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Schulpolitik: Türkisch ist Pflicht

Ein Kölner Privatgymnasium will Vielfalt fördern. Damit steht es allerdings nicht allein, sondern folgt einem bundesweiten Trend.

Montag, erste Stunde für 37 Schüler im Privatgymnasium „Dialog“ in Köln-Buchheim. Eigentlich nichts Besonderes, aber was das „Dialog“-Privatgymnasium von anderen Schulen unterscheidet, ist der Stundenplan: Als erstes Gymnasium in Nordrhein-Westfalen bietet die Schule neben Englisch auch Türkisch als Pflichtfach an. Damit ist in dem Land zum ersten Mal für Fünftklässler Türkisch eine versetzungsrelevante Fremdsprache.

Mit der Gründung des Privatgymnasiums folgen die Kölner einem bundesweiten Trend. In den letzten Jahren wurden bereits in mehreren Bundesländern deutsch-türkische Gymnasien gegründet. In Berlin war es im Herbst 2004 so weit. Unterrichtet wird überall auf Deutsch, das auch auf dem Schulhof gesprochen werden muss. Denn niemand hat ein Interesse an Abiturienten, die kaum Deutsch verstehen, auch nicht in Köln-Buchheim. Und eine Parallelgesellschaft heranwachsen sehen, das wolle man auch nicht, heißt es.

Vermeidung einer Parallelgesellschaft

Im Gegenteil: „Unser Ziel ist es, nicht nur Schüler aufzunehmen, die einer bestimmten Nationalität angehören“, sagt Seyitahmed Tokmak, Geschäftsführer des Privatgymnasiums, „sondern durch Vielfalt das Entstehen einer Parallelgesellschaft zu vermeiden.“ Es gehe schließlich nicht um die Nationalität der Schüler, sondern um eine intensive Förderung. Zu dem Konzept gehören Klassengrößen mit maximal 25 Schülern sowie Ganztagsbetreuung mit Arbeitsgruppen und Hausaufgabenhilfe. Zusätzlich zum Pflichtlehrplan werden Förderkurse und dreisprachige Theater-AGs angeboten.

Trägerverein der Schule ist der „Türkisch-Deutsche-Akademiker-Bund“ (TDAB), der nach eigenen Angaben Schüler zu Toleranz und Pluralismus erziehen will. Deswegen wird – zumindest laut Stundenplan – auf eine Trennung von Staat und Religion geachtet. Statt Religionsunterricht bietet der Schulträger das konfessionsübergreifende Fach Ethik an. Weil aber die Vorgaben für Schulen in Nordrhein-Westfalen den Besuch von Religionsunterricht vorschreiben, mussten sich die Schüler erst einmal offiziell abmelden. Jetzt nehmen alle am Ethikunterricht teil. Eine Lehrerin mit Kopftuch dürfte hier genauso wie in anderen staatlichen Schulen nicht unterrichten.

Verbindung zu islamistischem Prediger?

Die Gründung des deutsch-türkischen Gymnasiums hat, wie in anderen Städten auch, zu vielen kritischen Fragen geführt. Kenner der Szene vermuten eine Verbindung zwischen dem Schulträger und dem einflussreichen islamischen Prediger Fethullah Gülen. Gülen lebt im Exil in den USA, nachdem er in der Türkei Schwierigkeiten mit der Justiz bekommen hatte: Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, einen theokratischen Staat gründen zu wollen. Inzwischen gilt er als zentrale Figur der international tätigen Nurculuk-Bewegung. Gülen wird nachgesagt, dass er durch die Unterstützung türkisch-islamischer Schulen seinen Einfluss weltweit ausbauen will.

Die Bezirksregierung ist diesen Hinweisen nachgegangen, konnte aber nach eigenen Angaben „nichts Tragfähiges“ finden. Auffällig ist allerdings, dass die unter Gülens Einfluss stehende Zeitung „Zaman“ viel regelmäßiger über die Aktivitäten des Schulträgers und seine verschiedenen Bildungseinrichtungen berichtet als etwa die Gülen-kritische „Hürriyet“. Der „Türkisch-Deutsche-Akademiker-Bund“ weist allerdings alle Verdächtigungen zurück und distanziert sich demonstrativ von islamischen Gruppierungen.

Zurzeit ist er vor allem damit beschäftigt, den weiteren Ausbau der Schule voranzutreiben. Denn die Schule spiegelt kein vollständiges Bild der Gesellschaft wider: Alle Kinder stammen aus Familien türkischer Einwanderer. Sollten sich irgendwann deutsche Schüler für das „Dialog“-Privatgymnasium entscheiden, will es auch Türkisch für Anfänger anbieten. Cigdem Akyol, Susanne Vieth-Entus

Weitere Informationen unter: www.dialog-koeln.de und www.tudesb.de

Cigdem Akyol[Susanne Vieth-Entus]

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