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Überblick. Wie Berliner Studierende leben und lernen, zeigt eine jetzt veröffentlichte Sonderauswertung der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.

© Ulrich Dahl/Technische Universit

Studierende in Berlin: Fleißig – nicht nur in der Uni

Berliner Studierende jobben viel und halten ihr Lernpensum für anspruchsvoll, aber beherrschbar. Sorgen bereiten ihnen hohe Mieten. Das ergibt eine aktuelle Sonderauswertung der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.

Ben Berlin, eingeschrieben an einer der Hauptstadt-Unis, unterscheidet vieles von Studierenden im Rest der Republik. Ben hat zum Beispiel weniger Freizeit. Dabei studiert er gar nicht intensiver, sondern er jobbt häufiger – nicht zuletzt, weil ihm die Unabhängigkeit von den Eltern besonders wichtig ist. Und weil Ben nach dem Abitur nicht übergangslos an die Uni wechseln wollte, hat er erst einmal ein soziales Jahr absolviert.

Ben eint aber auch einiges mit Kommilitonen anderswo. Er fühlt sich genauso gefordert von seinem Studien- und Arbeitsalltag, aber nicht überfordert. Ben steht repräsentativ für den Durchschnitt der 160 000 Berliner Studierenden. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Sonderauswertung der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hervor, die vor einem halben Jahr vorgestellt wurde. Die Ergebnisse der Berliner Auswertung basieren auf Antworten von 800 Studierenden aller Hochschulen der Stadt (Stand 2012).

Charakteristisch für die Berliner Studierendenschaft bleibt, dass sie bunter als die einer deutschen Durchschnittsuni ist. „In Berlin finden sich viele Studierende, die auch einen Umweg gehen“, sagt die Soziologin Maren Kandulla vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in Hannover, die die Daten ausgewertet hat. Hier die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Wo die Studierenden herkommen

Akademikerkinder dominieren die Hochschulen – dieser bundesweite Befund gilt für Berlin in besonderem Maße. 61 Prozent der Studierenden haben mindestens ein Elternteil mit akademischem Abschluss, das sind elf Prozent mehr als im Bundesschnitt. Von den Studierenden mit Migrationshintergrund – die insgesamt 23 Prozent der Studierendenschaft ausmachen – stammen ebenfalls 61 Prozent aus Akademikerfamilien (Bund: 45 Prozent). Auf den ersten Blick mag der noch höhere Bildungshintergrund aller Studierenden überraschen, gilt Berlin doch als sozial schwächer als andere Städte. Ein Grund für die Zusammensetzung könnte sein, dass immer mehr Studierende gar nicht aus Berlin stammen, sondern zum Studium hergezogen sind, vermutet Petra Mai-Hartung, Geschäftsführerin des Berliner Studentenwerks: „Mobilität hängt vom Bildungshintergrund ab.“ Wohlhabende Familien könnten sich einen Umzug der Kinder eher leisten. Womöglich verschärft auch der oft hohe NC die soziale Selektivität, schließlich hängt bereits der Schulerfolg vom familiären Hintergrund ab.

Landeskinder sind jedenfalls in der Minderheit. Nur 39 Prozent aller Studierenden, die hier eingeschrieben sind, haben ihr Abitur ursprünglich in Berlin abgelegt. Im Jahr 2009 waren es noch 47 Prozent. 13 Prozent kommen jetzt aus Brandenburg, acht Prozent aus dem größten Bundesland Nordrhein-Westfalen, sieben Prozent aus Baden-Württemberg. Viele ziehen im Laufe ihres Studiums nach Berlin, zumal für einen weiterführenden Masterstudiengang: 26 Prozent haben einen Uniwechsel hinter sich, zehn Prozent mehr als im Bundesschnitt.

Wie das Studium abläuft

Zunächst lassen sich Studienanfänger in Berlin nach der Schule Zeit. 17 Monate liegen zwischen Abitur und Studienstart, drei mehr als im Bundesschnitt. Jeder Vierte absolviert nach dem Abitur zunächst eine Berufsausbildung, andere machen ein soziales Jahr. Für Maren Kandulla sind diese Werte ein Zeichen, dass die Berliner Studierendenschaft neugierig auf Erfahrungen jenseits der akademischen Welt ist. Womöglich bekommen viele aber einfach nicht auf Anhieb einen Studienplatz in der Hauptstadt.

