zum Hauptinhalt
Landung. Am 14. Februar erreichte die Crew den simulierten Mars.

© REUTERS

Raumsimulation: Test-Astronauten kehren zurück vom Mars

Nach anderthalb Jahren Isolation endet für sechs Männer eine simulierte Reise zum Roten Planeten. Es mangelte ihnen an Tageslicht und Aktivität. Doch am meisten vermissten sie - Salz.

Millionen Fernsehzuschauer können am Freitag miterleben, wie eines der spannendsten Experimente in der Raumfahrt zu Ende geht: Die Simulation eines bemannten Marsflugs. Das russische Fernsehen überträgt live, wenn sich 14 Uhr Ortszeit (11 Uhr MEZ) im Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme die Türen des Moduls öffnen, in dem eine sechsköpfige Besatzung – drei Russen, ein Chinese, ein Italiener und ein Franzose – 520 Tage verbrachten. So lange würde nämlich die Reise von der Erde zum Roten Planeten nach derzeitigem Stand der Technik dauern: 250 Tage Hinflug, 30 Tage die eigentliche Mars-Mission und 240 Tage für den Rückweg.

Die Erfahrungen aus solchen Experimenten waren durchwachsen. Zwei mussten bereits abgebrochen werden, die „Astronauten“ konnten sich im übertragenen wie im Wortsinn nicht mehr riechen und prügelten sich sogar. Beim Mars500-Experiment waren daher nicht durchsetzungsstarke Alphatiere sondern Charaktere mit Kompromissbereitschaft gefragt. Und das hat offenbar funktioniert.

Ein an Bord gedrehtes Video vom 3. Juni 2011 – ein Jahr zuvor hatte der Marsflug begonnen – zeigt sechs blasse, aber leidlich zufriedene Männer bei den Zurüstungen für das Festmenü: Pizza mit Bambussprossen, gezogen im bordeignen Gewächshaus und gedüngt mit Stoffwechselprodukten der Männer-WG. Auf die stürzten sich auch zahlreiche Mediziner und Biologen, die im Auftrag der beiden „Raumschiffbetreiber“, der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos und des europäischen Pendants Esa, arbeiteten.

Untersucht wurde unter anderem, welche Auswirkungen enge Lebensräume mit sehr begrenzter Mobilität für Allgemeinbefinden und das menschliche Immunsystem haben, wie der Körper auf fehlendes Tageslicht und mangelnde Aktivität reagiert und wie Stress und Ausnahmesituationen auf Herz und Kreislauf wirken. Offenbar gut, was unter anderem an der salzarmen Ernährung liegt. Die Hersteller, darunter auch deutsche Firmen, hatten sich an die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen sechs Gramm pro Tag und Person gehalten. Für Europäer gewöhnungsbedürftig, vor allem die Russen meckerten was das Zeug hielt, als sie nach 130 Flugtagen einen Ärztekongress per Youtube grüßten.

Auch Psychologen widmeten sich den virtuellen Marsreisenden, studierten die Entwicklung von Gruppenstruktur, -dynamik und Kommunikationsverhalten. Das Team, lobt die Esa, habe gut funktioniert und Routineaufgaben wie Experimente mit „großer Disziplin und Perfektion“ erledigt.

Ihre eigene Sicht der Dinge werden die Männer am kommenden Dienstag auf einer Pressekonferenz darlegen. Erst dann erhalten sie auch ihre volle Freiheit zurück. Die ersten vier Tage nach der Landung kommen sie nämlich in Quarantäne, wie es auch nach einem echten Besuch auf dem Mars geschehen dürfte.

Auch der Aufenthalt auf dem Planeten selbst wurde so realistisch wie möglich simuliert. Drei Männer, angetan mit weißen, 30 Kilo schweren Raumanzügen, keuchten, als sie am 14. Februar unendlich langsam die russische Flagge in die „Mars“-Oberfläche rammten. Das Drehbuch zur Erkundung sah jede Menge Gemeinheiten vor, die es abzuwehren galt. Magnetstürme etwa oder einen Meteoriten-Regen mit faustgroßen Felsbrocken.

„Das Mars500-Experiment ist trotzdem nur bedingt mit einem echten Marsflug vergleichbar“, sagt Mark Belokowski, stellvertretender Direktor des federführenden Instituts für Biomedizinische Probleme. Eine echte Reise zum Roten Planeten sei ungleich schwerer zu bewerkstelligen und daher frühestens in 20 Jahren möglich. Immerhin: Zwölf nationale Raumfahrtagenturen hätten kürzlich im japanischen Kyoto mit der Erarbeitung einer Roadmap für einen realen Marsflug begonnen, berichtet Belokowski. „So eine Mission wird aber nur in internationaler Zusammenarbeit und mit einer internationalen Besatzung erfolgreich sein.“

Entscheidend für das Gelingen eines realen Marsflugs, meint Oleg Artemjew, der bereits mehrere Langzeitmissionen im All hinter sich hat und 2014 erneut für mehrere Monate zur Internationalen Raumstation ISS fliegen soll, sei die Verbesserung der Kommunikation zwischen Raumschiff und Erde. Das Problem sei nicht so sehr, dass E-Mails derzeit den Adressaten erst nach 20 Minuten erreichen, sondern abnehmendes Interesse zu Hause.

In der Tat. Leicht irritiert notiert der französische „Testflieger“ Romain Charles am 25. Oktober, als der Countdown für die „Landung“ anläuft, im Logbuch: Während der Sommerferien im August seien die Nachrichten, die seine Familie ihm bis dahin mehrmals täglich sendete, spärlicher und lakonischer geworden. „Die waren sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich trage ihnen das aber nicht nach, wahrscheinlich würde auch ich so reagieren“, schreibt er wörtlich.

Der Rückflug, darüber sind sich Experten einig, ist zwar kürzer, aber für die Crew der eigentliche psychologische Härtetest. Außerdem ist die Hin-und-Rück-Variante deutlich teurer als ein einfacher Flug. Denn es muss mehr Proviant transportiert werden, das Raumschiff muss größer sein, die Startrakete stärker. Viele Forscher halten Roboter deshalb für die bessere Lösung. Zwei Amerikaner indes wollen eine Besatzung mit One-way-ticket als Kolonisatoren auf den Mars schicken. Bei einem Internetaufruf haben sich daraufhin hunderte Freiwillige gemeldet. Ob sie tatsächlich in ein Raumschiff steigen werden, darf man bei den meisten jedoch bezweifeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false