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Wissen: Tödliches Comeback

Das Gelbfieber war schon fast besiegt. Doch jetzt breitet sich die Krankheit vor allem in Afrika wieder rapide aus

Den 12. Januar 2000 werden die Mikrobiologen des Oswaldo-Cruz-Instituts in Rio de Janeiro wohl nicht vergessen. Aus dem Blut einer 24-jährigen Frau, die den Jahreswechsel in einem Nationalpark im Bundesstaat Goias in Zentralbrasilien verbracht hatte, isolierten die Wissenschaftler einen Erreger, den man in Südbrasilien schon in der Mottenkiste wähnte: das Gelbfiebervirus. Der letzte in der Stadt am Zuckerhut aufgetretene Fall datierte auf das Jahr 1942.

Zwei Begleitumstände ließen bei den Gesundheitsbehörden die Alarmglocken besonders laut schrillen. Zum einen hatte es eine Woche gedauert, bis ein Arzt von den charakteristischen Symptomen – hohes Fieber und Gelbverfärbung der Haut – auf die gefährliche Infektion geschlossen hatte. Die Patientin hätte also bereits zahlreiche Personen anstecken können. Die Gefahr wird auch dadurch erhöht, dass „Aedes aegypti“, ein Allerweltsmoskito, der das Gelbfiebervirus überträgt, überall in der Stadt überall vorkommt.

Alle Einwohner in einem Umkreis von 300 Metern wurden umgehend gegen Gelbfieber geimpft. Da in Zentralbrasilien zwischenzeitlich weitere 50 Personen an der Infektion erkrankt waren, wurde eine landesweite Impfkampagne organisiert. Im Verlauf der nächsten sechs Monate ließen sich 17 Millionen Brasilianer impfen, ein internationaler Rekord.

In der Zwischenzeit hat sich der Erreger auch in Afrika zurückgemeldet und in 33 Ländern südlich der Sahara wieder fest eingenistet. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2004 wurden Gelbfieberfälle von 13 der 14 westafrikanischen Staaten an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf gemeldet. Zehn Jahre zuvor waren es gerade einmal zwei Staaten gewesen.

Beunruhigt ist die WHO besonders darüber, dass die Häufigkeit von Gelbfieber zugenommen hat, obwohl die Durchimpfungsrate in der Bevölkerung kontinuierlich angestiegen ist – genau das Gegenteil hatten die Gesundheitsbeamten erwartet. Zum anderen sind Gelbfiebererkrankungen in Afrika meist keine Einzelfälle, sondern treten in Form von Epidemien auf. Diese nehmen dann schnell – wie zuletzt im westafrikanischen Guinea – ein katastrophales Ausmaß an, so dass die verfügbaren Impfstoffvorräte nicht ausreichen, um mittels Massenimpfung einen wirksamen Schutz zu bieten.

Experten sehen ein weiteres Merkmal für heraufziehendes Ungemach. Denn das epidemiologische Muster, die Art und Weise also, wie sich die Virusinfektion ausbreitet, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert. Typischerweise kommt das Gelbfieber in zwei unterschiedlichen Ausprägungen vor.

In dem – ursprünglichen – silvatischen (auf den Wald bezogenen) Zyklus kreist das Virus zwischen hoch spezialisierten Stechmücken und diversen Affenarten. Menschen infizieren sich nur dann, wenn sie als Jäger, Sammler oder zum Roden in den Wald eindringen. Da das vorwiegend männliche Tätigkeiten sind, ist diese Art des Gelbfiebers bei Männern viel häufiger als bei Frauen.

Von einem urbanen Zyklus wird dagegen gesprochen, wenn das Virus durch Stechmücken der Gattung Aedes verbreitet wird. Diese Moskitos stammen ursprünglich aus Asien, sind aber mittlerweile überall dort verbreitet, wo es warm und feucht ist. Sie übertragen knapp ein Dutzend viraler Krankheitserreger, darunter auch das Gelbfiebervirus. Die notorischen Blutsauger fühlen sich auf dem Land genauso wohl wie in der Stadt. Minimale Wasseransammlungen – in einer leeren Dose, einem alten Reifen, einer Blumenvase oder einer Astgabel – reichen, um eine neue Mückengeneration sich innerhalb von zwei Wochen entwickeln zu lassen.

Beide Spielarten des Gelbfiebers werden durch eine epidemiologische Besonderheit des Erregers entscheidend beeinflusst: die Möglichkeit der „transovariellen“ Virusübertragung von einer Mückengeneration auf die nächste. Damit ist gemeint, dass das Virus von einer weiblichen Mücke auf die Eier und dann von diesen über Larven und Puppen auf die heranwachsenden Stechmücken übertragen wird. Im Gegensatz zum Dengue-Virus, einem anderen Erreger aus der Familie der Flavi-Viren, kann das Gelbfiebervirus überleben, ohne dass eine „Zwischenstation“ im Menschen oder Affen notwendig ist.

Dies hat zur Folge, dass das Gelbfiebervirus auch längere Trockenzeiten überlebt. Dann nimmt für gewöhnlich die Insektenpopulation drastisch ab, die Mückeneier können jedoch in winzigen Wasseransammlungen „überwintern“. Die erste Blutmahlzeit einer jungen, das Virus beherbergenden Mücke kann also bereits ein Gelbfieber verursachen.

Die größte Gefahr für zukünftige Gelbfieberausbrüche, so die einhellige Meinung der Fachleute, ist allerdings das rasante Wachstum afrikanischer Städte. Sie wachsen im Durchschnitt um 18 Prozent pro Jahr, einige verdoppeln ihre Einwohnerzahl innerhalb von drei Jahren. „Das Risiko von großen, unkontrollierbaren Ausbrüchen von urbanem Gelbfieber in Afrika ist so wahrscheinlich wie nie“, heißt es entsprechend in einer Fachpublikation der WHO. Denn alleine die Zahl der Millionenstädte wird sich bis 2015 von heute 43 auf 70 nahezu verdoppeln.

Die Zuwanderer landen in immer neuen Slums, in denen eine große Zahl für das Gelbfiebervirus empfängliche Personen auf engstem Raum zusammengedrängt leben, die Mückendichte enorm hoch ist und keine Möglichkeit besteht, sich vor Stechmücken zu schützen. In den letzten vier Jahren traten bereits in fünf afrikanischen Großstädten Gelbfieberepidemien auf, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann es zur nächsten Katastrophe mit Tausenden von Erkrankten und zahlreichen Todesfällen kommt.

Die Sterblichkeitsrate bei nicht geimpften Personen beträgt rund 50 Prozent. Die Verhältnisse in den afrikanischen Metropolen ähneln frappierend denen südamerikanischer Großstädte zum Beginn des 20. Jahrhunderts. In Rio de Janeiro beispielsweise erkrankten damals regelmäßig mehr als tausend Menschen pro Jahr.

Hermann Feldmeier

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