Einmal an der Uni gestartet, nimmt diese 34 Stunden in der Woche in Anspruch. Die Hälfte der Zeit verbringen Studierende in Lehrveranstaltungen, die andere Hälfte lernen sie in Eigenregie. Insgesamt ist der Aufwand im Vergleich zu 2009 praktisch gleich geblieben, erneut liegen die Berliner gut eine Stunde hinter den Kommilitonen aus Rest-Deutschland. Da Berliner Studierende deutlich mehr jobben (elf vs. 8,6 Stunden), ist die Arbeitsbelastung für sie insgesamt dennoch höher. Als „zu hoch“ empfinden das aber nur 13 Prozent der Befragten. 34 Prozent halten die Belastung durch das Studium für „hoch“, 46 Prozent für „optimal“. Dass Klagen über eine „zu hohe“ Belastung seit 2009 gesunken sind, interpretieren die Sozialforscher als Zeichen dafür, dass die Bachelor-Fächer studierbarer geworden sind.

Für Petra Mai-Hartung ist auffällig, dass Berliner Hochschulen noch mehr als andere eine „bunte Mischung an Studiengängen“ anbieten und so immerhin sechs Prozent der Studierenden entweder in Teilzeit eingeschrieben sind, einen berufsbegleitendes Fach belegen oder gleich ganz ein duales Studium beginnen. „Berlin adaptiert hier gut die heterogener werdenden Bedürfnisse der Studierendenschaft“, sagt Mai-Hartung.

Wie Studierende wohnen

Die Mieten steigen in Berlin. Das betrifft auch Studierende. 321 Euro zahlen sie im Schnitt für Miete und Nebenkosten, 23 Euro mehr als vor drei Jahren. Mittlerweile liegt Berlin auf Platz neun der zehn teuersten Unistädte in Deutschland. Zum Vergleich: Hamburger Studierende zahlen durchschnittlich nur noch 30 Euro mehr Miete, Münchner 37 Euro. (Hier die bundesdeutsche Sozialerhebung für die gesamte Studierendenschaft.)

Die Situation wird in Mai-Hartungs Augen dadurch verschärft, dass billige Wohnheimplätze in Berlin extrem knapp sind. Tatsächlich wohnen in der Hauptstadt mit fünf Prozent anteilig sehr wenige im Wohnheim, viel mehr suchen sich eine eigene Wohnung. Das Studentenwerk fordert daher erneut den rascheren Ausbau von Wohnheimen. „Wer zwei Semester nach einer passenden Wohnung suchen muss, kann nicht gut studieren“, sagt Mai-Hartung.

Was Studierende verdienen

921 Euro können Berliner Studierende im Schnitt monatlich ausgeben, 57 Euro mehr als anderswo. Obwohl die Berliner aus wohlhabenderen Familien stammen, arbeiten sie mehr als im Bundesschnitt; auch ist insgesamt ein höherer Anteil von ihnen erwerbstätig (69 vs. 63 Prozent). Ein Grund dafür ist, dass Berliner Studierende finanziell nicht auf ihre Eltern angewiesen sein wollen. Das sagen 77 Prozent, acht Prozent mehr als im Bundesschnitt. Ganz ohne Zuschüsse der Eltern kommen dennoch nur zwei von zehn Studierenden aus. Die Eltern unterstützen ihre Kinder im Schnitt mit 436 Euro im Monat. Der Studi-Job bringt 412 Euro ein, Bafög-Empfänger erhalten einen Durchschnittssatz von 469 Euro.

Nach der Miete macht das Essen den nächstgrößten Posten im Budget der Studierenden aus: 175 Euro im Monat. Für die Krankenversicherung brauchen sie 78 Euro, für Kultur und Freizeit 82 Euro. Für Lernmittel bleiben 30 Euro. Dass das aufregende Kultur- und Nachtleben der Stadt Studierende nachhaltig vom Lernen ablenkt und ihre Studiendauer signifikant steigen lässt, kann aus der Studie übrigens nicht herausgelesen werden. Mit 5,5 Semestern liegt die durchschnittliche bereits eingeschriebene Fachsemesterzahl nur unwesentlich (0,4 Semester) über der aller deutschen Studierenden.

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