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Wissen: Tatort Operationssaal

Wie Chirurgen aus Behandlungsfehlern lernen

Die Zahl, die kürzlich im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde, erschreckt: Jedes Jahr haben hierzulande fast 130 000 Menschen kleinere oder größere Gesundheitsschäden zu erwarten, die auf Behandlungsfehler zurückgehen. Knapp die Hälfte der Pannen passieren rund um Operationen. Dass sie hier am meisten auffallen und am ehesten registriert werden, ist nicht erstaunlich. „Es gibt in der Chirurgie eine Tat, eine Tatzeit, einen Tatort und einen Täter“, sagt Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Und er ergänzt: „Die Chirurgie ist zudem eine gefahrengeneigte Tätigkeit.“

Die Fachgesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, bei der Fehlervermeidung eine Führungsrolle einzunehmen. Dazu hat man sich die Luftfahrt zum Vorbild genommen. Mit dem „Critical Incident Reporting System“ wurde die anonyme Meldung von Fehlern und „Beinahe-Fehlern“ etabliert. Meldungen können auf der DGCH-Website gemacht werden, viele Krankenhäuser haben inzwischen auch eigene Meldesysteme. „Dabei kann es um ganz banale Defizite gehen, die zu Problemen führen, wenn mehrere von ihnen unglücklich zusammentreffen“, erläuterte Bauer gestern vor der Presse. Der Laie denkt vielleicht zuerst an spektakuläre Fälle, an Amputationen, bei denen die Seite verwechselt wurde. Im Alltag passieren meist unscheinbarere Fehler ohne schwerwiegende Folgen. Da werden die Anschlüsse für eine Drainage verwechselt, weil der Hersteller die Verbindungsstellen nicht gut gekennzeichnet hat, oder ein Arm kann nicht vorschriftsmäßig gelagert werden, weil am OP–Tisch mit einer Stellschraube etwas nicht stimmt. „Um aus Fehlern zu lernen, muss man nicht alle Fehler selber machen“, sagte Bauer. Mit diesem Ziel beteilige man sich auch am Aktionsbündnis Patientensicherheit. Um die Chirurgie sicherer zu machen, erarbeitet die DGCH zudem für die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung – auf deren Daten der Klinikführer des Tagesspiegels basiert – auch Merkmale, an denen gute chirurgische Arbeit erkennbar ist. Und sie beteiligt sich an der Zertifizierung von spezialisierten Behandlungszentren. „Wir wollen sicherstellen, dass da, wo Zentrum draufsteht, auch ein Zentrum drin ist.“

Chirurgen müssen ihr Handwerk verstehen, eine weitere Grundlage ihres Erfolgs sind wissenschaftliche Studien. „Chirurgische Verfahren zu vergleichen ist schwieriger als der Vergleich von Medikamenten, aber es ist nicht unmöglich“, sagte Christoph Seiler, Ärztlicher Geschäftsführer des Studienzentrums der DGCH. In einer Studie an 25 Kliniken wird derzeit untersucht, ob die Gefahr eines Narbenbruchs eher besteht, wenn die Wunde nach einer Bauchoperation fortlaufend oder mit Einzelknoten vernäht wird. Adelheid Müller-Lissner

Adelheid Müller-Lissner

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