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Galapagos: Arche Noah im Pazifik

Der Galapagos-Archipel ist eine Erfolgsgeschichte für den Naturschutz.

Unmittelbar vor der Linse der Kamera lässt sich eine Meerechse die Morgensonne auf ihre Schuppen brennen. Und weil der Platz auf den Klippen knapp ist, klettern die kleinen Meerechsen halt einfach auf ihre großen Artgenossen, um genug wärmendes Licht zu ergattern. Scheu vor Menschen kennen viele Tiere auf den Galapagos-Inseln wirklich nicht. Denn Raubtiere, die ihnen gefährlich werden könnten, haben es einfach nicht bis zu diesem Archipel tausend Kilometer vor der Küste Ecuadors geschafft.

Ein paar Meter weiter wirbt ein Blaufuß-Tölpel-Männchen um seine Angebetete, watschelt auf knallblauen Schwimmfüßen unbeholfen auf sie zu und bietet ihr einen Zweig an, den er im Schnabel trägt und der ganz offensichtlich das Nonplusultra für den Nestbau ist. Sichtbar erfreut nimmt sie das wichtige Bau-Element für das spätere gemeinsame Heim entgegen und die Hochzeitsnacht rückt ein merkliches Stück näher.

Solche Szenen lockten Heinz Sielmann auf die Galapagos-Inseln, 1962 zauberte sein Dokumentarfilm „Galapagos – Landung in Eden“ das Paradies im Pazifik in die Kinos. Der Film war ein Riesenerfolg und wurde auf der Berlinale im gleichen Jahr mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. Trotzdem aber hatte Heinz Sielmann später beim Blick auf die Galapagos-Inseln immer auch ein ungutes Gefühl: Obwohl bereits seit 1959 ein Nationalpark große Teile des Archipels schützt, lauert vor dem Idyll für Tiere eine große Gefahr: Wie fast überall auf dem Globus gibt es immer mehr Menschen, die auf den Inseln leben oder sie besuchen. Und genau wie in den Savannen Afrikas oder in den Regenwäldern des Kongo und Neuguineas bedeuten mehr Menschen nicht nur weniger Platz für eine intakte Natur, sondern bringen die Zweibeiner Seelöwen, Meerechsen und Tölpeln auch noch ganz andere Gefahren. 1994 gründete Heinz Sielmann daher die Stiftung, die seinen Namen trägt und die solche Naturlandschaften wie den Galapagos-Archipel mit rund einem Dutzend größeren und mehr als hundert kleineren Inseln retten soll.

Für Naturbegeisterte sind die Galapagos-Inseln ein Traumziel, an dem sie exotische Tiere sehr nahe vor die Kameralinse bekommen. Zählten die Behörden 1990 noch 40 000 Touristen auf den Galapagos-Inseln, waren es 2006 bereits 145 000. Genau wie von Heinz Sielmann befürchtet, bedeutet dieses Mehr an Besuchern aber auch einen höheren Druck auf das Naturparadies. Dabei besteht keineswegs die Gefahr, dass Touristenmassen die seltenen Tiere tottrampeln oder direkt belästigen würden. Im Nationalpark bleiben die Besucher auf wenigen zugelassenen Wegen und beeinträchtigen die Natur so nicht übermäßig. Das Problem ist vielmehr die Versorgung so vieler Menschen, die weit überwiegend vom Festland aus geschieht. Gleichzeitig lockt der Boom Südamerikaner vom Festland auf die Inseln, weil sich dort gut Geld verdienen lässt. Längst sind die Galapagos-Inseln die reichste Provinz Ecuadors und neben Erdöl und Bananen der wichtigste Wirtschaftsfaktor des Landes. Mehr als 400 Millionen US-Dollar Umsatz bringt der Tourismus inzwischen jedes Jahr. Dadurch aber boomt auch der Verkehr zwischen dem Festland und den Inseln.

Mit jedem Versorgungsschiff und jedem Passagierflug wächst die Umweltverschmutzung. 2001 sank zwischen den Inseln der Tanker Jessica mit 1800 Tonnen Benzin, Diesel und Schweröl und verursachte eine Ölpest, der viele Tiere zum Opfer fielen. Mit umgerechnet knapp 130 000 Euro engagierten sich Heinz Sielmann und seine Stiftung gegen die Ölpest. Langfristig soll der Archipel seine Energieversorgung komplett auf nachhaltige Quellen umstellen, um solche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden. Tatsächlich liefern inzwischen die ersten Windräder elektrischen Strom.

Das größte Transportproblem aber bleibt ungelöst: Jedes Frachtschiff und jedes Flugzeug kann blinde Passagiere in Form von Organismen an Bord haben, die für das Ökosystem der Inseln unbekannt sind. Das können Samen sein, die auf den Inseln keimen, oder Insekten und kleine Reptilien, die unbemerkt zum Beispiel in der Kabinenverkleidung reisen. Solche Neuankömmlinge aber können gerade auf bisher weitgehend isolierten Inseln die Natur völlig umkrempeln und dabei die einheimischen Arten verschwinden lassen.

Während auf dem Archipel gerade einmal 500 einheimische Pflanzenarten zu Hause sind, hatten sich bis zum Jahr 2000 bereits 748 fremde Pflanzenspezies etabliert. Die Neuankömmlinge aber verdrängen oft die Alteingesessenen. Damit verschwindet unter Umständen eine Pflanze, auf die eine Tierart als Nahrung angewiesen ist. So frisst der bis zu 150 Zentimeter lange Landleguan meist die Sprossen und Blüten der auf vielen Inseln wachsenden Opuntien. Werden diese Pflanzen durch andere verdrängt, könnte auch das „Drusenkopf“ genannte Tier verschwinden.

Die mit den Touristen ankommenden fremden Organismen sind schon heute für das Ökosystem der Galapagos-Inseln so gefährlich, dass Naturschützer bereits einen großen Teil ihrer Hilfsgelder in die Bekämpfung dieser invasiven Arten stecken müssen.

Langfristig setzen die Naturschützer auf zwei Maßnahmen gegen solche Invasoren. Bei der Ankunft auf den Inseln muss rigoros auf eventuelle Eindringlinge kontrolliert werden. Neuseeland macht vor, wie das funktioniert. Dort werden zum Beispiel die Schuhe an den Füßen und im Gepäck von Einreisenden auf Sauberkeit kontrolliert, damit nicht etwa Erdbrocken mit fremden Arten via Profilsohle unbemerkt ins Land kommen. Die zweite Maßnahme wäre eine Beschränkung des Tourismus, weil weniger Reisende auch weniger Verkehr bedeuten. Am besten setzen die Galapagos-Inseln also auf hochpreisigen Qualitätstourismus, bei dem viel weniger Reisende die gleichen Dollarmengen wie beim billigeren Massentourismus in die Kassen bringen. Weniger Reisende aber bedeuten weniger Flüge und weniger Versorgungsfahrten. Damit aber sinken die Chancen der blinden Passagiere und der Druck der Menschen auf die Arche Noah im Pazifik lässt nach.

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