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In neuer Umgebung. 45 Millionen Euro hat der Campus gekostet. Jeder Student hat dort seinen eigenen Arbeitsplatz.

©  Tilmann Warnecke

TU Berlin eröffnet Campus in El Gouna: Experiment unter Palmen

Die TU Berlin hat jetzt einen Campus in einem ägyptischen Ferienresort - finanziert von einem reichen TU-Alumnus. Die Absolventen sollen dem Land später bei drängenden Problemen der Region weiterhelfen. Doch vom Asta kommt auch Kritik.

An Wissenschaft denken spontan wohl die wenigsten, die ins ägyptische El Gouna kommen. Ein Luxus-Ferienresort am Roten Meer, die Hotels reihen sich um eine strahlend blaue Lagune, von der der Ort seinen Namen hat. „Stress gibt es hier nicht“, begrüßt ein großes Schild Touristen. Diese sind bisher weitgehend unter sich. Doch seit neuestem treffen sie auch auf Studierende und Forscher der Technischen Universität Berlin. Die TU hat in El Gouna unlängst einen Campus eröffnet. Für Unis aus den USA und Australien ist das längst selbstverständlich, sie betreiben mehr als 200 Satelliten im Ausland. Von den deutschen Unis ist die TU eine der ersten mit einem solchen Ableger.

In El Gouna sollen Fachkräfte ausgebildet werden, die bei den drängendsten Problemen der Region weiterhelfen. Drei weiterbildende Masterprogramme hat die TU für ihren „Südcampus“ entwickelt – in den Bereichen Energie, Wasseraufbereitung und Stadtentwicklung. Zu diesen Themen soll auch geforscht werden.

30 Studierende aus Ägypten, Indien, China und Südafrika haben jetzt begonnen. Bewerben kann sich, wer erste Berufserfahrungen hat. So wie Islam Zakzouk, der Wasserversorgung studiert. Der 30-Jährige Ingenieur arbeitet im Küstenort Scharm El Scheich für eine Firma, die für Hotels Wasser aus dem Roten Meer aufbereitet. Doch seit der Revolution von 2011 kommen weniger Touristen, die Hotels brauchen weniger Wasser. „Jetzt will ich mich weiterentwickeln, meine Arbeit auf eine bessere Grundlage stellen“, sagt Zakzouk. „Das ist mein Beitrag, um mein Land wieder aufzubauen.“

Das zweite Semester sollen Islam und seine Kommilitonen an der TU in Berlin verbringen. Dann dürfte ihnen aufgehen, warum „Berliner Studierende jeden beneiden werden, der in El Gouna eingeschrieben ist“, wie TU-Präsident Jörg Steinbach sagt. Alle Studierenden verfügen dort über einen eigenen Arbeitsplatz. Die Labore sind auf Zuwachs ausgelegt, genauso wie das Audimax. Dort können deutlich mehr als die angepeilten 180 Studierenden sitzen.

Überhaupt wirkt der Campus hell und freundlich. Der sandfarbene Neubau passt sich gut in die Umgebung ein: Die Wüste beginnt direkt dahinter. Der Unterricht soll sich ganz an deutschen Standards orientieren. Die Studierenden lernen bei TU-Professoren, die für Blockveranstaltungen nach Ägypten kommen. Es gilt das Berliner Hochschulgesetz. Selbst der Aufruf zu den TU-Gremienwahlen hängt in einer englischen Übersetzung am Schwarzen Brett. Für „weltweit einmalig“ hält Steinbach das Modell: Die Ableger der US-Unis seien bei Weitem nicht so eng mit dem Mutterhaus verknüpft. Der Campus ist auch ein Gegenentwurf zur German University in Cairo (GUC), der größten von Deutschland finanziell unterstützten Uni im Ausland. Die GUC kooperiert zwar mit deutschen Partnern, ist tatsächlich aber eine ägyptische Privatuni, die autonom agiert.

Dass die TU ausgerechnet in einem Ferienort einen Campus errichtet, hängt mit dem schwerreichen ägyptischen Unternehmer Samih Sawiris zusammen. Der studierte in den siebziger Jahren an der TU. Er ist auf die Entwicklung großer Tourismusprojekte spezialisiert, das 1990 gegründete El Gouna ist sein Vorzeigeresort. Die Idee zu dem Campus sei ihm gekommen, als er vor sechs Jahren den damaligen TU-Präsidenten Kurt Kutzler in El Gouna traf, erzählt Sawiris.

Sawiris zahlte die Baukosten (rund 45 Millionen Euro) sowie den laufenden Unibetrieb. Er wolle seinem Land mit dem Engagement in der Bildung weiterhelfen: „Der Campus ist ein Symbol, dass das Land prosperieren wird.“ Gewinne strebe er nicht an, auch wenn die Studiengebühren 5000 Euro pro Semester betragen. Völlig uneigennützig handelt Sawiris aber nicht. El Gouna soll eine richtige Stadt und so wirtschaftlich aufgewertet werden. Mit diesem Ziel siedelte Sawiris schon eine Bibliothek, eine Brauerei, eine Hotelfachschule und einen Fußballclub an.

Während sich die TU-Leitung mehr solcher spendabler Alumni wünscht, sieht der Asta die Verbindung kritisch. „Der Campus ist doch nur ein elitäres Spielbrett für einen reichen Menschen, der eine Hochschule haben will“, sagt Studentenvertreterin Jana Küchler.

Nun scheint inmitten der herrlichen Lagune, der Strände, des kleinen Marktplatzes nichts ferner zu liegen als das post-revolutionäre Ägypten mit seinen Umbrüchen. Ist die Abgeschiedenheit ein Nachteil, wenn man ein für die Region zeitgemäßes Programm entwickeln möchte? Nein, sagt der Hydrogeologe Uwe Tröger, der den Wasser-Studiengang leitet: „Man braucht Platz und Ruhe, um einen solchen Campus entwickeln zu können.“ Wichtige Vorhaben seien angeschoben. So sollen die Brunnen El Gounas untersucht werden, in denen sich Brackwasser sammele. In Kairo wolle man prüfen, wie die Abwässer der größten Kläranlage für die Bewässerung von Feldern aufbereitet werden könnten.

Tröger hat die Gruppe um Islam Zakzouk bereits in einem Kurs unterrichtet. Scherzend steht er an diesem Tag unter den Studierenden, die etwas bang nach den Ergebnissen der ersten Prüfung fragen. „Na, das vergessen wir jetzt schnell“, ruft Tröger. An die deutschen Prüfungsformate müssten sich die Studierenden wohl ebenso gewöhnen wie an den diskursiven Unterrichtsstil. Die Studierenden sollen möglichst selbstständig arbeiten. Indirekt trage die TU so auch zum Demokratisierungsprozess bei, sagt Tröger.

Auffällig ist, dass Frauen auf dem Campus stark unterrepräsentiert sind. Nur drei Studentinnen sind in El Gouna eingeschrieben. Und das, obwohl in Ägypten traditionell viele Frauen Technikfächer belegen. Für die 22-jährige Norhan El Dallal aus dem Stadtentwicklungs-Studiengang liegt das daran, dass es der ägyptischen Tradition nicht entspreche, die Familie zu verlassen und in eine weit entfernte Stadt zu ziehen: „Frauen lässt man da noch weniger ziehen.“ Sie hoffe, dass sich das ändert: „Wir brauchen den Wandel.“

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