, die mit den Asten kooperieren.

Ins Ausland gehen

Deutsche NC-Opfer flüchten gern in Nachbarländer, wo Zulassungsbeschränkungen praktisch unbekannt sind. In der Schweiz und in Österreich erregt das regelmäßig Ärger, beide Länder versuchen inzwischen über Ausländerquoten oder höhere Studiengebühren den Zuzug der Deutschen zu stoppen. Andere Länder heißen Studierende aus Deutschland herzlicher willkommen – etwa die Niederlande, wohin seit längerem Abiturienten aus NRW und Niedersachsen ausweichen. Die Fachhochschule Venlo bietet für Grenzgänger NC-freie Bachelorfächer auf Deutsch an, etwa Wirtschaftsinformatik und BWL. Der nächste Studienstart ist im Februar, Bewerbungsschluss ist im November. Das könnte auch für mobile Berliner eine Alternative sein.

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