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George Turner war Berliner Wissenschaftssenator, Präsident der Universität Hohenheim und Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz - und ist Kolumnist des Tagesspiegels.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Bayern baut eine Universität zu viel

In Nürnberg soll eine neue Universität gegründet werden. Doch die Argumente dafür erscheinen nicht zwingend, meint unser Kolumnist George Turner, Wissenschaftssenator a.D.

In Nürnberg soll eine Universität gegründet werden. Die bisherigen Außenstellen der Universität Erlangen-Nürnberg werden dafür die Keimzellen. Die bisher letzte Großstadt mit 500 000 Einwohnern ohne eigene Universität soll ihre eigenständige Alma Mater erhalten. Nun ist es Sache der in Bayern zuständigen Instanzen, so etwas zu beschließen. Die Augen vor der Entwicklung des deutschen Universitätssystems und dessen Folgen zu verschließen allerdings verblüfft bei der doch ansonsten sich hellwach gebenden Landesregierung.

Bayern verfügt über zehn Universitäten; davon sind sechs Neugründungen beziehungsweise Wiederbelebungen (Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Eichstätt-Ingolstadt, Passau und Regensburg). In der alten Bundesrepublik hat es im Jahrzehnt von 1965 bis 1975 fünfundzwanzig Neugründungen von Universitäten gegeben. Nach der Wende haben auch die neuen Länder kräftig zugelangt: Brandenburg ist Rekordhalter mit drei neuen Einrichtungen. Von den zahlreichen nicht zuletzt aus regionalpolitischen Gründen etablierten Fachhochschulen ist noch gar keine Rede.

Manche Länder rudern zurück: Brandenburg hat die TU Cottbus mit der FH Senftenberg zwangsfusioniert. Andere stöhnen unter der Kostenlast.

Die Neugründung ist wohl eine Kompensation

Die Exzellenzinitiative oder -strategie von Bund und Ländern ist im Grunde das Eingeständnis, dass die falschen Hochschulen ausgebaut worden sind: Annähernd 90 Universitäten sind zu viele; mindestens ein Teil der Neugründungen wären besser Fachhochschulen. So versucht man eine Differenzierung der Universitäten in solche mit dem Exzellenzsiegel und dem großen Rest. Und dann eine weitere Neugründung?

Eine halbe Million Einwohner erscheinen als Argument angesichts der universitären Einrichtungen am Platz und der Nähe zu Erlangen nicht zwingend. Damit entfällt auch der regionalpolitische Aspekt, zumal neben Erlangen andere Universitäten sich in Reichweite befinden. Eine Verlagerung einzelner Bereiche von anderen, überlasteten Einrichtungen wird an dem Widerstand der ansonsten unter der Überlast ächzenden Universitäten scheitern.

Was bleibt an Gründen? Die Tatsache, dass einflussreiche Abgeordnete hier ihr Wählerpotenzial haben, wird immerhin offen ausgesprochen. Im Grunde ist die Neugründung wohl eher eine Kompensation: Weil der „Club“ immer nur, wenn überhaupt, ein kurzfristiges Dasein in der Fußball-Bundesliga fristet und derzeitig selbst davon keine Rede sein kann, muss etwas Dauerhaftes her: die „Universitätsstadt“.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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